Diskrete Spielchen

Der Spieltrieb ist angeboren und verliert sich nicht so schnell im Lauf des Lebens. Aber man kann mit ihm wachsen. Wer sich als Zehnjähriger noch mit einem Brettspiel vergnügte, kann das Ganze im gehobenen Alter digital genießen.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Kai König

Zugegeben: Der Titel dieser Kolumne ist reißerisch, um den geneigten Leser mit allerlei schlüpfrigen Gedanken zum Lesen zu bewegen. Tatsächlich entführt der Artikel aber nur in die meist seriöse und saubere Welt der rundenbasierten - daher diskreten - Online- und PB(E)M-Spiele (Play-by-(E-)Mail-Spiele). Die selbst auferlegte Einschränkung auf diesen Typ rührt im Wesentlichen aus der Abneigung des Autors gegen Spiele, bei denen die Online-Zeit direkt - und oft als einziger Parameter - proportional zum Spielerfolg steht.

Rundenbasierte Spiele haben den großen Vorteil, dass neue Runden zu definierten Zeiten beginnen und jeder Spieler annähernd gleich gute Chancen auf Erfolg hat. Je nach Spiel und Spieltyp liegt der Rhythmus zwischen einer Runde pro Tag und einer pro Monat.

In der Hoffnung, die Erwartungen nicht zu sehr enttäuscht zu haben, beginnt der Rundgang bei Multiplayer Action, einem der größten deutschsprachigen Portale für Online-Spiele. Hier findet man umfassende Informationen und Foren aller Art. Der Schwerpunkt liegt auf der Unterstützung von im Handel erhältlichen PC-Games, für die es im Internet freie sowie kommerzielle Server gibt.

Ein auf browserbasierte Massive-Multiplayer Online Games (MMOG) spezialisiertes Portal ist Galaxy News. Neben vielen News aus der MMOG-Szene enthält es umfassende und thematisch aufbereitete Listen neuer sowie alter Spiele und erlaubt deren Bewertung. Darüber hinaus bieten die Betreiber die üblichen Community-Features wie Forum oder Chat.

Ein browserbasiertes Spiel mit Sciencefiction-Background ist Battle Base. Die Teilnehmer starten als Herrscher eines einzelnen Planeten in einem dreidimensionalen Universum und haben sich neben Handel, Forschung sowie der Konstruktion von Schiffen und Flotten zahlreichen diplomatischen Aufgaben zu widmen: Da wollen Kolonisten oder Einheimische versorgt werden, aber auch die eigenen Flottenkommandanten sollte man als angehender Herrscher über ein galaxisweites Imperium nicht vernachlässigen. Der Hostlauf findet in der Regel nachts statt, sodass jeder Spieler einen Zug pro Tag machen kann, was jedoch nicht immer nötig ist. Besonders hervorzuheben ist neben der Hintergrundstory und Flexibilität des Spiels das stimmungsvolle Layout.

Der Sport kommt ebenfalls nicht zu kurz. Trotz des nachlassenden Zuschauerbooms in der realen Formel 1 ist F1 Real Manager ein hervorragendes Machwerk, in dem sich der Spieler in den Manager und Technikchef eines Rennstalls der Formel 1 versetzen muss. Eine Saison besteht aus 17 Rennen (jeweils montags, mittwochs und freitags). Besonders zu erwähnen ist der ausgefeilte Ligamodus des Spiels, denn um die einzelnen Rennen überschaubar und halbwegs wartbar zu halten, ist die Spielergemeinde in F1 Real Manager in 50er-Gruppen auf vier Ebenen aufgeteilt. In der ersten Liga gibt es eine Gruppe, in der zweiten derer drei, in der vierten und untersten Ebene - auf der man als Neueinsteiger automatisch landet - sogar 27. Am Saisonende steigt man je nach Erfolg in die nächsthöhere oder niedrigere Liga auf beziehungsweise ab. Die Hauptaufgaben liegen in Wartung und Konstruktion des Wagens, Setup für Test, Qualifying, Warm-up und Rennen sowie Vertragsverhandlungen mit Fahrern und Mechanikern.

