Flach, flacher und vernetzt

Asiens größte Elektronikmesse Ceatec präsentiert superflache TVs und die neuesten Produkte und Dienste für die Vollvernetzung von Haus und Leben.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 12 Min.
Von
  • Martin Kölling

Flach, flacher und vernetzt (7 Bilder)

Bild: Martin Koelling

Große Bühne für ein kleines TV-Gerät: Sony stellt auf der Ceatec 2007 den ersten kommerziell erhältlichen Fernseher mit einem nur drei Millimeter flachen Display aus organischen Leuchtdioden vor. Die Bildfläche liegt zunächst bei 11 Zoll.

Die eindrucksvollste Weltpremiere der diesjährigen japanischen Elektronikmesse Ceatec versteckte sich im kleingedruckten des Veranstaltungsprogramms. "Eine neue Technik für ultra-große Displays" versprachen Japans Zukunftsforscher Kazuhiko Nishi, Gründer von ASCII, und Sakae Tanaka, Geschäftsführer von Aquabit, in ihrer Weissagung über die Zukunft der IT-Welt bis ins Jahr 2020.

Die Überraschung war dann recht groß, als schließlich in der Präsentation mit Japans führendem Plasma-Display-Forscher Tsutae Shinoda von rechts und von links 50 mal 100 Zentimeter große, einen Millimeter dünne und flexible Riesenbildschirme auf die Bühne kamen. Erst liefen schwarz-weiße Kästen über die Displays, dann gelbe New Yorker Taxi. Es sei die Weltpremiere für ein nahezu markttaugliches "Plasma Tube Array Display", sagte Shinoda.

"Die Basiseinheit ist 1 mal 2 Meter groß, und man kann sie nahtlos zu noch größeren Displays zusammenkleben", erklärte der hochdekorierte Forscher. Das hauchdünne Display kann zugeschnitten, um Pfeiler gewickelt oder zu Kuppeln und Bögen geformt werden. Es zeichnet sich zudem durch einen geringen Energieverbrauch von 200 Watt für ein 150-Zoll-Display aus. Shinoda rechnet damit, das Produkt im kommenden Jahr zur Marktreife zu entwickeln.

Die versteckte Weltpremiere passt gut zum diesjährigen Haupttrend der boomenden Ceatec, die dieses Jahr um drei Hallen gewachsen ist. In einem separaten Gebäude wetteifern noch bis Samstag Japans Elektronikkonzerne um den Preis des flachsten Flachfernsehers. Sieger ist bislang Sony: Auf einer riesigen Bühne präsentiert der Konzern mehrere Dutzend der ersten kommerziellen Fernseher mit Bildschirmen aus organischen Leuchtdioden (OLED). Sie sind mit drei Millimeter superflach, erreichen bislang allerdings aber auch nur 11 Zoll Bilddiagonale.

Die OLEDs leuchten von selbst und benötigen daher anders als Flüssigkristallebildschirme keine Hintergrundbeleuchtung. Wegen ihrer brillanten Farben, dem großen Blickwinkel und der hohen Reaktionsgeschwindigkeit gilt diese Technik als der Traum der Fernsehproduzenten. Der Preis ist für das zunächst in Japan angebotene Kleinod allerdings noch recht happig. Für 200.000 Yen (1200 Euro) führt Sony den Bonsai-Fernseher im Dezember ein. Später soll die Welteroberung folgen. Sony verspricht, schon bald größere Modelle nachzuschieben.

Der Vorstoß ist vor allem ein Marketingschachzug, durch den die kriselnde Weltmarke endlich wieder technische Vorreiterschaft demonstrieren will. Denn den Boom der Flachfernseher hatte der ehemalige Weltmarktführer für Röhrenfernsehern lange verschlafen. Durch eine teure und noch immer andauernde Aufholjagd war der Konzern sogar in die roten Zahlen gestürzt. Die Rivalen zweifeln allerdings an der Weisheit des Schritts zur OLED. "Ich habe die Befürchtung, dass die Haltbarkeit der Technik noch nicht ausreicht", mäkelt ein japanischer Top-Forscher hinter vorgehaltener Hand. Sony verspricht jedoch forsch eine Haltbarkeit von 30.000 Stunden, also 10 Jahren im täglichen Acht-Stunden-Betrieb. LCD- und Plasma-Fernseher kommen inzwischen allerdings auf die doppelten Werte.

