Ja, mia san mim eRadl da

Die Hersteller im Elektrozweirad-Pionierland Japan ködern vor allem Kundinnen mit einer wahren Flut an Modellen. Die Produktvorstellungen geraten dabei zum Medien-Massenauftrieb.

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Von
  • Martin Kölling

Die Hersteller im Elektrozweirad-Pionierland Japan ködern vor allem Kundinnen mit einer wahren Flut an Modellen. Die Produktvorstellungen geraten dabei zum Medien-Massenauftrieb.

Am Dienstag war ein besonderer Tag für den Motorradhersteller Yamaha. Erstmals seit 2003 führte er einen "Full-Modell-Change" bei seinen Elektrofahrrädern durch – und die Medien strömten herbei. Etwa 20 Kameracrews und 150 Journalisten drängten sich in eine Veranstaltungshalle in Tokios Zentrum, um über sage und schreibe vier neue Fahrradmodelle von einem der größten eBike-Hersteller Japans zu berichten. Yamaha dürfte 2010 knapp unter 100.000 eBikes in Japan abgesetzt haben.

Die Entwicklung ist dabei im Pionierland der Elektrozweiräder bereits soweit fortgeschritten, dass Geschwindigkeit und Reichweite längst nicht mehr die wichtigsten Verkaufsargumente sind. Vielmehr konzentrieren sich die Hersteller darauf, die Kosten zu drücken und gleichzeitig die Leistung und Qualität der Akkus zu erhöhen. Denn in kaum einem anderen Land sind E-Fahrräder so weit in den Massenmarkt vorgedrungen wie in Japan. Auf etwa 390.000 Räder soll der Absatz 2010 gestiegen sein. Bei 127 Millionen Einwohnern ergibt das eine Dichte von 0,0031 eBikes pro Einwohner, etwa drei Mal so hoch wie in Europa.

Ein Vergleich mit den Anfang des Jahres in Deutschland vorgestellten Fahrzeugen von Peugeot verdeutlicht die unterschiedlichen Marktstrategien und Kundenpräferenzen. Yamaha hat beispielsweise die Ladung der Batterien seines als "Mamachari" (Mutterrad) konzipierten Einstiegsmodells "Natura S" auf 4,3 Ah und damit eine maximale Reichweite von 24 Kilometern begrenzt. Aber dafür wurde die Akku-Lebensdauer eben von 350 auf 700 bis 900 Ladezyklen erhöht und gleichzeitig den Preis auf unter 100.000 Yen (rund 900 Euro) abgespeckt. Peugeot spendiert seinem vergleichbaren E-Nexus 3 einen 8 Ah-Akku (von Panasonic) für 75 km Reichweite (Herstellerangabe), verlangt dafür allerdings auch einen Listenpreis von 1799 Euro. Für ein vergleichbar bestücktes Modell von Yamaha werden nur 1200 Euro fällig. Panasonic verlangt für sein neuestes, mit weltrekordverdächtigen 12 Ah ausgerüstetes eBike genauso viel.

Der Vergleich verdeutlicht zweierlei: Erstens gibt es große kulturelle Unterschiede. Die Hauptzielgruppe in Japan sind Mütter mit Kind und Senioren, die elektrisch unterstützt mal eben zum Kindergarten oder Supermarkt fahren. Europäer wollen – wenigstens der Ausstattung der Modelle nach zu urteilen – auch mal eine mittlere Fahrradtour genießen. Zweitens ist der Preis- und Technikwettbewerb beinhart in Japan, denn bei den Fahrradherstellern handelt es sich oft um Großkonzerne, die im Falle von Panasonic und Sanyo sogar zu den technischen Weltmarktführern bei Lithium-Ionen-Akkus gehören.

Die Unternehmen werfen daher mit Modellen nur so um sich, um möglichst viele Kunden einzufangen. Yamaha führt 13 Modelle ins Feld und konzentriert sich mit Preisen zwischen 86.000 Yen für das schwachbrüstige Nächstverkehrsbike bis 150.000 Yen für die Mountainbike-Variante auf die preisbewusste Klientel. Panasonic lässt sogar 24 Modelle und Varianten auf die Kunden los, wobei die Preisspanne erst bei 700.000 Yen (6500 Euro) für ein leichtes Titan-Rad mit schwerem 10 Ah-Akku endet. Die Modelle werden als der perfekte schweißarme Ersatz für den Auto-, Bahn- und Fußverkehr im Nahbereich angepriesen – nach dem Motto "10 Kilometer in 30 Minuten".

Mir haben bei Testfahrten am besten die Allradfahrräder gefallen, bei denen der Elektromotor das Vorderrad antreibt. Damit lassen sich selbst Tokios zuweilen heftige Steigungen schweißarm und atemnotfrei hochstrampeln. Und beim Runterrollen speisen sie Bremsenergie in den Akku zurück. Das ist schon verführerisch, besonders im Sommer. Dennoch habe ich bisher immer Abstand davon genommen, mir einen Stromer zu kaufen.

Denn so sehr ich das Schwitzen gerne meiden würde, gleichzeitig will ich auch außer Atem kommen und in den Beinen ein Brennen spüren, wenn ich versuche, trotz roter Ampeln in unter 20 Minuten von meiner Arbeitsstelle nach Hause zu radeln. Bei einem eBike könnte ich zwar den Antriebsassistenten ausschalten, aber dafür würde das Rad doch sehr schwer werden. Und außer Atem und in den Zustand der Muskelübersäuerung zu geraten, ohne das Rad auf hohe Geschwindigkeiten beschleunigen zu können, nun, das schätze ich nun erst recht nicht. (bsc)