Erste private Venus-Mission hat nur fünf Minuten Zeit zur Suche nach Leben

Die kostengünstige Mission von Rocket Lab, die bereits 2023 starten soll, wird kurz sein, könnte aber die Suche nach außerirdischer Biologie verändern.

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Rocket Lab-Venus-Mission

(Bild: Rocket Lab)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Jonathan O'Callaghan
Inhaltsverzeichnis

Während die Covid-Pandemie Ende 2020 in vollem Gange war, gab es eine kurze Ablenkung und die Aufmerksamkeit der interessierten Öffentlichkeit richtete sich auf unseren Nachbarplaneten Venus. Astronomen hatten in den Wolken der Venus eine verblüffende Entdeckung gemacht: ein Gas namens Phosphin, das auf der Erde durch biologische Prozesse erzeugt wird. Spekulationen kursierten und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bemühten sich zu verstehen, was sie da sahen.

Nun könnte eine Mission, die im nächsten Jahr gestartet werden soll, endlich die Frage beantworten, die die Astronomen seither beschäftigt: Könnte mikrobielles Leben das Gas ausstoßen?

Obwohl spätere Studien den Nachweis von Phosphin in Frage stellten, hat die erste Studie das Interesse an der Venus neu entfacht. In der Folge wählten die NASA und die Europäische Weltraumorganisation (ESA) drei neue Missionen aus, die zu dem Planeten reisen und unter anderem untersuchen sollen, ob die Bedingungen auf der Venus in der Vergangenheit Leben ermöglicht haben könnten. Auch China und Indien haben Pläne, Missionen zur Venus zu schicken. "Phosphin hat uns alle daran erinnert, wie schlecht [dieser Planet] charakterisiert ist", sagt Colin Wilson von der Universität Oxford, einer der stellvertretenden leitenden Wissenschaftler der europäischen Venus-Mission EnVision.

Die meisten dieser Missionen würden jedoch erst in den späteren 2020er oder 2030er Jahren Ergebnisse liefern. Die Astronomen wollten aber jetzt Antworten. Und wie es der Zufall wollte, war dies auch bei Peter Beck, dem Geschäftsführer des neuseeländischen Unternehmens Rocket Lab, der Fall. Beck, der seit langem von der Venus fasziniert ist. An ihn trat eine Gruppe von MIT-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit einer Idee heran: Eine kühne Mission mit einer Rakete des Unternehmens sollte schon viel früher nach Leben auf der Venus suchen – mit einem Start im Jahr 2023. Ein Ersatzstartfenster steht im Januar 2025 zur Verfügung.

Phosphin hin oder her: Wenn es auf der Venus Leben gibt, dann möglicherweise in Form von Mikroben in winzigen Schwefelsäuretröpfchen, die hoch über dem Planeten schweben. Während die Oberfläche weitgehend unwirtlich erscheint, mit Temperaturen, die heiß genug sind, um Blei zu schmelzen, und einem Druck, der dem am Boden der Ozeane auf der Erde ähnelt, sind die Bedingungen in 45 bis 60 Kilometern Höhe über dem Boden in den Wolken der Venus deutlich gemäßigter.

"Ich hatte immer das Gefühl, dass die Venus einen schweren Stand hat", sagt RocketLab-CEO Beck. "Die Entdeckung von Phosphin war der Auslöser. Wir müssen auf die Venus, um nach Leben zu suchen.“

Die Einzelheiten der Mission, der ersten privat finanzierten Reise zu einem anderen Planeten, wurden jetzt veröffentlicht. Rocket Lab hat ein kleines Mehrzweck-Raumschiff namens Photon entwickelt, das die Größe eines Esstisches hat und zu mehreren Orten im Sonnensystem geschickt werden kann. Im Juni wurde eine bereits eine Photon-Mission zum Mond für die NASA gestartet. Bei der nun geplanten Venus-Mission wird ein weiteres Photon-Raumschiff eingesetzt, um eine kleine Sonde in die Atmosphäre des Planeten zu werfen.

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Diese Sonde wird derzeit von einem Team von weniger als 30 Personen unter der Leitung von Sara Seager am MIT entwickelt. Sie soll bereits im Mai 2023 starten und in fünf Monaten die Venus erreichen. Ankunft also im Oktober 2023. Mit weniger als 10 Millionen Dollar ist die von Rocket Lab, dem MIT und nicht näher genannten Unterstützern finanzierte Mission risikoreich, aber kostengünstig – nur zwei Prozent des Preises, den die NASA für jede der Venus-Missionen veranschlagt.

"Dies ist das Einfachste, Billigste und Beste, was man tun kann, um eine große Entdeckung zu machen", sagt Seager.

