Beschränkte Verteilung

Mit der Umsetzung der europäischen Urheberrechtsrichtlinie in deutsches Recht will der Gesetzgeber dem zügellosen Kopieren und Verbreiten digitaler Inhalte ein Ende bereiten. Vor allem aber soll es den Content-Vertrieb via Internet ankurbeln.

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Von
  • Florian Schmitz

Dass die Verwaltung und Durchsetzung digitaler Rechte, das so genannte Digital Rights Management (DRM), derzeit viele beschäftigt, zeigt nicht nur das große öffentliche Interesse am neuen Urheberrecht. Ebenso verdeutlichte das Medienecho des Gerichtsverfahrens gegen den Norweger Jon Johansen, der mit DeCSS ein Programm zur Umgehung des DVD-Kopierschutzstandards CSS ins Internet gestellt hatte, die rechtliche Brisanz und die wirtschaftliche Bedeutung des Themas. Denn schließlich erhofft sich die Unterhaltungsindustrie endlich den Durchbruch für den Online-Vertrieb von Musik, Filmen oder anderen digitalen Inhalten.

Das öffentliche Interesse konzentriert sich momentan stark auf die Musikindustrie, da - anders als der Softwarenutzer - Käufer von Musik-CDs sich erst in den vergangenen Monaten verstärkt mit ernsthaften Kopierschutzmaßnahmen konfrontiert sahen. Zahlreiche CDs sind durch ihren Kopierschutz inzwischen nicht mehr auf CD-ROM-Laufwerken von PCs abspielbar, überdies lässt sich keine noch so legale Privatkopie anfertigen - zumindest keine digitale. Im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion steht daher die Frage nach dem „Recht“ auf Privatkopien.

Die damit zusammenhängenden Rechtsfragen sind aber nicht nur für die Tonträgerbranche bedeutsam, sondern ebenso für Anbieter anderer urheberrechtlich geschützter Inhalte - das neue Urheberrecht wird den Rechtsrahmen insbesondere für den digitalen Vertrieb von Texten, Filmen und Bildern entscheidend prägen. Den Softwarebereich betrifft es ebenfalls - auch wenn sich die Novelle aufgrund der schon vorhandenen Spezialvorschriften für Software nur mittelbar auswirken wird.

In der Softwarebranche sind Kopierschutzmaßnahmen schon lange üblich. Wer erinnert sich nicht an die fantasievollen Codewortabfragen der ersten Generation von Computerspielen? Heutige Schutzmechanismen reichen von relativ einfachen Abfragen über Hardware-basierte Systeme wie Dongles bis hin zu anspruchsvollen DRM-Systemen. Dass der Softwarebereich damit als Pionier für DRM-Systeme gelten kann, beruht darauf, dass die softwarerechtlichen Spezialregelungen im Urheberrecht deutlich strengere Beschränkungen der Nutzungsrechte des Verwenders zulassen, als dies bei anderen urheberrechtlich geschützten Werken der Fall ist. Auch das viel diskutierte „Recht“ auf Privatkopie gibt es bei Software nicht - es wird ersetzt durch das deutlich beschränktere Recht des Nutzers, eine Sicherungskopie der Software zu erstellen.

Bei den meisten urheberrechtlich geschützten Inhalten ist nach bisherigem deutschem Urheberrecht das Erstellen von Kopien für private Zwecke „zulässig“ und somit der sonst relativ umfassende Schutz des Rechteinhabers eingeschränkt. Andere „Schranken“ des Urheberrechts erlauben dem Nutzer in bestimmten Grenzen die Verwendung urheberrechtlich geschützter Werke zu wissenschaftlichen- oder Ausbildungszwecken oder deren auszugs-/zitatweise Wiedergabe. Wirtschaftlich am bedeutendsten ist aber zweifellos die Privatkopie. Das Gesetz in seiner bisherigen Form erlaubt dem Nutzer nicht nur, für eigene Zwecke eine bestimmte Anzahl von Privatkopien herzustellen, er darf diese zum Beispiel auch an Freunde oder Bekannte verschenken. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass bis zu 7 Privatkopien zulässig sind. Zwar gibt es einen Vergütungsanspruch des Urhebers für derartige zulässige Privatkopien, der auf Speichermedien (wie CD-Rohlinge, MP3-Player) und Vervielfältigungsgeräte erhoben und pauschal über die Verwertungsgesellschaften (zum Beispiel die GEMA) eingezogen und verteilt wird. Diese Gebühren erreichen aber nicht annähernd den Betrag, den die Rechteinhaber durch den Verkauf derselben Anzahl von Medien erzielen könnten.

Durch vertragliche Regelungen in standardisierten Kauf- oder Lizenzverträgen sowie Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBs) lässt sich bislang die Zulässigkeit der Privatkopie nicht aushebeln. Einerseits werden derartige Verträge oft schon nicht wirksam in den Vertrag mit dem Endkunden einbezogen, da sie der Käufer des Mediums erst beim Aufreißen der Verpackung oder aber im Rahmen der Erstnutzung - und damit nach Vertragsschluss - zu Gesicht bekommt. Zum anderen sind standardisierte Regelungen, die die durch das Urheberrechtsgesetz vorgesehenen Schranken wieder ausschließen, rechtlich überwiegend als unwirksam anzusehen. Eine Beschränkung des Rechts auf Privatkopie ließ sich daher im Massengeschäft bisher kaum durchsetzen.

