Test: VW Passat Variant GTE

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Es gibt zwei radikal unterschiedliche Sichtweisen auf Plug-in-Hybride wie den VW Passat Variant GTE: Für die Kritiker ist die Kombination aus zwei Antrieben lediglich der unsinnige Versuch, die CO2-Flottenemissionen zu manipulieren. Für die Befürworter dagegen sind Autos wie der Passat GTE der beste Einstieg in die Elektromobilität: Vom Staat durch die 0,5 Prozent-Regel gefördert, im Alltag praktisch und ohne Reichweiteneinschränkung. Kann beides stimmen?

45 km Realreichweite

Der überarbeitete VW Passat Variant GTE hat eine um 31 Prozent auf 13 kWh gesteigerte Batteriekapazität bei gleichem Bauvolumen. Ein Fortschritt, der einer verbesserten Zellchemie zu verdanken ist. Die elektrische Reichweite auf dem Papier: 54 km im WLTP. In der Praxis waren ohne Schleichfahrt und andere Verrenkungen durchschnittlich 45 km möglich, obwohl der Testwagen mit den breitestmöglichen 18-Zoll-Rädern ausgestattet war, die Lufttemperatur zwischen drei und elf Grad lag und an der Heizung nicht gespart wurde. Genug für viele Pendelstrecken oder den lokal emissionsfreien Weg durch eine Großstadt bis zur Autobahn.

Der Stromverbrauch lag – hochgerechnet auf 100 km – bei 20,8 kWh. Ein niedriger Wert für ein so großes Fahrzeug und speziell im Vergleich zu anderen Plug-in-Hybriden. Von der Nennkapazität der Batterie lassen sich rechnerisch also rund 9,4 kWh extern laden und für den rein elektrischen Betrieb nutzen; der Rest ist als Puffer im hybridischen Modus reserviert, wie Volkswagen auf Anfrage bestätigt.

Der Passat GTE ist in sich stimmig und harmonisch. Zwar wäre es schön, wenn eine Achse allein für den elektrischen Vortrieb da wäre – so macht es BMW zum Beispiel beim 225xe (Test) – und folglich keine Schaltrucke im E-Betrieb spürbar wären. Doch auch so agiert das Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe unauffällig und relativ sanft. Die Leistung des Elektromotors beträgt 85 kW. Wer will, kann auf Knopfdruck („GTE“ neben dem Schalthebel), im Zentraldisplay oder einfach per Kickdown die volle Power abrufen: In Verbindung mit dem turbogeladenen Vierzylindermotor mit 115 kW (156 PS) ergibt sich eine Systemleistung von 160 kW (218 PS) und ein maximales Drehmoment von 400 Nm.

Euro 6d-Norm und E-Kennzeichen für alle GTEs

Der Ordnung halber sollen auch die Werksangaben der Fahrleistungen genannt werden: Die Beschleunigung auf 100 km/h ist in 7,6 Sekunden möglich, und die Spitzengeschwindigkeit liegt bei 222 km/h. Zum Vergleich: Ein Passat Variant Diesel mit 140 kW (190 PS) erreicht 100 km/h in 8,1 Sekunden und fährt 232 km/h schnell. In der Praxis ist es allerdings viel bedeutender, dass der GTE der kultivierteste und komfortabelste aller Passat-Antriebe ist. Elektrisches Fahren ist leiser und eleganter, als es mit einem Dieselmotor jemals möglich sein kann. Allen Verbesserungen beim Selbstzünder zum Trotz bleibt der Ottomotor im GTE laufruhiger. Dazu kommt: Der GTE ist der einzige Antrieb im aktuellen Passat B8, der bereits die Euro 6d- statt nur die Euro 6d-Temp-Norm erfüllt.

Alle Passat GTE erfüllen die Vorgaben des Elektromobilitätsgesetzes (EMoG). Dem Testwagen fehlte das erwartete E-Kennzeichen nur, weil er vor der allgemeinen Homologation eine Einzelzulassung bekam. Wichtig für Dienstwagenberechtigte: Unabhängig von der Optionsliste fallen sämtliche Passat GTE damit unter die 0,5-Prozent-Regelung. Das heißt, dass der geldwerte Vorteil der privaten Nutzung eines Firmenwagens lediglich mit einem halben statt einem Prozent des Bruttolistenpreises pro Monat versteuert werden muss.

Volkswagen geht darum von einer deutlichen Steigerung des GTE-Anteils innerhalb der Baureihe aus; bisher waren es rund drei Prozent. Auch aus anderen europäischen Märkten wie Schweden, wo Plug-in-Hybride ebenfalls bis zu einer bestimmten Grenze förderfähig sind, erwartet man eine hohe Nachfrage. Die kann dem Vernehmen nach auch jederzeit bedient werden: Die Batterie aus dem GTE wird bald in etlichen Modellen des Volkswagen-Konzerns vom Golf 8 bis zum Seat Tarraco eingebaut werden. Man macht jetzt Stückzahl.

