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40 Jahre IBM PC: der Computer, der ungewollt die IT-Revolution einläutete

Mark Mantel, Andreas Stiller

(Bild: c't)

Eigentlich sollte der IBM PC nach Herstellervorstellung gar nicht so erfolgreich werden, sondern nur Apple und Co. das Wasser abgraben. Doch es kam anders.

Der IBM Personal Computer in der Ur-Konfiguration Modell 5150 feiert am heutigen 12. August 2021 seinen 40. Geburtstag. IBM hatte ihn damals gar nicht als längerfristige Produktkategorie geplant; man ärgerte sich im New-Yorker-Hauptsitz über die aufkeimende Konkurrenz durch Commodore, Tandy, Apple und Co. Die Kleinrechner waren drauf und dran, zu ernsthaften Kontrahenten in den Büros zu werden. Insbesondere Apples Konzept erschien gefährlich, vom Apple III hörte man Bedrohliches und so wollten die IBM-Manager speziell dem aufmüpfigen Steve Jobs das Geschäft verderben. Ansonsten hatten sie mit dem PC nichts weiter am Hut.

Also stellte IBM ein Entwicklungsteam ab, irgendwas aus der Grabbelkiste zusammenzustellen, das sie Apple entgegensetzen konnten. Die Erweiterungsmöglichkeit des Apple II mit seinen vielen Slots – für die unter anderem ein zu dem Zeitpunkt kleines Start-up namens Microsoft Z80-Karten entwickelte – hatte sich als Erfolgskonzept erwiesen, also musste auch der IBM PC mit so etwas aufwarten.

Man hätte sich an den in Europa schon gut verbreiteten EC-Bus von Kontron ankoppeln können, aber warum? Dessen 64- oder 96-polige Steckverbinder waren zu teuer und außerdem wollte man lieber eine Bus-Belegung wählen, wie sie zufällig vom Board-Layout gerade so passte. Ein vernünftiges Timing der Bussignale? Nebensächlich, Hauptsache es funktioniert – später beim IBM AT hätte man gar Signale mit negativer Laufzeit gebraucht, damit sie rechtzeitig ankommen.

Aufbau des Ur-IBM-PCs mit eher fragwürdiger Anordnung.

(Bild: c't)

Günstig war der IBM PC mit Intels 8088-Prozessor zudem nicht: Die Grundkonfiguration mit 16 KByte RAM kostete ohne Monitor bereits rund 1500 US-Dollar, immerhin war eine Tastatur dabei. Mit 64 KByte RAM, 160-KByte-Diskettenlaufwerk und Monochrom-Monitor stieg der Preis auf mehr als 3000 US-Dollar. Der hohe Preis und die mangelhaften Grafikfähigkeiten führten dann auch dazu, dass kaum ein Privatanwender zum PC griff.

Jeder halbwegs begabte Bastler hätte Besseres hinzaubern können, aber IBM wollte es gar nicht. Das zeigte sich auch im Budget: Die Marketingkampagne war mit 36 Millionen US-Dollar teurer als die Entwicklung. Das Produkt sollte genau so sein, um nicht die eigenen größeren Rechner zu kannibalisieren. Da kümmerte es die Verantwortlichen auch nicht, dass der Prozessorhersteller bestimmte Bereiche für zukünftige Erweiterungen reserviert hatte – eine Firma wie IBM muss sich nicht daranhalten, wenn das Produkt ohnehin nicht für die Zukunft gedacht ist.

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Ein weiteres wichtiges Erfolgsrezept von Apple war, alle wesentlichen Konstruktionsdetails zu veröffentlichen. Also zeigte auch IBM eine bis dato ungewohnte Offenheit und dokumentierte ausführlich in der Technical Reference die komplette Hardware samt aller Schaltpläne, Schnittstellen und kommentiertem BIOS – wo gibt's das heute noch?

Als durchaus gewollten Nebeneffekt konnte IBM so möglichst viele Nachbaufirmen in Apples Demontage einbeziehen – und genau diese Rechnung ging auf, nur halbherzig unternahm IBM etwas gegen die zahllosen, zumeist illegalen Nachbauten. Erst 15 Jahre später kam der Konzern auf die Idee, mit einigen Trivialpatenten gnadenlos abzukassieren, etwa für die geniale Floppy-Erkennung.

In Fernost kopierte man damals oft einfach eins zu eins, in den USA war man ein bisschen vorsichtiger und programmierte zumindest das BIOS neu. Nicht einmal ein halbes Jahr nach der Vorstellung des IBM PC Model 5150 im August 1981 gründete sich die Firma Compaq, die die Kompatibilität bereits im Namen verankert hatte.

In Deutschland hatte die c't bei der Ankunft des PCs die Finger im Spiel: Ende 1983 brachte die damals aus drei Mann bestehende Redaktion den c't86 [2]. 8086-CPU, das heißt 16 Bit Busbreite, Prozessortakt 5 bis 8 MHz, 20 Bit Adressraum; 256 KByte RAM, ausbaubar bis 1 MByte, universelles ECB-Steckkartensystem – das war damals noch ein Kracher. Als Betriebssystem diente wahlweise CP/M-86 oder das später Software-seitig „kompatibilisierte“ PCDOS.

Der c't86 mit namensgebendem 8086-Prozessor von Intel.

