Das Sonnenreich Japan schlägt zurück

Nachdem Japans Solarindustrie den Solarboom in Deutschland verschlafen hat, stocken die einstigen Weltmarktführer mit Macht ihre Produktionskapazitäten auf, wie die Solarmesse PV Expo zeigt.

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Von
  • Martin Kölling

Asiens größte Solarmesse, die PV Expo, ist dieses Jahr förmlich explodiert – sie ist um 50 Prozent gewachsen. Drei Hallen des Messezentrums Tokyo Big Sight füllen Solarzellenhersteller, Maschinenbauer und Installationsanbieter aus Japan, China, Taiwan, Südkorea, den USA und Europa inzwischen (einige Fotos gibt's hier). In zwei weiteren Hallen drängen sich Anbieter von Akkus und Brennstoffzellen. Und auf den Fluren wimmelt es von Experten aus aller Welt auf der Jagd nach neuem Wachstum. Denn Japan, das die Marktführerschaft erst an Deutschland, dann an die USA und China verloren hat, meldet sich mit Macht in der Topliga der Solarzellenhersteller zurück.

In den vergangenen Monaten und Tagen vor der Messe haben die traditionellen Hersteller und einige Newcomer ambitionierte Expansionspläne vorgelegt: Panasonic will durch den Kauf von Sanyo mittelfristig unter die Top 3 der Solarzellenhersteller der Welt vorstoßen, Sharp so schnell wie möglich seine Produktionskapazität auf über ein Gigawatt ausbauen. Auch Kyocera kündete am Dienstag an, bis 2012 die magische 1-GW-Grenze zu durchbrechen; Mitsubishi Electric sagte am Montag zu, in den kommenden zwei Jahren seinen Zellenausstoß auf 600 MW zu verdreifachen. Dazu versprach Shells japanische Beteiligung Showa Shell, die bisher Zellen noch in homöopathischen Dosen verkauft, unter dem Namen Solar Frontier 2011 das größte Dünnschichtsolarzellenwerk der Welt mit 900 MW Jahresproduktion zu eröffnen und sich damit einen Weltmarktanteil von zehn Prozent zu sichern.

Ein interessanter Neueinsteiger ist KonicaMinolta, bis zum Verkauf seiner Spiegelreflexkamerasparte an Sony ein angesehener Kamerahersteller. Er besitzt eine 7,5-prozentige Kapitalbeteiligung an Konarka, einem aufstrebenden US-Hersteller von flexiblen organischen Solarzellen, und will nun zum Global Player aufsteigen. Das Unternehmen will seine Expertise in der OLED-Beleuchtung verwenden, um seine Solarsparte von 0 auf 400 Millionen Euro aufzubauen. Das Management geht davon aus, dass OLEDs und Solarzellen wunderbar zueinander passen. „OLEDs sind wie umgedrehte Solarzellen“, sagt Atsuo Ezaki, KonicaMinoltas Verkaufschef für beide Sparten. Sie strahlten Licht ab, während Solarzellen es sammelten. Die Wahl des Partners Konarka erklärt er so: „Wir glauben, dass organische Solarzellen im Wettbewerb siegen werden - genauso wie organische Fotoleiter in Kopierern gewonnen haben.“ Der Grund ist die einfache Herstellung der siliziumlosen Sonnenfänger.

Mit Konarka haben die Japaner einen glaubensstarken Partner gefunden. Dessen Gründer Howard Berke sprühte auf der Messe geradezu vor Tatendrang. „2010 wird ein sehr gutes Jahr für die Solarzellenindustrie und ganz besonders für uns“, reibt er sich verbal die Hände. Mit seinen flexiblen organischen Dünnschichtsolarzellen ist er einer der Trendsetter der Messe. Wie ich schon im berichtet hatte, werden seine Solarzellen (mit Fullerenen des Herstellers Mitsubishi Chemical) bereits von Taschenherstellern verwendet. Eine etwa DIN A4 große Einheit kann in zwei Stunden prallem Sonnenschein zwei kleine Batterien laden, meint Berke. Ab diesem Jahr will er richtig angreifen: Dazu hat er hat von Polaroid eine Röntgenfilmfabrik samt Ingenieuren übernommen, mit der das Unternehmen seine Jahreskapazität mittelfristig auf 1 GW hochfahren kann.

