Datenflut

Information ist gut, zu viel Information erstickt. Damit Websurfer nicht in der Datenflut untergehen, bieten Suchdienste die Möglichkeit, personalisierte Seiten zu konfigurieren, die das Angebot auf die eigenen Interessen einschränken.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Torsten Beyer
  • Kersten Auel

Da wären wir also. Frisch angekommen in der Informationsgesellschaft. Jede Art von Information jederzeit griffbereit. Ein Traum - fast. Jeder, der schon eine Weile in der schönen neuen Welt rumstrolcht, wird sich des Eindrucks nicht erwehren können, dass da etwas faul ist im Infostaate. Nicht, dass es keine Nachrichten gäbe - mitnichten. Mittels eines Mausklicks bekommt man heraus, welches Wetter gerade am Südpol herrscht, und ein kurzer Schnipps mit dem Finger zeigt das Leid von Erdbebenopfern in Taiwan.

Dumm nur, wenn man das gerade gar nicht wissen will. Viele Webseiten erinnern in ihrer Art stark ans Fernsehen: angeboten wird, was der Webmeister spannend findet. Aber halt! Sollte die multimediale Welt nicht gerade das verändern? Jeder nach seinem Gusto, Information, wann man sie braucht, wo man sie braucht. Das Schlüsselwort heißt: personalisierte Webseiten. Die ganz neue Dimension des Surfens.

Viele Suchdienste und einige Nachrichtendienste (vor allem kommerzielle) bieten diesen Service an, der es dem beflissenen Netzbrauser erlaubt, aus einem vordefinierten Satz von Angeboten, die zu selektieren, die von Interesse sind. Mit Cookie und entsprechender Software auf der Serverseite zeigt die Webseite dann jeweils nur noch die aktuellen Informationen der Wahl. Klingt gut. Also ‘schaunwamal’:

Bei Lycos klicken Informationsindividualisten oben links auf ‘mein Lycos’ und bekommen daraufhin eine personalisierbare Webseite angeboten, die in Wirklichkeit aus zwei Seiten besteht. Man legt zunächst ein sogenanntes Profil an (beziehungsweise passt an), indem die eigenen Bedürfnisse aus einem festen Angebot zusammengeklickt werden. Im Nachrichtenbereich kann man aus den wesentlichen Kategorien (Politik, Wirtschaft, Kultur und so weiter) die auswählen, die interessieren. Später zeigt Lycos dann jeweils kategorisiert entsprechende Agenturmeldungen zu den ausgewählten Bereichen an.

Die Sparte Wirtschaft bietet zudem an, gezielt aus einem relativ beschränkten Angebot weitere Finanz- und Börseninfos zu selektieren. In der Abteilung Wetter kann man Städte (darunter ziemlich wenige deutsche) und Regionen auswählen. Die entsprechenden Informationen erscheinen anschließend auf der personalisierten Webseite (etwa dass es in der eigenen Heimatstadt gerade regnet). Außerdem kann jeder sich dazu noch sogenannte Favoriten konfigurieren, indem er Links auf andere Webseiten mit einem Namen versieht. Auf der personalisierten Webseite klickt man dann auf die zuvor definierten Namen und landet - wie man sich das im Web so vorstellt - auf der entsprechenden Seite.

Eine Besonderheit sind die Webguides. Lycos pflegt für unzählige Informationskategorien bewertete Angebote (das heißt, Lycos-Redakteure werden vermutlich regelmäßig das Webangebot für solche Kategorien durchforsten und ihre Bewertungen entsprechend anpassen). Aus diesen Guides wählt jeder die aus, die ihn interessieren. Gleiches gilt für die WOW 1000 - ein ebenfalls bewertetes und immer aktualisiertes Angebot der aus Lycos-Sicht tausend besten deutschen Sites - ebenfalls nach Kategorien sortiert.

Wer sich durch diesen Wust an potenziellen Informationen geklickt hat und Lust dazu verspürt, kann auch das Layout der eigenen Seite festlegen. Im Prinzip stehen vier Quadranten zur Auswahl: 1. Seite links oder rechts und 2. Seite links oder rechts.

Alles in allem denke ich, dass die herausragende Eigenschaft von Lycos in dieser Beziehung die Personalisierung der Webguides/Web Top 1000 ist. Weniger für den erfahrenen Surfer, der schon auf eigenen Beinen stehen kann, als vielmehr für den Netzneuling. Ob der allerdings sofort begreift, was ein Webguide oder die WOW 1000 sind, sei dahingestellt. Im Vergleich zu anderen Personalisierern ist das Nachrichtenangebot ziemlich austauschbar und für meinen Geschmack zu dürftig.

