Farblos grün

Was dem einen sein verschrobener Linguist, ist demanderen sein begnadeter Medienkritiker. Noam Chomsky kümmert sich wenig um die öffentliche Meinung, sondern vertritt seine eigene.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Joachim Ziebs
Inhaltsverzeichnis

Noam Chomsky ist ein Phänomen. Zu diesem Schluss kommt zumindest die angesehene Illustrierte „The New Yorker“ in ihrer Ausgabe vom März 2003. Chomsky befindet sich auf einer Top-100-Liste der meistzitierten Autoren auf Platz 8. Wirklich bedeutungsvoll wird diese Platzierung aber erst dadurch, dass der Linguist der einzige noch lebende Autor auf besagter Liste ist.

Dabei erlangte Chomsky nicht allein wegen seines linguistischen Schaffens Bekanntheit. Auch als politischer Theoretiker hat er sich einen Namen gemacht. Diese Kombination von Interessensgebieten hat zu unterschiedlichen Einschätzungen seiner Person geführt. Einige Forscher halten ihn für einen begnadeten Linguisten mit einer verschrobenen politischen Meinung, während andere ihn als außergewöhnlichen Politiker und Medienkritiker bezeichnen und seine linguistischen Theorien für fragwürdig halten. Grund genug, sich näher mit ihm zu beschäftigen.

Erste Anlaufstelle ist natürlich die persönliche Homepage des Professors am Massachussetts Institute of Technology. Klar und spartanisch wie der Schreibstil Chomksys. Die „Bibliography“ dieser Seite verzeichnet zwar ausschließlich seine linguistischen Veröffentlichungen, ist dafür aber auf einem vollständigen Stand.

Als weiteren groben Überblick über das Phänomen Chomsky bietet sich der Lexikoneintrag in der freien Enzyklopädie „Wikipedia“ an. Hier wird versucht, seine konstant weiterentwickelte Sprachtheorie genau so zu beschreiben wie seine nicht minder zahlreichen politischen Aussagen. Vor allem den politischen Artikeln haben sich zwei Archive verschrieben: „The Noam Chomsky Archive“ sowie dessen inoffizielle Ergänzung „Bad News: The Noam Chomsky Archive“.

Es wird den Leser nicht verwundern, dass sich Chomsky bei seinen politischen Statements nicht vor beißender Kritik scheut. Beispielsweise äußert er sich scharf zum 11. September in einem Interview des Radio B92 aus Belgrad. Eine Meinung, die ihm in seinem Heimatland kaum Freunde gemacht haben wird. Bei den hochschlagenden Wellen des amerikanischen Patriotismus ist es ein Zeichen großer Hochachtung seitens des MIT, dass Chomsky in dieser Zeit noch an einer US-amerikanischen Universität lehren darf. In einem anderen Interview äußert sich Chomsky zu „Anarchismus, Marxismus und Hoffnung für die Zukunft“. Dank der britischen BBC ist es möglich, vier Gespräche mit Chomsky als Realmedia Stream zu hören. Die zwischen zwei und drei Minuten langen Auszüge behandeln ein breites Themenspektrum vom Vietnam-Krieg bis zur Linguistik.

Videos von Chomskys Interviews finden sich ebenfalls im Internet. Ein BBC-Fernsehinterview zum 11. September ist als Stream verfügbar. Eine vollständige Vorlesung zum Thema „The current crises in the Middle East: What can we do?“ bietet das Massachussetts Institute of Technology an. Erfreulicherweise nicht nur als Stream, sondern auch als Mitschrift. Im Jahr 2002 ehrte die Universität von Dublin Chomsky mit der Ehrenmitgliedschaft der „Literary & Historical Society“. Die Dankesrede hat das MIT in den Dubliner Vorlesungssaal übertragen. Mittlerweile steht sie über das Internet auch nichtgeladenen Gästen zur Verfügung. Vielleicht das beste Fernsehinterview mit Chomsky hat dieses Jahr BookTV/C-Span2 geführt. Der Medienkritiker stand fast drei Stunden lang seinem Interviewpartner sowie Anrufern Rede und Antwort zu seinem Lebenslauf, politischen Ansichten und linguistischen Theorien.

Als prominente Figur ist Chomksy inzwischen auch mit einer Parodie „geehrt“ worden. Wie sich nachlesen lässt, gibt es Kritiker, die sich ebenso wortgewandt mit seinen Äußerungen auseinander setzen, wie Chomsky es damals mit seiner Buchbesprechung von B. F. Skinners „Verbal Behaviour“, wenn auch weniger humorvoll, getan hat. Seit 1959 ist der Satz „Remember B. F. Skinner?“ in der Linguistik eine gefürchtete Floskel.

Für einen generellen Einstieg in die Linguistik, nicht nur die von Chomsky, bietet sich die Online-Version der ELE Multimedia an. Hier kann man sich die nötigen Grundlagen aneignen, um Bücher wie „Modern English Linguistics: A Structural and Transformational Grammar“ richtig genießen zu können. Dieses Buch beschreibt die englische Grammatik mit Hilfe der von Chomsky entwickelten erweiterten Standardtheorie. Wer sich hier tiefer einarbeiten möchte, findet eine Erläuterung der dieser vorausgehenden Theorie auf der Website der Julietta Research Group in Natural Language Processing (unter „Topic 5“). Abschließend noch ein Hinweis auf ein lesenswertes Interview über „Microsoft and Corporate Control of the Internet“. Interviews wie dieses haben sicherlich mit dafür gesorgt, dass dem MIT-Professor inzwischen eine [news://news://alt.fan.noam-chomsky Fan-Usenet-Newsgroup] gewidmet ist. (ka)