1,6 Liter Verbrauch nach der Fantasieformel

Dass die gesetzlich vorgeschriebene Verbrauchs- und CO2-Angabe für Plug-in-Hybridautos ein mäßig komischer Witz offenbar recht industriefreundlicher Bürokraten ist, hat sich herumgesprochen. Die sogenannten kombinierten Werte für den Passat Variant GTE: 1,6 Liter Superbenzin und 37 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer. Die Realität sieht, wenn man den Stromverbrauch nicht einberechnet, anders aus.

Dann fährt man nämlich einfach ein Hybridauto mit besonders schwerer Batterie (EU-Leergewicht des Variant GTE: 1760 kg) herum. Mühelose Sparrekorde wie in einem Toyota Corolla (Test) sind also nicht zu erwarten. Im Hybridbetrieb ohne extern geladenem Strom lag der Durchschnittsverbrauch bei sieben Litern Superbenzin auf 100 km. Im Detail: Im Stadtverkehr kam der GTE auf 5,7 Liter. Bei konstant 130 km/h (Tacho: 134 km/h) waren es 7,2 Liter. Und bei einer Schnellfahrt mit Tempomat auf 180 km/h waren es 12,1 Liter. Ohne einen TDI für die direkte Vergleichsfahrt gehabt zu haben ist offensichtlich: Je niedriger die gefahrene Geschwindigkeit, desto mehr spricht für den GTE und umgekehrt.

Ideales Reiseauto

Kombis sind out. SUVs sind in. Ein Autohersteller, der das nicht erkennen will, ist bald bankrott. Das ändert aber nichts an den Qualitäten der traditionellen Kombi-Bauweise: Platz ohne Ende auf allen Sitzen. Ein Kofferraum, in den man ein Rennrad einfach reinschmeißen kann. Und eine Aerodynamik, die wegen der geringen Stirnfläche auf der Autobahn viel besser ist als bei jedem SUV. Es gehört zu den Paradoxien unserer Zeit, dass das Attribut „praktisch“ neuerdings in einem Atemzug mit den Pseudo-Geländewagen und nicht zuerst mit dem klassischen Kombi assoziiert wird.

So ein Passat Variant ist und bleibt ein hervorragendes Reiseauto. Der Geräuschkomfort ist hoch, er federt geschmeidig, und bei hohen Tempi liegt er satt auf der Straße. Kilometerfressen ohne Ende, dafür sind diese Autos gebaut. Und während das Facelift rein optisch nur von Kennern identifiziert werden kann (mittiger Schriftzug am Heck, keine zentrale Analoguhr im Innenraum mehr), bemerken Vielfahrer leicht den Feinschliff an den Assistenzsystemen.

Die automatische Übernahme der erlaubten Geschwindigkeit ist auf dem besten Weg – wenn auch noch nicht perfekt –, das vorausschauende ACC funktioniert verlässlich, das Lenkrad erkennt jetzt durch Berührung und nicht mehr über ein leichtes Lenkdrehmoment, dass der Fahrer aufmerksam ist. Verbessert wurde auch der Spurhalteassistent, der im Vergleich zu anderen zurückhaltender agiert und im Testzeitraum keiner falschen Markierung wie in Baustellen nachlief. Ein Sicherheits- und Komfortplus.

Der komfortabelste Passat

Volkswagen hat den GTE interessant positioniert: Ein bei den Fahrleistungen vergleichbarer TDI mit 140 kW (190 PS) Motorleistung und Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe ist ab 43.090 Euro zu haben. Der Variant GTE beginnt bei 45.810 Euro. Einen direkten finanziellen Vorteil hat demnach der Dienstwagenberechtigte mit Tankkarte, nicht aber die Firma, die das Auto least und die Kraftstoffkosten trägt. Angesichts des Energiesteuervorteils von 18,41 Cent pro Liter Dieselkraftstoff kann in Deutschland für viele Nutzungsprofile und besonders auf der Autobahn keine Amortisation beim GTE erreicht werden.

Die Lücke aber ist je nach Fahrprofil nicht so groß, dass der GTE keine Abnehmer finden wird, zumal der Autokauf selten ausschließlich rationalen und betriebswirtschaftlichen Kriterien folgt. Mittelfristig ist darüber hinaus nicht absehbar, wie hoch eine geplante CO2-Steuer ausfallen wird. Klar ist, dass bei einem einheitlichen Tonnenpreis die Cent-Differenz zwischen Benzin- und Dieselkraftstoff sinken wird, weil pro Liter Diesel mehr CO2 emittiert wird. Nicht auszuschließen ist freilich auch, dass der eine oder andere Nutzer seinen Fahrstrom zum Billigstpreis selbst produziert.

Volkswagen hat den Testwagen kostenfrei zur Verfügung gestellt und überführt. Der Autor hat Strom und Superbenzin bezahlt.