Auch bei Yahoo funktioniert die Personalisierung nach ähnlichen Gesichtspunkten. Es gibt eine grundsätzliche Aufteilung in Inhalt und Layout. Im Gegensatz zu Lycos benötigt man für die ‘personalized surfing experience’ jedoch eine sogenannte Yahoo!-ID. Die ist zwar kostenlos, erzwingt jedoch die Bereitschaft, den Yahooern möglicherweise mehr über die eigene Person mitzuteilen, als man will. Der stolze Besitzer einer solchen ID gelangt auf die persönliche Seite und kann sowohl deren Gesamterscheinung ändern - welche Infos sollen links (schmal) oder rechts (breit) stehen - als auch pro Kategorie auswählen, welche Informationen er sehen will. Alles in allem ist der Vorgang etwas verwirrend, und Lycos zeigt, dass es einfacher geht. Bei Yahoo muss man sich durch zu viele Hierarchieebenen klicken. Andererseits - und dass ist der Vorteil dieses Katalogs - ist das Angebot viel umfassender und bietet entsprechend mehr Auswahlmöglichkeiten.

Im Gegensatz zu Lycos offeriert Yahoo auf der personalisierten Seite kein bewertetes Webangebot. Stattdessen besteht die Möglichkeit, Suchoperationen für bestimmte Themengebiete zu hinterlegen. Yahoo nennt das Nachrichtensuche. Man kann sowohl eine neue Suche anlegen (und benennen, etwa ‘Hunde’) als auch zusätzliche Filter definieren. Die dabei möglichen Operationen unterscheiden sich im Prinzip nicht von dem, was eine traditionelle Suchmaschinensuche akzeptiert. Klickt man später auf das entsprechende Suchwort, liefert Yahoo eine Liste von Treffern aus der Menge der vorhandenen Nachrichten - wohlgemerkt, dies ist keine Websuche. Die gibt es als individualisierbare Komponente ebenfalls und funktioniert nach dem beschriebenen Verfahren, nur dass nicht in Nachrichten, sondern im Web gesucht wird.

Unterm Strich bietet Yahoo das umfangreichere Informationsangebot für die personalisierte Webseite. Dies geht klar auf Kosten der Benutzerfreundlichkeit bei der Konfiguration. Benötigt man bei Lycos dafür effektiv nur eine Seite, regeln bei Yahoo unzählige Seiten das individuelle Informationsangebot. Andererseits ist für meinen Geschmack das Layout der Yahoo-Seite übersichtlicher gestaltet (und gestaltbar) als das von Lycos.

Netscape (www.netscape.com/de/index.html?cp=hom09inde beziehungsweise www.netscape.com) bietet ebenfalls einen personalisierten Webservice - aber nur den amerikanischen Surfern. Deutsche Anwender müssen sich mit dem normalen Suchangebot zufrieden geben. Für Menschen mit Interesse an dem, was in den USA abgeht, ist Netscape keine schlecht Adresse. Wenngleich das Layout eher hektisch und etwas unübersichtlich ist, scheint die Konfigurierbarkeit noch über der von Yahoo zu liegen.

MSN, der Infoservice aus Redmond, verfolgt einen grundsätzlich anderen Ansatz. Hier steht nicht das Sortieren und Filtern von im Web suchbaren Informationen im Vordergrund. MSN bietet vielmehr eine Art Portal zu anderen Informationsanbietern. Auf der Personalisierungsseite kann der wissensdurstige Websurfer aus einem Angebot von circa fünfzig Informationsdienstleistern (zum Beispiel DER SPIEGEL oder FOCUS) auswählen. Die - gefilterten und bewerteten - Informationen dieser Anbieter erscheinen nach Kategorien gegliedert auf der persönlichen Webseite. So bekommt das Ganze den Charakter einer Nachrichtensendung. Der Konsument erhält kein ungefiltertes Informationsangebot direkt aus dem Web oder den Redaktionen der wichtigsten Agenturen, sondern gelangt in den Genuss einer durch Bilder und redaktionelle Bearbeitung verbesserten Berichterstattung. Sowohl die Konfiguration als auch das Angebot selbst sind für den Webneuling mit Sicherheit attraktiv. Gleichzeitig hat man bei diesem Ansatz natürlich das Grundproblem jeder Nachrichtensendung.

Das Schöne ist: man kann wählen. Wer Informationsmassen filtern und sortieren will, ist mit Yahoo nicht schlecht bedient, wer lieber nachrichtenmäßig einsteigen will, findet mit MSN einen guten Start in die personaliserbare Webwelt.

Fazit: das Angebot an News, Wetter und sonstigen Services ist letztlich dürftig und vollkommen austauschbar. Allen Angeboten gemein ist, dass Agenturmeldungen einfach ungefiltert verteilt werden. Das mag in manchen Fällen interessant sein, in anderen, in denen Hintergrundinformation wichtig ist, empfiehlt sich ein Blick auf die Webseiten der großen Nachrichtenmagazine oder die Benutzung von MSN. (ka)