Wie groß der Kostenvorteil des Produktionsverfahrens gegenüber Silizium-basierten und Dünnschicht-Solarzellen ist, lassen folgende Werte erahnen: Derzeit bedrucken Konarkas Maschinen pro Minute 50 Meter eines einen Meter breiten Films mit organischen Zellen. Ziel jedoch ist, die volle Leistungsfähigkeit der Maschinen zu nutzen. Und die liegt laut Berke bei 120 Metern auf zwei Meter breitem Film. Zudem arbeitet das Start-up an den Schwächen der organischen Solarzellen. Die magere Effizienz von derzeit drei bis vier Prozent hofft Berke bis Ende des Jahres auf fünf Prozent und bis voraussichtlich Ende 2011 auf sieben Prozent aufzubohren. Das ist immer noch weit von den 18 Prozent entfernt, die Unternehmen wie Kyocera aus ihren traditionellen Modulen herausholen. Gleichzeitig will er die geringe Haltbarkeit der Zellen massiv verbessern, um wirklich konkurrenzfähig zu werden. Durch KonicaMinoltas Super-Barrier-Film möchte er die Haltbarkeit auf mehr als zehn Jahre steigern. Durch den Einschluss der Zellen in Polycarbonat sollen es 15 Jahre werden. Außerdem testet er, durch die Verwendung von Glas auch die kritische Marke von 20 bis 25 Jahren zu knacken, die für den Einsatz im Anlagenbereich wichtig wäre.

Auch für zwei weitere Trends der Messe steht Konarka: durchsichtige und farbige Zellen. Eine Reihe von Herstellern versucht, dieses Sortiment zu bedienen, denn die Kunden fragen es laut Insidern vehement nach. Mitsubishi Chemical ist darunter: Das Unternehmen stellt neben seiner eigenen organischen Dünnschichttechnik, die haltbarer als die Konarkas sein soll, nicht nur flexible, sondern auch durchsichtige Solarzellen in fünf „Farben“ aus. Das ganz große Rad will allerdings Showa Shells Solar Frontier drehen. Das Unternehmen hat nicht nur gerade mit 16 Prozent Effizienz das effizienteste Dünnschichtmodul im Labor. Solar Frontier-Chef Shigeaki Kameda zeigte mir vorige Woche auch eine durchsichtige Solarzelle, in der die Kupfer-Indium-Selen-Kombination des Unternehmens in Glas eingeschlossen wurde. Er wolle die Ingenieure antreiben, um die Effizienz dieser Zelle auf zehn Prozent zu erhöhen und das Produkt dann 2011 oder 2012 auf den Markt zu bringen.

Das wäre ein echter Paukenschlag, denn bisherige durchsichtige Produkte sind nur halb so effizient. Damit hofft er, dass Solar Frontier auch in Entwicklungsländern eine große Nummer wird. Die Zelle im Pack mit Lithium-Ionen-Akkus könnte zum Beispiel beim Gebäudebau in Gegenden mit schlechter Strominfrastruktur wie Afrika für die dezentrale Energieproduktion eingesetzt werden, sagte er mir. Doch ich bin mir sicher, dass er auch in Indien dankbare Abnehmer finden würde. Häufige Stromausfälle zwingen dort Unternehmen schon lange dazu, eigene Generatoren zu unterhalten.

Zum Schluss noch etwas zu Deutschlands Solarindustrie. Nach alldem, was ich hier so lese, ist das Wehklagen im weltgrößten Solarmarkt groß, weil die Einspeisetarife gesenkt werden und die bösen Chinesen preiswerte Module anbieten. Q-Cells schreibt rote Zahlen, und populistische Politiker wollen sogar schon Chinas Billigzellen verteuern. Die Panikmache halte ich für Unsinn. Erstens machen die Modulkosten nur rund 50 Prozent des Kaufpreises aus, sagen mir Experten, der Rest geht an die Handwerker. Die Subventionen wiederum sind immer noch fürstlich, sagen mir die Japaner.

Und die Expansion chinesischer Hersteller ist ein Segen für Deutschland, denn die Asiaten kaufen ihre Produktionsanlagen oft bei deutschen Maschinenbauern. Noch besser: Experten schätzen, dass die Chinesen bis auf weiteres auf Siliziumzellen und nicht auf organische und andere Dünnschichttechniken setzen werden. Das verspricht auch in Zukunft volle Auftragsbücher. Nur zweierlei scheint sicher: Erstens werden die USA in absehbarer Zeit Deutschland als weltgrößten Einzelmarkt ablösen. Zum zweiten werden Deutschlands Hersteller in der Rangliste abrutschen. Konarkas Chef Berke schätzt, dass in fünf Jahren China der größte Produktionsstandort für Solarzellen sein wird, gefolgt von Japan und US-Herstellern, die aber häufig in Südostasien fertigen. Das mag zwar am Stolz kratzen, sollte aber kein Problem sein. Anstatt zu jammern, sollte Europa seinen Blick ebenfalls nach Asien und die USA schweifen lassen. Die Japaner, die neben hohen Kosten auch noch unter dem Höhenflug des Yen-Kurses leiden, nehmen die Herausforderung jedenfalls an. (bsc)