Von einem anderen Typ sind die Play-by-(E-)Mail-Spiele (PBM). Diese spielen die Teilnehmer in der Regel nicht im Web über eine Browseroberfläche, sondern per E-Mail oder sogar noch per normaler Briefpost. Ein bekannter Vertreter dieser Zunft ist VGA Planets, der sich schon seit 1991 am Markt behauptet. Prinzip aller PB(E)M-Spiele ist, dass jeder Teilnehmer seinen Zug bei einem neutralen Spielleiter einreicht. Dieser wertet den Spielstand der Partie zu einem bestimmten Termin elektronisch oder von Hand aus und stellt ihn den Mitspielern wieder zur Verfügung.

Vor einigen Jahren - vor dem WWW - hatte man als PB(E)M-Spieler kaum Alternativen zu echtem PBM per Post oder PBEM per Fido-Mailbox. Ersteres findet auf Amateurbasis noch immer im Rahmen so genannter PBM-Zines statt. Die Idee ist, die Auswertungen verschiedener Spiele zu einer Zeitschrift aus Papier zusammenzufassen, die ein ehrenamtliches Herausgeber(-team) in mühevoller Arbeit layoutet, kopiert und per Post an alle Mitspieler versendet. Dabei entstehen über die Jahre (solche Zeitschriften erscheinen drei- bis fünfwöchentlich) lebendige Communities weit verstreut lebender Menschen, die sich oft bei Events wie der jährlichen Spielemesse in Essen oder bei mehrtätigen Spieleurlauben treffen.

Ein Highlight dieser Amateur-Zines ist das KSK, das in über 260 Ausgaben erschienen ist und zurzeit circa 130 spielende Abonnenten zählt. Der Schwerpunkt liegt hier auf der Umsetzung von Brettspielen. Wer hätte gedacht, dass man beispielsweise „Die Siedler von Catan“ als PBM-Spiel spielen kann, eine Partie dauert dann halt schon mal ein Jahr ... Durch die starke persönliche Bindung an das Heft und bekannte oder gar befreundete Mitspieler ist die Drop-out-Rate in diesem Umfeld um ein Vielfaches geringer als bei manchen der browserbasierten Online-Spiele.

United heißt eins der beliebtesten Spiele in der PB(E)M-Szene, in dem der Spieler einen imaginären Fußballverein als Manager betreut. Anfang der 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts von Alan Parr erfunden, hatte es seinen Höhepunkt in Deutschland Anfang und Mitte der 90er. In einem eigenen Amateur-Zine namens United-Forum diskutierten die Fans in 15 Ausgaben über die Theorie des Spiels sowie gewinnbringende Strategien. Fast alle Artikel sind online auf Michael Schröpls Webseite verfügbar (). Eine aktuelle Liste von United-Partien in Deutschland führt Lukas Kautzsch auf . Dort findet man zudem einen Verweis auf die United-Partie Wadenbeißer-United, geleitet vom Autor dieses Artikels. Die Auswertungen erscheinen monatlich im Amateur-Zine. „Das Rössel“ wartet der Herausgeber Pascal Ciampi mit Liebe - das jeweils aktuelle Heft gibts als PDF-Datei im Download-Bereich.

Selbst eine Kombination aus MMOG und PBM ist möglich. Will man in einer Community aus Bekannten und Freunden Umsetzungen strategischer Brettspiele online im Rahmen eines Portals spielen - kein Problem: Ludomaniac machts möglich. Hier residiert wohl Deutschlands größtes Diplomacy-per-E-Mail-Portal. Weitere Infos und Strategien enthält das Diplomacy-Archiv.

Viel Mühe gibt sich die PB(E)M-Szene mit den Tools zur Auswertung der Spiele. Allein für Diplo 2.8 findet man in den Diplomacy Game Master Resources zig Skin-Dateien, um die Landkarten zum Spiel zu erzeugen.

Ob Browser, E-Mail oder Schneckenpost, ob anonym in einem großen Portal oder heimelig im Amateur-Zine - rundenbasierte Spiele gibt es viele. Wen die Qual der Wahl nicht überwältigt, findet bestimmt seinen persönlichen Favoriten. (ka)