Drei-Eltern-Befruchtungstechnik für Transmänner

Durch die Kombination zweier bewährter Techniken könnten aus Eizellen von Transmännern im Labor Embryonen erzeugt werden.

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(Bild: paulaphoto/Shutterstock.com)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Jessica Hamzelou
Inhaltsverzeichnis

Wollen sich transgender Männer einer Fruchtbarkeitsbehandlung unterziehen, müssen sie dafür die geschlechtsangleichende Hormontherapie unterbrechen und sich stattdessen einer Behandlung mit weiblichen Hormonen und gynäkologischen Untersuchungen unterziehen, was psychisch sehr belastend sein kann.

Laut neusten Erkenntnissen könnte eine Kombination zweier bestehender Verfahren helfen, diese Probleme zu umgehen. Dabei werden zunächst Teile des Eierstocks eines transgender Mannes entnommen und daraus im Labor Eizellen gewonnen. Diese kombiniert man mit Teilen einer Eizelle von einer anderen Person und fügt anschließend Spermien hinzu, um Embryonen zu erzeugen.

Eizellen zu entnehmen, sie künstlich zu befruchten und einzufrieren, hat bereits einigen Menschen geholfen, nach überstandener Krebserkrankung ein Kind zu bekommen. Und die Drei-Eltern-Technik – wobei der Kern der Eizelle der erkrankten Person in eine Eizelle von einer dritten Person eingefügt wird – soll verhindern, dass Erbkrankheiten an Kinder weitergegeben werden.

Mit der Kombination beider Technologien steigen möglicherweise auch die Chancen eines Transmannes, mit seinen Eizellen einen gesunden Embryo zu erzeugen. So könnte er ein Baby bekommen, ohne sich den üblichen Fruchtbarkeitsbehandlungen unterziehen zu müssen.

"Die Technik könnte Transmännern, die mit ihren eigenen Eizellen ein Kind zeugen wollen, mehr Möglichkeiten bieten", sagt Antonia Christodoulaki von der Universität Gent in Belgien. Im Juli hat sie ihre Ergebnisse auf der Jahrestagung der European Society of Human Reproduction and Embryology in Mailand vorgestellt. "Jeder Mensch sollte das Recht auf Fortpflanzung haben."

"Um eigene biologische Kinder zu bekommen, ist das eine zusätzliche Option", bestätigt Suzannah Williams von der University of Oxford, die nicht an der Forschung beteiligt war. "Man hat dann zwar eine Familie mit drei Elternteilen ... [aber] es ist eine großartige Möglichkeit".

Eierstöcke enthalten bei der Geburt normalerweise mehr als eine Million Eier. All diese Eizellen sind zunächst unreif. Erst in der Pubertät beginnen einige Eier zu reifen, werden monatlich abgesetzt und wandern in den Eileiter, wo sie befruchtet werden können. Viele Eizellen sterben allerdings ab, und die Gesamtzahl wird mit dem Alter kleiner.

Frauen, die sich einer künstlichen Befruchtung unterziehen wollen, führen zunächst eine Hormonbehandlung durch. Dadurch werden die Eierstöcke angeregt, eine große Menge an Eizellen zu produzieren, die dann entnommen und entweder eingefroren oder mit Spermien befruchtet werden können.

Transmännern, die eine geschlechtsangleichende Behandlung in Erwägung ziehen und sich biologische Kinder wünschen, wird in der Regel geraten, einige ihrer Eizellen auf dieselbe Weise entnehmen und einfrieren zu lassen. Denn geschlechtsangleichende Behandlungen, etwa eine Testosterontherapie, können die Fruchtbarkeit beeinträchtigen. Einige Transmänner wollen sich auch die Eierstöcke ganz entfernen lassen.

Fruchtbarkeitstherapien verursachen jedoch gelegentlich Nebenwirkungen wie Brustspannen und Krämpfe. Für jemanden, der sich nicht als weiblich identifiziert, könnte dies besonders unangenehm sein. Das Gleiche gilt für Untersuchungen der Vagina in Frauenkliniken. "Ein Transmann empfindet die Entnahme von Eizellen als sehr unerfreulich, sowohl physisch als auch psychisch", sagt Williams.

Das ließe sich vermeiden, wenn die Ärzte, anstatt die Eierstöcke einer Person durch Hormone zur Freisetzung reifer Eizellen anzuregen, Teile der Eierstöcke selbst entfernen und reife Eizellen im Labor gewinnen könnten. Dazu müssten unreife Eizellen entnommen und in ihrer Entwicklung so weit gebracht werden, dass sie von Spermien befruchtet werden können.

Bei Patienten, die eine Krebserkrankung überstanden haben, ist dies bereits gelungen. Krebsbehandlungen wie Chemotherapien wirken nicht nur auf Krebszellen toxisch, sondern insbesondere auch auf Eizellen und Spermien. Den Betroffenen wird oft geraten, gesunde Eizellen oder Spermien zu lagern, bevor sie mit der Krebstherapie beginnen.