Die Sonde ist klein, wiegt nur ca. 20 Kilogramm und misst 38 Zentimeter im Durchmesser, etwas größer als ein Basketballkorb. Ihr kegelförmiges Design ist an der Vorderseite mit einem Hitzeschild versehen, der die Hauptlast der intensiven Hitze abfängt, die entsteht, wenn die Sonde – die vom Photon-Raumschiff vor der Ankunft freigesetzt wird – mit 40.000 Kilometern pro Stunde in die Venusatmosphäre eintritt.

Im Inneren der Sonde befindet sich ein einziges Instrument, das nur ein Kilogramm wiegt. Es gibt keine Kamera an Bord, die Bilder aufnehmen könnte, während die Sonde durch die Venuswolken stürzt – es fehlt schlicht die Funkleistung oder die Zeit, um viel zur Erde zurück zu senden. "Wir müssen mit den Daten, die wir zurücksenden, sehr, sehr sparsam umgehen", sagt Beck.

Es geht den Forscherinnen und Forschern jedoch nicht um Bilder, sondern vielmehr um eine Nahaufnahme der Wolken der Venus. Dazu dient ein autofluoreszierendes Nephelometer, ein Gerät, das Tröpfchen in der Venusatmosphäre mit einem ultravioletten Laser bestrahlt, um die Zusammensetzung der Moleküle in ihnen zu bestimmen. Beim Abstieg der Sonde wird der Laser durch ein kleines Fenster nach außen strahlen. Er wird komplexe Moleküle – möglicherweise auch organische Verbindungen – in den Tröpfchen anregen, sodass sie fluoreszieren.

"Wir werden nach organischen Partikeln im Inneren der Wolkentröpfchen suchen", sagt Seager. Eine solche Entdeckung wäre kein Beweis für Leben – organische Moleküle können auf eine Weise entstehen, die nichts mit biologischen Prozessen zu tun hat. Aber wenn sie gefunden würden, wäre das ein Schritt "in Richtung einer möglichen Bewohnbarkeit der Venus", meint Seager.

Direkte Messungen in der Atmosphäre sind der einzige Weg nach den Arten von Leben zu suchen, von denen wir glauben, dass sie auf der Venus noch existieren könnten. Raumsonden in der Umlaufbahn können uns viel über die allgemeinen Merkmale des Planeten sagen, aber um ihn wirklich zu verstehen, müssen wir Sonden schicken, die ihn aus der Nähe untersuchen. Der Versuch des Rocket Lab und des MIT ist der erste, bei dem es um Leben geht, wenngleich die Sowjetunion und die USA bereits im 20. Jahrhundert Sonden zur Venus schickten.

Die Mission wird nicht selbst nach Phosphin suchen, weil ein entsprechendes Instrument nicht in die Sonde passen würde, sagt Seager. Aber das könnte eine Aufgabe für die DAVINCI+-Mission der NASA sein, die im Jahr 2029 starten soll.

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Die Rocket Lab-MIT-Mission wird nur kurz sein. Die Sonde wird nur fünf Minuten Zeit haben, um ihr Experiment in den Wolken der Venus durchzuführen und ihre Daten per Funk an die Erde zurückzusenden, während sie auf die Oberfläche stürzt. Falls die Sonde so lange durchhält, könnten unter den Wolken weitere Daten aufgenommen werden. Eine Stunde nach Eintritt in die Venusatmosphäre wird die Sonde auf dem Boden aufschlagen. Die Kommunikation wird wahrscheinlich schon vorher abreißen.

Jane Greaves, die die erste Studie über Phosphin auf der Venus leitete, sagt, sie freue sich auf die Mission: "Ich bin sehr aufgeregt." Und sie fügt hinzu, dass sie eine "große Chance" hat, organisches Material zu entdecken, was "bedeuten könnte, dass es dort Leben gibt".

Seager hofft, dass dies nur der Anfang ist. Ihr Team plant zukünftige Missionen zur Venus, die die Ergebnisse dieses ersten Einblicks in die Atmosphäre weiterverfolgen können. Eine Idee ist, Ballons in den Wolken zu platzieren, wie die sowjetischen Vega-Ballons in den 1980er Jahren, mit denen längere Untersuchungen durchgeführt werden könnten.

"Wir brauchen mehr Zeit in den Wolken", sagt Seager – idealerweise mit etwas Größerem, das mehr Instrumente an Bord hat. "Eine Stunde würde ausreichen, um nach komplexen Molekülen zu suchen und nicht nur deren Abdruck zu sehen."

Diese erste Mission könnte zeigen, welche Rolle private Unternehmen in der Planetenforschung spielen können. Während Agenturen wie die NASA weiterhin milliardenschwere Maschinen ins All schicken, können Rocket Lab und andere eine Nische für kleinere Fahrzeuge füllen, vielleicht als schnelle Reaktion auf Entdeckungen wie Phosphin auf der Venus.

Könnte dieser kleine, aber mächtige Versuch der erste sein, der Beweise für außerirdisches Leben im Universum findet? "Die Chancen sind gering", sagt Beck. "Aber es ist einen Versuch wert."

(jle)