Biologische Uhren

Mit Hilfe eines chemischen Schaltkreises aus zwei Genen können Forscher Bakterien dazu bringen, synchron Leuchtpulse mit genau eingestellter Frequenz und Stärke zu erzeugen. Das könnte zu besseren Biosensoren oder Medikamentimplanaten führen.

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Von
  • Emily Singer

Mit Hilfe eines chemischen Schaltkreises aus zwei Genen können Forscher Bakterien dazu bringen, synchron Leuchtpulse mit genau eingestellter Frequenz und Stärke zu erzeugen. Das könnte zu besseren Biosensoren oder Medikamentimplanaten führen.

Für die Synthetische Biologie sind Bakterien einfach nur komplexe Biomaschinen, die sich etwa zu Sensoren umprogrammieren lassen. Die Gruppe von Jeff Hasty von der University of California San Diego hat diese Entwicklung nun weitergetrieben: Sie kann Bakterienkolonien in eine Art biologische Uhr verwandeln. Ein verblüffend einfacher Genschaltkreis in den manipulierten Einzellern lässt diese gemeinsam regelmäßige Leuchtpulse ausstrahlen. Ein Takt dauert dabei zwischen 50 und 100 Minuten.

Damit ist den Forschern erstmals ein künstlicher "genetischer Oszillator" gelungen, der nicht nur in einer Zelle, sondern in mehreren Bakterien synchronisiert abläuft. Für die Synthetische Biologie ist der Genschaltkreis ein wichtiger neuer Baustein, der nicht nur bessere Sensoren, sondern auch eine automatisch dosierte Medikamentenabgabe im Körper ermöglichen könnte.

Oszillationen kommen in allen Lebewesen vor: Ihre Zyklen bestimmen die Frequenz des Herzschlag und der Hirnwellen oder die zirkadianischen Rhythmen, die Organismen einen 24-Stunden-Tag aufprägen. Im Jahr 2000 gelang es Biologen erstmals, einen genetischen Oszillator künstlich in einem Mikroorganismus zu erzeugen. Der "Repressilator" genannte Genschaltkreis gilt heute als Auftakt der Synthetischen Biologie. Allerdings waren die frühen Oszillatoren wenig präzise – das Signal schwächte sich schnell ab, Frequenz und Amplitude ließen sich nicht steuern.

2008 gelang es dann Jeff Hasty und seinen Kollegen, eine bessere Version zu erzeugen. Über die Temperatur der Bakterienkolonie, die verabreichten Nährstoffe und bestimmte Chemikalien konnten sie die Schwingung tunen. Allerdings waren die nach wie vor immer auf einzelnen Zellen beschränkt. Einen synchronen Puls konnten die so veränderten Bakterienkolonien noch nicht vollführen. Das ist Hastys Gruppe nun mit Hilfe des Quorum Sensing gelungen – so nennen Biologen eine chemische Form der Kommunikation unter Bakterien, mit denen eine Kolonie ihre Aktivität koordinieren kann.

Der neue Oszillator benötigt dazu nur zwei Gene, die chemisch eine positive und eine negative Rückkopplungsschleife erzeugen. In Gang gesetzt wird der Genschaltkreis durch ein Signalmolekül. Es sorgt zunächst dafür, dass das so genannte grün fluoreszierende Protein (GFP) und zugleich mehr von ihm selbst produziert wird. Wenn die Signalmoleküle anschließend in benachbarte Zellen diffundieren, lösen sie dort denselben Prozess aus. Zudem löst der Genschaltkreis die Bildung eines weiteren Proteins aus, das die Signalmoleküle allmählich zerlegt.

Die dynamische Wechselwirkung dieser beiden Prozesse führt dazu, dass es zu regelmäßigen Leuchtpulsen durch das GFP kommt, die dann wieder verebben. Das sei gewissermaßen so, als ob alle Ampeln der Welt im Gleichklang blinkten, schreibt Martin Fussenegger von der ETH Zürich in einem Kommentar in Nature, wo Hastys Gruppe ihre Arbeit jetzt vorgestellt hat.

Die blinkenden Bakterienkolonien haben sie in einem eigens dafür entwickelten Mikrofluidik-Chip gezüchtet, in dem sie die chemischen Bedingungen präzise einstellen können. Mit der Menge der zugeführten Nährstoffe ändere sich auch der Takt der Leuchtpulse, erläutert Hasty.

Die Fähigkeit, die Aktivität in einer ganzen Zellpopulation zu synchronisieren, könnte viele neue Anwendungen in Biomedizin und Bionergietechnik anstoßen, urteilt Ron Weiss, Biologe am MIT. Als Sensor eingesetzt, könnte die Frequenz der Leuchtpulse die Konzentration von Schad- und Giftstoffen anzeigen. Derzeit kann das Leuchtsignal nur unter einem Mikroskop erkannt werden, doch Hasty Gruppe will die Bakterien so weiterentwickeln, dass es auch mit bloßem Auge erkennbar ist.

Der Oszillator könnte auch helfen, die Zufuhr von Medikamenten aus Wirkstoffdepots im Körper genau zu dosieren. Insulin etwa ist dann am wirksamsten, wenn es in regelmäßigen Abständen verabreicht wird. "In der Zukunft sind Implantate vorstellbar, die eine therapeutische Wirkung haben", sagt Fussenegger. Die Stärke einer Dosis könnte dann über die Amplitude des Leuchtoszillators, der Zeitpunkt über deren Frequenz gesteuert werden. Für den Patienten würde das keine negativen Auswirkungen haben, versichert er.

Hastys Gruppe will die Technologie nun stabiler machen und längere Leuchtperioden erreichen. Kombiniert mit anderen Genoszillatoren für verschiedene Zelltypen sind dann auch weitere biotechnische Anwendungen denkbar. (nbo)