Der Futurist: Hallo, Hund

Was wäre, wenn wir mit Tieren sprechen könnten?

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Der Futurist: Hallo, Hund

(Bild: Mario Wagner)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Jens Lubbadeh
Der Futurist

(Bild: 

Mario Wagner

)

"Was wäre, wenn ...": TR-Autor Jens Lubbadeh und die Redaktion lassen in der Science Fiction-Rubrik der Kreativität ihren freien Lauf und denken technologische Entwicklungen in kurzen Storys weiter.

„Wirf den Stock! Wirf den Stock!“

Andi wusste nicht, was ihn mehr nervte: Die bemüht motiviert klingende Stimme aus Freddys Sprachsynthesizer. Oder die banalen Botschaften, die er übersetzte.

„Wirf den Stock. Wirf den Stock!“, sagte Freddy, der Golden Retriever seines Freundes David. Der tat, wie ihm geheißen. Blitzschnell stürmte der Hund hinterher, wobei seine Weste mit dem Babbeldog-Sprachsynthesizer hin und her rutschte. Aber noch dämlicher sah die Elektrodenmütze auf dem Kopf des Hundes aus, fand Andi. Sie übersetzte die Hirnströme simultan in menschliche Sprache – und umgekehrt.

Nahezu jeder zweite Hund im Park war mittlerweile mit einem Babbeldog ausgerüstet. Überall schallten die Synthesizer-Stimmen durch den Park: „Spiel mit mir!“; „Ich muss pinkeln“; „Wer hat in mein Territorium seinen Haufen gesetzt?“

„Ist das nicht großartig?“, sagte David. „Endlich kann man sich richtig mit seinem Hund unterhalten.“

Wenige Meter entfernt begann eine ältere Dame, plötzlich laut ihren Bernhardiner Zorro zu beschimpfen. Der hatte offenbar Gefallen an einer Pudeldame gefunden.

„Ich will dich *piep*. Ich will dich *piep*“, blökte es mit tiefer Stimme aus seinem Sprachsynthesizer. Babbeldog war eine US-Firma, die Zensurfunktion daher streng wie amerikanisches TV.

„Pfui, Zorro! So was sagt man nicht!“, schimpfte Zorros Frauchen.

David seufzte. „Die Leute haben immer noch nicht begriffen, dass man jetzt anders mit Hunden reden muss.“

TR 5/2020

„Komm, mach schnell!“, flötete die Pudeldame zu Zorro. Doch ihr Frauchen, eine Studentin, sah das anders: „Nein, Edna. Wir wollten uns doch nicht mehr mit jedem x-beliebigen Männchen einlassen. Schon vergessen? Und schon gar nicht mit solch plumpen Anmachern.“

Aber Edna streckte unbeeindruckt Zorro ihr Hinterteil hin. Wütend zerrte ihr Frauchen sie weg. „Schluss jetzt. Dafür haben wir bestimmt nicht die Me-too-Debatte geführt.“

David wandte sich kopfschüttelnd ab. „Und wie soll man mit ihnen reden?“, fragte Andi.

„Na, auf Augenhöhe. Verbote allein funktionieren nicht. Man muss dem Hund erklären, warum man etwas will oder nicht will – wie bei Kleinkindern.“

Freddy kehrte zurück und legte den Stock stolz seinem Herrchen zu Füßen: „Wirf den Stock! Wirf den Stock!“

„Freddy, ich spiele gleich weiter mit dir“, sagte David. „Aber im Moment unterhalte ich mich.“

Freddy blickte sie verständnislos an. „Wirf den Stock!“, sagte der Hund.

Andi lachte. „Und du glaubst, Hunde sind wie Kleinkinder?“

David griff den Stock und warf ihn. Freddy staubte juchzend los.

„Andi“, sagte er mit strenger Stimme, „es ist unsensibel, wenn du in seiner Anwesenheit über ihn redest.“

„Oh. Entschuldige bitte“, sagte Andi und verdrehte die Augen. „Ich wollte die Gefühle deines Hundes nicht verletzen.“

David sah ihn einen Moment lang prüfend an und sagte dann: „Du bist genervt, Andi. Ich verstehe, dass du gerade eine Menge um die Ohren hast.“

Andi grinste. „Praktizierst du gerade aktives Zuhören bei mir?“

David war irritiert. „Ja. Seit wann kennst du dich damit aus?“

Andi zog einen Stöpsel aus dem Ohr und zeigte ihn David. „Subtext“ stand in silbernen Buchstaben auf dem Gerät. „Mein neuestes Tool. Übersetzt in Echtzeit die Botschaft zwischen den Zeilen. Endlich kann man sich mal richtig mit anderen Menschen unterhalten.“

(bsc)