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Bundestagswahl 2021: Was die Parteien bei IT-Zukunftstechnologien vorhaben

Detlef Borchers

(Bild: metamorworks/Shutterstock.com)

KI, Blockchain, Robotik und die Algorithmen, die in den Systemen werkeln – alle Parteiprogramme beschäftigen sich mehr oder minder mit diesen IT-Zukunftsthemen.

Es ist nicht mehr lange hin: Am Sonntag, den 26. September, wird der neue Bundestag gewählt - und damit auch eine neue Bundeskanzlerin oder ein neuer Bundeskanzler, denn Angela Merkel tritt nicht mehr für die CDU/CSU an. In den nächsten Monaten und Jahren stehen entscheidende Weichenstellungen nicht nur für die Zukunft Deutschlands, sondern auch Europas und der Welt insgesamt an. Digitalisierung der Berufswelt und des kompletten Alltags beschäftigen die Menschen; und der Klimawandel – der nicht kommt, sondern längst da ist - erfordert einschneidende Maßnahmen, um nur zwei wichtige Themen zu nennen. heise online untersucht in einer neunteiligen Serie die Wahlprogramme der Parteien anhand der wichtigsten Themenfelder; im Anschluss wird eine Interviewserie mit den für Netzpolitik zuständigen Parteivertretern dies noch vertiefen. Bisher erschienen:

Die im Bundestag vertretenen Parteien haben ein offenes Ohr für die IT-Zukunft. Vor allem die künstliche Intelligenz (KI) hat es allen Parteien angetan. Die Spannweite reicht vom Einsatz der KI zur automatischen Gesichtserkennung beim "Videoschutz" der Bürger (CDU/CSU) bis zum Verbot des Einsatzes von KI bei der Ermittlung von Sozialleistungen und der Kreditwürdigkeit (Die Linke). Stiefmütterlich wird hingegen die Robotik behandelt. Sie taucht nur in Gestalt der pflegenden Roboter auf, dazu gibt es eine Erwähnung der Fabrik 4.0, mehr nicht.

Mit großem Abstand vor den anderen Parteien sind es die Christdemokraten, die die künstliche Intelligenz in vielen Lebensbereichen als Schlüsseltechnologie für die Zukunft begreifen. Das beginnt schon in der schulischen Bildung bei der Vermittlung von Medienkompetenz. Schülern soll ausreichend Wissen zur Hand gegeben werden, damit sie "die Funktionsweise von digitalen Technologien und künstlicher Intelligenz" bewerten können. Das setzt sich im Studium fort, denn die CDU/CSU möchte an den Universitäten "Reallabore für KI" einrichten und in ausgewählten Regionen neue KI Campus hochziehen, dazu zahlreiche neue Professuren im Sinne der KI-Strategie und der Blockchain-Strategie der noch amtierenden Bundesregierung [5] besetzen. Deutschland muss die Hochburg für KI und Blockchain-Technologien werden, so die programmatische Forderung. Innerhalb von Europa soll das Land einen Spitzenplatz bei der "künstlichen Intelligenz, Quantentechnologie, Halbleiter, Wasserstoff oder Blockchain" einnehmen.

Als einzige Partei will die CDU/CSU den Bürgern eine "KI für den Alltag" anbieten. Hinter diesem Ausdruck verbergen sich automatische Systeme für die Spracherkennung und -übersetzung, die von allen Bürgern aktiv genutzt werden sollen. Für die Wirtschaft fordern die Christdemokraten verbesserte Abschreibemöglichkeiten für Investitionen in "Serveranlagen, künstliche Intelligenz, 3D-Druck und Fabrik 4.0". Auch im Bereich der inneren Sicherheit soll KI zum Einsatz kommen. Gefordert wird sie beim Einsatz von automatischer Gesichtserkennung an "öffentlichen Gefahrenorten wie etwa vor und in Fußballstadien, an Bahnhöfen und weiteren Verkehrsknotenpunkten sowie in Bussen und Bahnen". Schließlich sollen die Möglichkeiten künstlicher Intelligenz in der Polizeiarbeit genutzt werden, "um frühzeitig Strukturen erkennen und ihnen entgegenwirken zu können".

Auch Algorithmen kommen im "Regierungsprogramm" vor. Die CDU/CSU will, dass Deutschland Weltmarktführer für sichere IT-Lösungen wird. "Dazu gehören führende Verschlüsselungstechnik und Security-by-design-Lösungen, damit Hackerangriffe unmöglich werden, sowie diskriminierungsfreie Algorithmen."

In ihrem Sonderwahlprogramm betont die CSU, dass Bayern als Bundesland ein "Booster für KI und Quantencomputing" wird und die in Bayern gefundenen Lösungen in diesen Sparten mit dem Prädikat "HighTech made in Bavaria" ausgezeichnet werden.

In Bezug auf die künstliche Intelligenz sind die Grünen europäisch ausgerichtet. "Wir wollen bereits heute den Grundstein legen für die europäische Souveränität in weiteren Trends der KI, etwa mit der Unterstützung eines europäischen Ökosystems für das Erproben von allgemeiner Künstlicher Intelligenz („Artificial General Intelligence“)." In der engeren KI soll eine europäische Expertise im Bereich der Verarbeitung großer Datenmengen mit Hilfe der KI aufgebaut werden, außerdem soll ein deutscher Zukunftsfonds KI aufgelegt werden.