(Bild: c't)

Kompatibilität, das war nach dem völlig unerwarteten Erfolg des improvisierten Apple-Killers ganz fix die heilige Kuh, an der sich alle orientieren mussten – auch IBM selbst. Das führte bei den Folgesystemen wie dem erheblich erweiterten IBM AT zu urigen Konstruktionen wie dem berüchtigten A20-Gate, mit dem der 80286-Prozessor den Adressraum des 8088 simulierte, sowie zu zahlreichen weiteren Obskuritäten. Schließlich besann sich IBM aber eines Besseren, brach mit der Kompatibilität und erfand 1987 den PC unter dem Namen PS/2 neu, mit vernünftiger Hardware, besseren Schnittstellen und vor allem einem ordentlich designten Bus namens Micro Channel.

Nebenbei kehrte IBM zur sonst üblichen Business-Strategie zurück und veröffentlichte weder Schaltpläne noch BIOS-Listing und verlangte Lizenzgebühren. Doch damit hatte IBM die Rechnung ohne die inzwischen zahlreichen Wirte gemacht, PS/2 floppte und IBM kehrte einige Jahre später reumütig zum Industriestandard zurück – nun schon mit dem von Intel vorangetriebenen PCI-Bus.

Danach spielte IBM aber nur noch eine Nebenrolle, lediglich bei den Büro-Notebooks (ThinkPads) und den Servern (X-Series) war IBM einigermaßen erfolgreich. Und auch das ist mittlerweile Geschichte: Im Dezember 2004 übernahm Lenovo IBMs PC-Sparte für 1,75 Milliarden US-Dollar [3] – heute verkauft Lenovo weltweit die meisten Notebooks und Desktop-PCs. Im Jahr 2014 folgte der Verkauf von IBMs x86-Serversparte für 2,3 Milliarden US-Dollar [4], ebenfalls an Lenovo. Im selben Jahr stieß IBM die eigene Halbleiterfertigung an den Chipauftragsfertiger Globalfoundries ab, was erst dieses Jahr für Klinsch zwischen den beiden Firmen führte [5].

Was bleibt, ist ein Nischendasein im Server-Markt mit den selbstentworfenen Power-Prozessoren samt eigenem Befehlssatz. Zudem forscht IBM auch nach Abstoß der Halbleiterfertigung an neuer Prozesstechnik, derzeit erprobt man etwa Chips mit Strukturbreiten von 2 Nanometern [6] und hilft Partnern wie Samsung bei neuen Fertigungsgenerationen.

Ein Wafer mit Power10-Prozessoren von IBM. Die Generation ist längst angekündigt, verzögerte sich jedoch unter anderem aufgrund von Fertigungsproblemen.

(Bild: IBM)

Falls Sie noch mehr in Erinnerungen schwelgen oder weitere Hintergründe wissen wollen, legen wir Ihnen unseren Artikel nahe:

Zurück zum IBM PC. Für die Entwicklung eines eigenen OS/1-Betriebssystems sah IBM zum PC-Geburtstermin keine Veranlassung, das konnte man ja für den 8086/88 preiswert in Lizenz nehmen. Da gab es etwa CP/M-86 vom damaligen Marktführer Digital Research, nur konnte man sich dann mit dem Digital-Research-Chef Gary Kildall nicht einigen – über das Warum gibt es zahlreiche mythenumrankte Erzählungen.

Von Microsoft hatte man aber ohnehin das BASIC als Bestandteil des BIOS eingekauft – den Original-IBM-PC konnte man noch wie den Apple II oder C64 ohne zusätzliches Betriebssystem betreiben – und so fragte man eher nebenbei Bill Gates, ob er denn auch ein passendes Betriebssystem parat hätte. Diese Chance ließ sich Gates nicht entgehen, er bejahte frech, immerhin hatte er einen eigenen Unix-Ableger namens Xenix OS im Angebot, der aber viel zu ressourcenhungrig für den mickrig ausgestatteten IBM PC war.

Doch trickreich, wie er war, erwarb er mal eben für ’n Appel und ’n Ei ein passendes, weitgehend CP/M86-kompatibles Minibetriebssystem namens QDOS – samt seinem Entwickler Tim Paterson. Als DOS-Geburtstermin gilt somit das Datum des Rechteerwerbs: der 27. Juli 1981.

Gates hat sich dann später, wie es schön in dem Film „Die Silicon Valley Story“ dargestellt ist, bei seinen Besuchen in Cupertino von Steve Jobs inspirieren lassen, das Betriebssystem um grafische Bedienelemente zu erweitern. Laut Film durfte Gates sogar einen Lisa-Prototypen mit nach Hause nehmen. Wer weiß, was aus Windows sonst geworden wäre.

Und so bleibt festzuhalten, ohne Steve Jobs sähe die IT-Landschaft heute ganz anders aus, und zwar nicht nur wegen der Macs, iPhones und iPads.

(mma [7])


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[3] https://www.heise.de/news/Lenovo-schliesst-uebernahme-von-IBMs-PC-Sparte-ab-157890.html
[4] https://www.heise.de/news/Deal-perfekt-Lenovo-uebernimmt-x86-Serversparte-von-IBM-2094482.html
[5] https://www.heise.de/news/Halbleiterfertigung-IBM-verklagt-Globalfoundries-auf-2-5-Milliarden-US-Dollar-6070235.html
[6] https://www.heise.de/news/Modernste-Transistoren-IBM-erprobt-2-Nanometer-Chips-6040072.html
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