Fjorde, die stinken

Immer mehr Kreuzfahrtschiffe sind an der norwegischen Küste unterwegs. Die Luftqualität ist mancherorts schlechter als in Großstädten. Hinzu kommen Sicherheitsprobleme.

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Fjorde, die stinken

Im Sommer gibt's hier Smog.

(Bild: Photo by Damir Spanic on Unsplash)

Lesezeit: 3 Min.

Touristen, die sich einen Traum erfüllen wollen, buchen eine Kreuzfahrt – und das in Europa besonders gerne in den hohen Norden. Nett und gelassen an der Küste entlang schippern, Natur sehen, zwischendurch kurz in einer Stadt aussteigen und wieder zurück auf die gemütliche Kabine.

Längst sind die Dampfer mit Rund-um-die-Uhr-Freizeitangeboten, Einkaufsmöglichkeiten und Vollverpflegung zum Massentourismus geworden. So laufen fast 200 Kreuzfahrtschiffe pro Jahr die Region an der norwegischen Westküste an. Viele davon machen einen Ausflug in den wunderschönen Geirangerfjord – ein tiefeingeschnittener Meeresarm mit hohen Bergen, Postkartenidylle pur.

Das Problem: Aufgrund der vielen Schiffe, die mit Schweröl betrieben werden, sinkt hier im Sommer die Luftqualität rapide. Im 250-Einwohner-Örtchen Geiranger atmet es sich dann auf einmal plötzlich so schwer wie in der 670.000-Menschen-Stadt Oslo direkt in der vielbefahrenen Innenstadt. Manchmal gibt es sogar richtigen Smog – die blauen Rauchfahnen der Meeresriesen sieht jeder, der über die "Adlerweg" genannte Route ins Dorf hineinfährt, sind einmal zwei, drei, vier oder gar fünf Pötte im Fjord.

In Geiranger zeigt sich das Umweltproblem, das die Kreuzschifffahrt darstellt, besonders extrem. In Zeiten, in denen Norwegen versucht, den CO2-Ausstoß seiner stattlichen Fähr- und Off-Shore-Flotte zu reduzieren, wirkt es wahnwitzig, dass derlei Luxustouren mit enormen Partikelmengen und Klimagasen die Luft verpesten. Der viel gepriesene Landstrom, mit dem die Pötte wenigstens im Hafen ohne Betrieb der Schiffsmotoren mit Energie versorgt werden können, ist in vielen Regionen noch nicht vorhanden, überlastet das Stromnetz oder ist für die Reedereien schlicht ein zu hoher Kostenfaktor. Immerhin: Der norwegische Staat will beim Schweröl nun einschreiten, zumindest in den Welterbefjorden die Luftbelastung schrittweise reduzieren, indem strengere Schwefel- und Stickoxidgrenzwerte festgelegt werden. Doch dabei gibt es Widerstand in den Touristengemeinden, die fürchten, Kreuzfahrer in andere Fjorde mit (noch) voller Luftverpestungsfreiheit zu verlieren. Zudem wird das Schweröl wohl frühestens 2025 ganz aus den Meeresarmen verbannt.

Ein weiteres Problem ist die Sicherheit. Das zeigte jetzt aktuell die Havarie des Luxusliners "Viking Sky" zwischen Kristiansund und Molde, am Küstenabschnitt Hustadvika. Während eines Sturms fielen alle vier Motoren des Kreuzfahrtschiffes mit fast 1500 Passagieren aus. Der Anker wurde geworfen und das Mayday-Signal abgesendet. Nur gut 100 Meter weiter wäre das Schiff auf Grund gelaufen, eine Rettung bei einem eventuellen Kentern geradezu unmöglich gewesen.

Das zeigte sich anhand der notwendigen Evakuierung: Fünf Helikopter verbrachten die ganze Nacht damit, 470 Passagiere – jeweils 15 pro Flug – an Land zu evakuieren, weil an eine Rettung per Schiff nicht zu denken war. Dass überhaupt so viele Retter vor Ort waren, erwies sich als Riesenglück: In Reichweite befinden sich Stationen, die mit entsprechenden Schraubern ausgerüstet waren. Ansonsten hätten noch mehr Passagiere ausharren und auf besseres Wetter hoffen müssen. Am Tag danach konnte die "Viking Sky" schließlich in den Hafen von Molde gezogen werden, ein Teil ihrer Motoren lief wieder. In norwegischen Medien wurde kommentiert, die glückliche Rettung hätte auch zu einer zweiten Estonia-Katastrophe werden können – wenn nicht gar schlimmer.

(bsc)