Insgesamt geben sich die Grünen deutlich zurückhaltender, was IT-Technologien anbelangt, sind aber weit von der Ablehnung früherer Jahre entfernt: "Wir wollen den rasanten Entwicklungen im Bereich dezentraler Finanzanwendungen gerecht werden und die Chancen und Risiken von Kryptowährungen und Blockchains differenziert ausloten."

Was Zukunftstechnologien anbelangt, so finden sich längere Passagen zu den Themen Greentech, Biotechnologie, Biökonomie und zirkulärer Wirtschaft, die von den Grünen besonders gefördert werden sollen. Sie unterscheiden sich von den anderen Parteiprogrammen, dass sie in einem eigenständigen Absatz die "Geschlechtervielfalt und Diversität in der Digitalwirtschaft" und den MINT-Fächern weiter ausbauen wollen.

Halbleiter, Quantentechnologie und Künstliche Intelligenz sind die drei Technikbereiche, die die SPD in der europäischen Digitalwirtschaft besonders fördern will. Dazu gehört auch die Unterstützung der deutschen KI-Forschung. Die SPD ist eine der beiden Parteien, die erweiterte Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer fordert, wenn KI im Betrieb eingesetzt wird.

Im "Zukunftsprogramm" der SPD heißt es ferner: "Wenn der Einsatz von Algorithmen, zum Beispiel bei der Personalrekrutierung, über das Leben oder die Chancen von Menschen mitentscheidet, dürfen sie niemals diskriminieren. Wir wollen verantwortungsvolle Künstliche Intelligenzen (KI) und Algorithmen, die vorurteilsfrei programmiert sind und auf diskriminierungsfreien Datenlagen basieren. Dies soll regelmäßig geprüft und zertifiziert werden." Zudem möchte die Partei, dass die Rüstungskontrolle auch im Bereich der KI greifen soll, wenn Programme exportiert werden, die auf einer KI-Technologie basieren.

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Gleich nach der CDU/CSU ist es die FDP, die in großem Stil auf künstliche Intelligenz setzt. Zentraler Punkt ist eine "KI-Roadmap", die ganz Deutschland ergreifen soll, angefangen bei den Bundesministerien: "Jedes Ministerium soll bis 2025 zehn konkrete KI-Anwendungsfälle in seiner fachlichen Zuständigkeit identifizieren und umsetzen." Spannung verspricht auch der Vorschlag der Partei, Virtual Reality bzw. Augmented Reality in der Verwaltung und bei den Behörden einzusetzen. Ein weiterer Punkt beschäftigt sich mit der Einrichtung von "digitalen Freiheitszonen".

Hier sollen abseits rechtlicher und ökonomischer Zwänge neue Technologien ausprobiert werden können: "Um die Entstehung von Clustern insbesondere bei IT-Schlüsseltechnologien wie Künstliche Intelligenz und Blockchain zu begünstigen, wollen wir bestimmte Regionen als digitale Freiheitszonen ausweisen. Dort sollen weniger Regularien gelten." Aufgeschlossen ist man auch beim Einsatz der KI in der schulischen Bildung. Die KI ist eine Chance zur Individualisierung des Unterrichts, heißt es im Programm. Schließlich soll KI im Zusammenspiel mit intelligenten Messsystemen die smarten Grids smart machen.

Wirtschaftsliberal gestimmt, ist die FDP besonders gegenüber Blockchain-Technologien aufgeschlossen. Zwar will man unbedingt am Bargeld festhalten, das in anderen Parteiprogrammen abgeschafft werden soll, aber man ist auch der Zukunft zugewandt: "Wir begrüßen zudem alternative Tauschmittel wie Kryptowährungen auf Blockchain sowie anderen Basen und wollen die Schaffung eines verlässlichen rechtlichen Rahmens fördern und weiterentwickeln."

Zu IT-Technologien steht generell wenig im Wahlprogramm der AfD, doch zur KI hat die Partei eine Meinung. Als Zukunftstechnik soll die KI dem Einfluss multinationaler Konzerne entzogen werden. "Daher wollen wir die Kompetenzen im Bereich KI in der Bundesrepublik besser bündeln und nationale Kooperationen stärker fördern."

Die Linke ist die Partei, die den Einsatz von künstlicher Intelligenz am stärksten gesetzlich regeln und ihn nur "gemeinwohlorientiert" zulassen will. Dabei hat sie einige Verbote geplant. So heißt es im Absatz über KI und Algorithmen: "Entscheidungen über Sozialleistungsansprüche, Kreditwürdigkeit oder Prognosen über Straffälligkeit dürfen nicht automatisiert getroffen werden."

Sämtliche eingesetzten Algorithmen sollen zudem von einer unabhängigen Stelle auf Diskriminierungsfreiheit geprüft [7] werden. Auch unter militärischen Aspekten ist der Partei der Einsatz von künstlicher Intelligenz suspekt: "Die Entscheidung über militärische Ziele und über Menschenleben darf niemals einer 'künstlichen Intelligenz' überlassen werden", heißt es im Abschnitt, in dem die Linke den Einsatz bewaffneter Kampfdrohnen ablehnt.

(tiw [8])


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[3] https://www.heise.de/news/Bundestagswahl-2021-Was-die-Parteien-von-Datenschutz-und-Datenkraken-halten-6160834.html
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