Für krebskranke Kinder vor der Pubertät ist eine solche Vorgehensweise jedoch keine Option. Um auch ihnen die Möglichkeit eines Kinderwunschs offen zu halten, wurden einigen bereits Teile der Eierstöcke entfernt. Manche Kliniken können aus diesem Gewebe später reife Eizellen erzeugen, sie mit Spermien befruchten und den daraus entstehenden Embryo im Erwachsenenalter wieder in dieselbe Person einpflanzen. Mit dieser Technik konnten frühere Krebspatientinnen bereits gesunde Babys gebären. Im vergangenen Jahr erklärten drei US-amerikanische Gesellschaften für Reproduktionsmedizin, dass die Technik nicht länger als experimentell betrachtet werden sollte.

Bisher wurde sie jedoch noch nicht bei transgender Personen eingesetzt. Christodoulaki und ihre Kollegen glauben jedoch, dass dies möglich ist. Sie starteten deshalb einen Versuch mit Eierstöcken, die von 14 transgender Männern im Alter zwischen 18 und 24 Jahren gespendet wurden. Alle Teilnehmer hatten sich im Durchschnitt 26 Monate lang einer Testosterontherapie unterzogen, und einige nahmen auch ein Medikament ein, das ihre Menstruation verhindert.

Zunächst entnahm das Team Eizellen, die in wenigen Tage vom Eierstock freigesetzt worden wären. Das Team wiederholte den Vorgang mit Eizellen in ähnlichem Reife-Stadium von Cis-Frauen (Frauen, die sich auch als Frauen empfinden).

In beiden Fällen war etwa die Hälfte der unreifen Eizellen im Labor nach 48 Stunden erfolgreich gereift. Doch als das Team versuchte, die Eizellen mit Spermien zu befruchten, schien etwas schief zu gehen. Während 84 Prozent der Eizellen von Cis-Frauen befruchtet werden konnten, waren es bei den Transmännern nur etwa 45 Prozent.

Als die Embryonen fünf Tage alt waren – der Zeitpunkt, an dem sie normalerweise in die Gebärmutter einer Person übertragen werden – waren nur noch 2 Prozent der aus den Eizellen von Transmännern erzeugten Embryonen am Leben, verglichen mit 25 Prozent der Embryonen aus den Eizellen von Cis-Frauen.

Das Team versuchte den Grund dafür herauszufinden. Genetische Analysen ergaben, dass die DNA der Embryonen als Ursache ausschied. Das legte den Schluss nahe, dass das Problem im Zytoplasma der Eizellen lag. Das Zytoplasma ist die Substanz, die in einer Zelle den Zellkern, der das Genmaterial enthält, umgibt.

Wenn das der Fall wäre, könnte ein Austausch des Zytoplasmas das Problem lösen. Um diese Theorie zu testen, entfernte das Team zunächst die DNA-haltigen Zellkerne der Eizellen von Cis-Frauen. Dann tauschten sie die Kerne in den Eizellen von Transmännern aus und befruchteten diese Zellen dann.

Von den 29 so entstandenen Embryonen überlebten sechs bis zum Fünftagestadium – eine Erfolgsquote von 20 Prozent. Das ist zwar nicht besonders hoch, liegt aber der Erfolgsquote von 25 Prozent bei Embryonen, die mit Eizellen von Cis-Frauen erzeugt wurden, deutlich näher, sagt Christodoulaki.

Die Ergebnisse seien vielversprechend, meint auch Jesús Cadenas, Postdoktorand im Bereich Reproduktionsbiologie am Rigshospitalet in Kopenhagen, der nicht an der Studie beteiligt war. Er gibt allerdings zu bedenken, dass die Zahl der Probanden recht klein war. Das läge teilweise daran, dass es schwierig sei, menschliche Eizellen und Eierstöcke für die Forschung zu bekommen. Wie auch immer – es sei noch zu früh, um dies bereits als Fruchtbarkeitstherapie für Transmänner anzubieten, sagt er.

Christodoulaki stimmt ihm zu. "Wir kennen die langfristigen Auswirkungen auf die Babys noch nicht", sagt sie. "Es ist eine sehr vielversprechende Technologie, aber für den klinischen Einsatz sind wir noch nicht bereit.“

Williams von der University of Oxford ist optimistisch: Da einige Kliniken die Technologie bereits im Rahmen der künstlichen Befruchtung bei unfruchtbaren Frauen einsetzen, sei es naheliegend, sie auch Transmännern anzubieten. "Wenn eine Klinik bereits erfolgreich die Drei-Eltern-Technologie durchführt, sollte es leicht sein, das Angebot um die kombinierte Methode zu ergänzen", sagt sie.

(jle)