Fingerfertige Gestenerkennung

Das Start-up 3Gear hat ein Verfahren entwickelt, mit dem Computer Handbewegungen auf Millimeter genau erfassen können.

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  • Kate Greene

Das Start-up 3Gear hat ein Verfahren entwickelt, mit dem Computer Handbewegungen auf Millimeter genau erfassen können.

Microsofts Gestensteuerung Kinect, eine Kombination aus 3-D-Kamera und Software zur Nutzung mit der Spielekonsole Xbox, ist seit ihrer Einführung im Jahr 2010 ein Verkaufsschlager – und zeigt, dass neuartige Rechnerschnittstellen eine große Zukunft haben.

Das Start-up 3Gear aus San Francisco hat nun ein Gesteninterface entwickelt, das deutlich genauer ist als Kinect: Während die Microsoft-Technik den ganzen Körper und höchstens einzelne Hände erfassen kann, erlaubt das 3Gear-Verfahren das Tracking bis auf den Finger hinunter. Damit das funktioniert, werden zwei 3-D-Kameras benötigt, die rechts und links oberhalb des Nutzers platziert sind.

3Gear hofft, dass externe Programmierer mit der gerade freigegebenen Software-Schnittstelle schnell interessante Anwendungen entwickeln. Firmengründer Robert Wang glaubt, dass die Technik von Ingenieuren zur Schaffung von 3-D-Objekten ebenso genutzt werden könnte wie von Chirurgen, die während einer Operation 3-D-Daten im Raum berührungslos manipulieren müssen. Und auch Spieler sollen von der präziseren Erfassung profitieren.

Ein Problem mit der Gestenschnittstelle bleibt allerdings, dass sie bislang für den Nutzer nicht besonders ergonomisch ist. "Die Leute klagen dann über "Gorillaarm"-Schmerzen", sagt Wang. 3Gear habe sich deshalb darauf konzentriert, die Schnittstelle so praktisch und bequem wie möglich zu gestalten. "Wenn ich derzeit an meinem Schreibtisch Gesten nutzen will, kann ich das nicht den ganzen Tag lang tun. Es ist auf Dauer zu unpräzise und unergonomisch."

Die Lösung seien die zwei 3-D-Kameras oberhalb der Hände. Sie sitzen im aktuellen Prototypmodell auf einem Metallrahmen, sollen aber in der Produktionsversion am Monitor angebracht werden können. Die Aufnahme von oben erlaubt es, dass die Hände auf dem Schreibtisch und auf der Tastatur verbleiben können. (Entwickler, die sich für die 3Gear-Lösung interessieren, erhalten die Software kostenlos, die Hardware inklusive Kameras und Rahmen müssen sie aber bezahlen.)

"Andere Projekte ersetzen Touchscreens mit Sensoren, die auf dem Schreibtisch angebracht sind und in Richtung Bildschirm zeigen. Das bedeutet, dass man immer noch nach vorne greifen muss", sagt Daniel Wigdor, Professor für Computerwissenschaften an der University of Toronto und Autor des Buches "Brave NUI World", das sich mit neuen Nutzerschnittstellen beschäftigt. "Die Lösung liegt darin, dies zu ändern."

3Gear ist keineswegs die einzige Firma, die versucht, Gestensteuerungen genauer zu machen. So hat Kinect-Hersteller Microsoft in diesem Jahr ein Update auf den Markt gebracht, mit dem die WIndows-Software für Kinect zumindest Kopfposition, Augenbrauen und Mundform des Nutzers erkennen kann. Das israelische Start-up Omek, die belgische Firma SoftKinetic und Leap Motion aus San Francisco arbeiten allesamt an unterschiedlichen Ideen, Gestensteuerung genauer zu machen.

Trotzdem gilt das Fingertracking als harte Nuss. "Das ist ein schwer zu knackendes und sehr langfristiges Problem", meint Patrick Baudisch, Professor für Computerwissenschaften am Hasso-Plattner-Institut der Universität Potsdam. Früher musste man Handschuhe mit Farbmarkierungen nutzen, um ein gewisses Niveau an Präzision zu erreichen. Eine Schnittstelle, die das alles ohne Zusätze kann, wäre deshalb "sehr wünschenswert", sagt Baudisch.

Das 3Gear-System setzt auf zwei Tiefenkameras, wie sie auch im Kinect-Sensor stecken, um 30 Bilder pro Sekunde einzufangen. Die Position von Händen und Fingern wird dann mit einer Datenbank aus 30.000 möglichen Gliedmaßenkonfigurationen abgeglichen. Die Synchronisation zwischen Bild und Datenbank erfolgt innerhalb von 33 Millisekunden, wie Wang sagt. So soll der Computer selbst auf eine Veränderung von nur einem Millimeter nahezu verzögerungsfrei reagieren.

Bis die Technik im Endkundenmarkt ankommt, soll es nicht mehr lange dauern. "Dem Desktop- und Produktivitätsbereich ist das allerdings schwerer zu verkaufen als Spielern oder Ingenieuren", meint Johnny Lee, der im Microsoft-Kinect-Team gearbeitet hat und nun bei Google ist. "Man muss mit Maus, Tastatur und Touchscreen konkurrieren." Trotzdem sei er gespannt auf neue Anwendungen. 3-D-Kameras würden immer billiger und auch die Erkennungsalgorithmen verbesserten sich ständig. (bsc)