Einbahnstraße für Licht

US-Forscher haben erstmals eine photonische Halbleiter-Diode entwickelt, die Licht nur in eine Richtung passieren lässt. Das Bauteil, das sich mit herkömmlichen Industrieverfahren fertigen lässt, könnte ein wichtiger Bestandteil für optische Computer werden könnte.

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Von
  • Niels Boeing

US-Forscher haben erstmals eine photonische Halbleiter-Diode entwickelt, die Licht nur in eine Richtung passieren lässt. Das Bauteil, das sich mit herkömmlichen Industrieverfahren fertigen lässt, könnte ein wichtiger Bestandteil für optische Computer werden könnte.

In einem ihrer berühmten Streiche versuchen die Schildbürger, Licht in ein Haus zu karren, weil sie vergessen haben, Fenster einzubauen. Natürlich vergeblich. Licht ist zwar überall, aber es lässt sich nicht so einfach bändigen. Wer Computerchips bauen will, die Daten in Form von Lichtpulsen verarbeiten, muss jedoch genau dieses Kunststück vollbringen: Licht in vorherbestimmte Bahnen zwingen. Eine wichtige Hürde hierzu haben nun US-Ingenieure genommen: Sie haben erstmals eine photonische Halbleiter-Diode konstruiert – eine optische Einbahnstraße, die Licht nur in einer Richtung passieren lässt.

"Seit zwanzig Jahren haben sich Wissenschaftler daran versucht", sagt Liang Feng vom California Institute of Technology (Caltech), der seit 2006 an dem Konzept arbeitet. Gemeinsam mit Caltech-Kollegen und Forschern der University of California in San Diego (UCSD) stellt er den Prototyp der Diode in der heutigen Ausgabe des Wissenschaftsjournals Science vor.

Licht in der Computertechnik einzusetzen, ist an sich nichts Ungewöhnliches. Längst werden Daten in Glasfaserkabeln als Lichtpulse durch die Netze gejagt. Doch spätestens im Kern eines Rechners - am Prozessor und am Speicher – ist Endstation: Hier müssen die optischen Daten in elektrische Impulse umgewandelt werden, um von herkömmlichen Halbleiterbauteilen verarbeitet werden zu können. Diese Umwandlung drosselt die Geschwindigkeit, mit der die Daten dann ihren weiteren Weg nehmen.

Die Photonik will dieses Problem lösen, indem sie Bauteile für Chips entwickelt, die Lichtpulse aufnehmen und direkt verarbeiten können. "Wir wollen alles, was auf einem elektronischen Chip ist, auf einem photonischen Chip reproduzieren", formuliert Feng das große Ziel seines Forschungsgebietes. So genannte Wellenleiter, dreidimensionale regelmäßige Strukturen etwa aus Silizium, können Licht bereits in gewissem Umfang transportieren. Wegen seiner unbändigen Natur wird Licht in solchen Strukturen aber auch immer hin und her reflektiert, so dass optische Signale in Halbleitern sich schwer isolieren lassen – sie überlagern sich und schwächen sich womöglich gegenseitig ab.

Feng und seine Kollegen haben nun eine elegante Anordnung gefunden, um das Licht zu disziplinieren. Ihr Wellenleiter besteht aus einem 800 Nanometer breiten und 200 Nanometer hohen Siliziumbalken, auf dem in regelmäßigen Abständen abgerundete Stücke aus Germanium und Chrom sowie aus Silizium aufgebracht sind. Diese Erhebungen bewirken, dass das Licht, je nach Ausbreitungsrichtung in eine von zwei Schwingungsformen übergeht. Breitet es sich von links nach rechts aus, wird es in einen "symmetrischen Modus" versetzt, der den Wellenleiter ungehindert passieren kann. In umgekehrter Richtung nimmt es hingegen einen "asymmetrischen Modus" an, in dem es sich abschwächt, so dass sich eine Richtwirkung ergibt. Und weil die beiden verschiedenen Moden nicht miteinander wechselwirken, können Lichtpulse, die von rechts eindringen, die von links kommenden nicht stören (siehe Bild).

Schema und Elektronenmikroskop-Aufnahme der photonischen Diode (oben). Die Aufnahme mit einem Optischen Nahfeld-Rastermikroskop (unten) zeigt, dass sich Licht nur von links nach rechts ungestört ausbreitet.

(Bild: Caltech-UC San Diego research team)

Die Form der Erhebungen entwickelte Fengs Gruppe in Simulationen. Sie begannen mit rechteckigen Strukturen, die sie in verschiedenen Abständen zueinander platzierten. Hierbei schwächte sich jedoch das Licht auch im symmetrischen Modus leicht ab. Erst die abgerundete Form zeigte die optimale Wirkung. Der Vorteil des Ansatzes von Feng ist, dass die Fertigung der photonischen Diode in die photolithographische Herstellung von Chips integriert werden kann.

Zwar kennt man bereits seit langem zwei Verfahren, um Lichtpulse voneinander zu trennen. Doch bei dem einen sind Magnetfelder nötig, um unterschiedliche Polarisierungen von Licht erzeugen. "Sie können aber kein großes Magnetfeld neben einem Rechner platzieren. Das ist nicht gesund", flachst Feng. Das zweite Verfahren isoliert Lichtpulse voneinander, indem man mit nichtlinearen Materialien deren Frequenzen verändert. Nichtlineare Materialien lassen sich jedoch nicht in die industrielle Verarbeitung des linearen Halbleiters Silizium integrieren.

"Diese Entdeckung hilft, irgendwann Elektronik und Photonik so zu kombinieren, dass eine skalierbare, energieeffiziente und kostengünstige Technologie daraus wird", sagt Yeshaiahu Fainman, in dessen Gruppe an der UCSD Liang Feng studiert hat. "Die Computertechnik wird dann viel größere Datenmengen schneller und billiger verarbeiten können."

Das Paper:

Feng, Liang et al.: "Nonreciprocal Light Propagation in a Silicon Photonic Circuit", Science Vol. 33, S. 729, 5.8.2011. (nbo)