Mit dem neuen Recht, das unter anderem die „EU-Richtlinie zur Harmonisierung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“ umsetzt, kommt Licht in diese juristische Grauzone. Das Gesetz schafft ein klares Stufenverhältnis zwischen Privatkopie und technischen Schutzmechanismen. Grundsätzlich ist es zwar nach wie vor zulässig, zu nichtkommerziellen Zwecken eine - digitale oder analoge - Kopie herzustellen. Jedoch enthält das Gesetz ein ausdrückliches Verbot, vorhandene technische Schutzmechanismen zu umgehen. Sofern DRM-Systeme die Anfertigung einer digitalen oder analogen Kopie verhindern, kann der Nutzer sein Recht auf eine Privatkopie nicht durchsetzen - es steht klar hinter dem Recht des Rechteinhabers zurück, seine Inhalte durch technische Maßnahmen zu schützen.

Eine weitere Einschränkung erfolgt durch den vor dem Vermittlungsausschuss ausgehandelten Kompromiss, dass die Privatkopie nur zulässig ist, „soweit nicht zur Vervielfältigung eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte Vorlage verwendet wird.“ Wie man diese Formulierung in der Praxis interpretieren wird, ist einer der spannenden Aspekte des neuen Urheberrechts - insbesondere im Zusammenhang mit den P2P-Tauschbörsen, deren Existenz im Wesentlichen Auslöser für diesen Passus war. Ob das für juristische Laien erkennbar ist, ist zumindest fragwürdig.

Allerdings hat der Gesetzgeber davon abgesehen, das Umgehen von technischen Schutzmaßnahmen zu rein privaten Zwecken zu kriminalisieren: Während das Überwinden von Kopierschutzmaßnahmen zu kommerziellen Zwecken bußgeld- und strafbewehrt ist, können Nutzer, die nur zu privaten Zwecken Schutzmechanismen umgehen, schlimmstenfalls von den jeweiligen Rechteinhabern auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen werden.

Trotz der nur eingeschränkten Strafdrohung sehen die Rechteinhaber das neue Gesetz überwiegend positiv. Denn mit der Anwendungspriorität für die technischen Schutzvorrichtungen ist das geistige Eigentum besser geschützt.

Da die rechtlichen Bedingungen für den Einsatz von DRM-Systemen nun geschaffen sind, kann sich die Industrie auf die praktische Umsetzung konzentrieren. Ein Vorteil des Vertriebs von digitalen Inhalten über das Internet ist, dass man hier wie auf keinem anderen Weg die Nutzungsbedingungen so detailliert festlegen beziehungsweise einschränken kann. Diesen Trend unterstützt nun auch das neue Gesetz: Während es bislang im Online-Vertrieb nicht erlaubt ist, über allgemeine Geschäftsbedingungen oder Standardlizenzverträge hinaus gesetzliche Sonderrechte wie das Recht auf Privatkopie oder das Recht zum wissenschaftlichen Gebrauch auszuschließen, soll genau dies zukünftig realisierbar sein.

Bei sorgfältiger rechtlicher Ausgestaltung wird es gerade im Online-Vertrieb möglich sein, die verschiedensten Nutzungsmodelle mit DRM-Systemen vertraglich abzusichern. Ein Rechteinhaber kann beispielsweise die Zahl oder Dauer der zulässigen Nutzungen, die Abspielgeräte oder die Anzahl der möglichen Vervielfältigungen technisch vorgeben. Ein so detailliertes Rechtemanagement blieb bisher auf Software beschränkt. Es ist nur darauf zu achten, dass die Lizenzbedingungen richtig formuliert sind und der Nutzer zu jedem Zeitpunkt hinreichend informiert ist, welche Rechte er für welchen Preis bekommt.

Zusammen mit den darüber hinaus geltenden umfangreichen Informationspflichten und den rechtlichen Anforderungen an den elektronischen Geschäftsverkehr ergibt sich für den Content-Vertrieb über Webshops ein relativ komplexes Netz an juristischen Regelungen. Hat ein Anbieter aber seinen Online-Vertrieb von Software, Musik oder anderen urheberrechtlich geschützten Inhalten einmal gesetzeskonform aufgebaut, sind die über diese Plattform zustande gekommenen Verträge wirksam und durchsetzbar. Durch das Unterbinden des ausufernden Kopierens und der Privilegierung der Kopierschutzsysteme im neuen Urheberrecht erhofft sich die Industrie den Durchbruch des elektronischen Handels mit digitalen Inhalten.

Dr. Florian Schmitz
ist Rechtsanwalt in der Communications, Media and Technology Group von Clifford Chance Pünder.
(ur)