Geopolitik mit der Antarktis: China zeigt mit neuer Station große Ambitionen

Im Februar eröffnete China seine fünfte Forschungsstation auf dem eisigen Kontinent. Westliche Stellen befürchten eine militärische Nutzung.

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Qinling-Station​

Qinling-Station

(Bild: China News Service / cc by-3.0)

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Von
  • Martin Kölling
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Die Antarktis ist zum Spielball geworden. Wie sehr die Geopolitik auf dem Kontinent bereits eine Rolle spielt, zeigt die Eröffnung der fünften chinesischen Antarktis-Station. Bei der Einweihung der Station Qinling auf Inexpressible Island in der Nähe des Rossmeeres betonte die chinesische Seite den wissenschaftlichen Charakter der Einrichtung. Westliche Organisationen warnen dagegen vor einer möglichen militärischen Nutzung.

Mit nun drei von 44 ganzjährig besetzten Stationen wird China zu einem der aktivsten Länder in dem südlichsten Kontinent der Welt. Das amerikanische Center for Strategic and International Studies (CSIS) sieht dies in einem Bericht mit Sorge: "Der wachsende Fußabdruck in den entlegensten Gebieten der Welt dient auch dazu, Chinas weitergehende strategische und militärische Interessen zu fördern."

Das sieht man der frisch eingeweihten Station allerdings nicht an. Auf 5.244 Quadratmeter bietet sie im Sommer Platz für 80 und im Winter für 30 Personen. Sie sieht aus wie ein Riegel auf Stelzen mit einer Raute in der Mitte. Diese Form soll an das Sternbild des Kreuzes des Südens erinnern, eine Hommage an die Expeditionen des berühmten chinesischen Admirals Zheng He und seine Anwendung der Astronavigation. Das Kreuz des Südens ist ein auf der Südhalbkugel sichtbares Sternbild, das Seefahrern seit Jahrhunderten als Navigationshilfe dient.

Staatliche chinesische Fernsehsender berichten, dass die Station "ein sicheres und komfortables Zuhause" für die Forscher bieten solle. Die Zimmer bestehen aus vorgefertigten Containern, die in das Stahlgerüst eingesetzt werden. Jedes Crewzimmer hat entweder einen Blick auf den See oder auf die Berge.

Auch der Rest der Station soll der Besatzung ein wenig Entspannung in der antarktischen Einöde bieten. Die holzgetäfelte Cafeteria hat große Fenster mit Panoramablick auf die Eislandschaft des Mount Melbourne und die Terra Nova Bay. Erneuerbare Energien wie Wind und Sonne machen mehr als 60 Prozent der Energieversorgung der Station aus.

Ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums erklärte vor der Einweihung, dass die Forschungsstation im Einklang mit dem Antarktisvertrag dazu beitragen soll, das wissenschaftliche Verständnis der Menschheit für die Antarktis zu verbessern. Zudem soll China eine Plattform für die Zusammenarbeit mit anderen Ländern bei wissenschaftlichen Expeditionen bieten und Frieden und nachhaltige Entwicklung in der Region fördern.

Dies entspricht den Zielen des Antarktisvertrags, der 1959 von zwölf Staaten unterzeichnet wurde. Das Abkommen verpflichtete die Unterzeichner zur friedlichen Nutzung des unerforschten Kontinents. Gleichzeitig froren sieben Staaten ihre Gebietsansprüche ein. Neue Ansprüche dürfen nicht gestellt werden. Im Rahmen der Forschungsfreiheit dürfen die Unterzeichnerstaaten aber auf dem gesamten Kontinent Forschungsstationen errichten.

Nach Angaben der chinesischen "Global Times", einer Publikation der Kommunistischen Partei Chinas, soll sich die Forschung auf ozeanographische Beobachtung und Erforschung sowie Atmosphärenforschung, Glaziologie, Geologie und Weltraumphysik konzentrieren.

Bei der Standortwahl spielten aber auch strategische Überlegungen eine Rolle. Chinesische Vertreter erklären, dass sie nun nicht nur Zugang zum Atlantik und zum Indischen Ozean haben, sondern auch zum Pazifik.

Chinas Aktivitäten in der Antarktis erregen in Australien seit langem Argwohn. Das zeigt schon die Einordnung der Nachricht durch die australische Nachrichtenseite news.com: Sie berichtete über die Eröffnung in der Rubrik Technologie-Innovation-Militär. Zum einen liegen drei der fünf Stationen in dem von Australien beanspruchten Teil des Kontinents liegen und die neue Station direkt daneben. Zum anderen befürchten westliche Stellen, dass China die Stationen nicht nur für friedliche Forschungszwecke nutzen könnte.

Ein Bericht des US-Verteidigungsministeriums über Chinas Militär aus dem Jahr 2022 stellt fest, dass "Chinas Strategie für die Antarktis die Nutzung von Technologien, Einrichtungen und wissenschaftlicher Forschung mit doppeltem Verwendungszweck beinhaltet, die wahrscheinlich zumindest teilweise dazu dienen, die Fähigkeiten der Volksbefreiungsarmee zu verbessern".

In einem Bericht des CSIS wird die Befürchtung geäußert, dass China seine neue Station nutzen könnte, um Signalinformationen aus Australien und Neuseeland, die mit den USA verbündet sind, sowie Telemetriedaten von Raketen zu sammeln, die von neu errichteten Weltraumeinrichtungen in beiden Ländern gestartet werden.

Chinas Haltung zum Umweltschutz in der Region wirft weitere Fragen auf. 1998 trat ein Zusatz zum Antarktisvertrag in Kraft, in dem sich die Teilnehmer darauf einigten, die natürlichen Ressourcen des Kontinents zu schützen und nicht kommerziell auszubeuten.

Doch China und Russland haben in den vergangenen Jahren mit ihrem Veto die Ausweitung der Schutzmaßnahmen verhindert. Umweltschützer befürchten, dass die beiden Staaten die enormen Bodenschätze des Kontinents und des Meeres sowie die riesigen Fisch- und Krebsbestände in den Meeresgebieten rund um die Antarktis ausbeuten wollen.

Nach Schätzungen des Polar Research Institute of China (PRIC) lagern an Land 500 Milliarden Tonnen Erdöl und 300 bis 500 Milliarden Tonnen Erdgas, im Südpolarmeer potenziell 135 Milliarden Tonnen Erdöl. Auch darauf hat China ein Auge geworfen. "Wenn alle Ressourcen der Welt erschöpft sind, wird die Antarktis eine globale Ressourcenschatzkammer sein", schrieben Forscher 2009 in einer Studie.

Bislang gibt es dafür allerdings keine Anzeichen. Kritiker des Vertrags weisen allerdings darauf hin, dass das Abkommen keine Sanktionen bei Verstößen vorsieht. Vor allem aber fürchten Naturschützer, dass sich die Nationen bei der Neudiskussion des Antarktisvertrags im Jahr 2048 doch noch auf eine Ausbeutung des Kontinents einigen könnten.

(jle)