Doch die ultraflache OLED-Technik genießt keinen Freifahrtschein, denn die Konkurrenz speckt ihre Displays ebenfalls ordentlich ab. Sharp hatte bereits auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin ein superdünnes LCD-TV vorgestellt, das nach Messegesprächen 2010 auf den Markt kommen soll. Hitachi debütiert dafür auf der Ceatec einen 32-Zoll-Fernseher in gleicher Technik, der nur noch 1,9 Zentimeter tief ist und nach dem bisherigen Plan von Chefentwickler Ikuo Hiyama Anfang 2009 in Produktion gehen soll.

Das Erfolgsgeheimnis für den Flachbau der neuen Generation ist die Hintergrundbeleuchtung, sagt Hiyama, ohne weitere Details des Innenlebens zu verraten. JVC wiederum stellt stolz ein marktreifes 42-Zoll-Modell vor, das nur noch sieben Zentimeter dick ist. 3,7 Zentimeter gehen dabei für das Display drauf, der Rest für die dahinter geschraubte etwas kleinere Tunereinheit. Die Flunder soll im Frühling 2008 in Europa Weltpremiere feiern, sagte ein Sprecher.

Auch Plasma-Fernseher halten Diät, obwohl sie es auf der Ceatec noch nicht zeigen. "Bis 2010 hoffe ich, dass wir auch die Tiefe von Plasma-TVs auf unter fünf Zentimeter halbieren können," sagt Hitachi-Mann Hiyama. Plasma-Fernseher lassen sich nicht so hauchdünn wie OLED- oder LCD-TVs fertigen, da sie erstens eine weitaus dickere Frontscheibe und zweitens Elektroden für die Anregung des Plasma benötigen.

Der Verzicht auf die öffentliche Teilnahme am Verschlankungswettrennen verstärkt den Eindruck, dass Plasma-Displays von LCD-TVs verdrängt werden könnten. Doch die japanischen Experten des deutschen Marktforschungsinstituts GfK sagen, dass zumindest in Japan die Plasma-Fernseher den Vormarsch der LCD-Flundern bei Fernsehern mit Bildschirmdiagonalen von mehr als 37 Zoll stoppen konnten. Der weltweit unter Panasonic firmierende Elektronikgigant Matsushita Electric lässt daher selbstbewusst seine 103-Zoll-Riesen auf der Bühne tanzen und Purzelbäume schlagen.

Auf dem Stand selbst zeigt sich Panasonic als "Dominator" des zweiten Haupttrends der diesjährigen Ceatec, der Vollvernetzung des Heims. So demonstriert Panasonic, wie sich der Fernseher schon heute durch schnurlose Anbindung an beispielsweise das Türtelefon oder die Körperfett messende Waage zum Leitstand des digitalen Zuhause umfunktionieren lässt. Zudem führt Panasonic als erster TV-Hersteller vor, wie einfach Japaner seit September Spielfilme in hochauflösender Qualität von dem von den Elektronikkonzernen gegründeten Internet-Portal "acTVila" auf die Flachfernseher zaubern können, wenn sie nur einen neuen Fernseher kaufen. Passend dazu kündete Japans größtes Internetportal "Yahoo! Japan" an, ebenfalls hochauflösende Inhalte in sein Programm aufzunehmen.

Die Vollvernetzung des Lebens bedeutet, dass immer mehr Geräte zu Medienzentren werden. Der Autobauer Nissan macht mit der ersten Teilnahme eines Autoherstellers an der Elektronikmesse deutlich, dass auch Kraftfahrzeuge dazu gehören. Nissan Vize-Präsident Mitsuhiko Yamashita kündigt in einer Rede "eine Revolution der Fahrzeugelektronik" an. "Elektronik wird eine unabkömmliche Rolle in der Autoindustrie spielen", sagt er. Schon heute würden bei Nissans Luxusmobilen so viele Chips wie in 50 PCs werkeln.

Dabei geht es nicht nur um Sicherheitssysteme und Fahrassistenten wie Einparkhilfen, Abstandshalter, Spurhaltesystemen oder Bremspedale, die bei Kollisionsgefahr selbst bremsen, sondern auch um interaktive Navigationssystem mit kleinen Sonderprogrammen. Nissans Navigationsdienst "Carwings" tauscht schon heute Daten in Echtzeit zwischen Auto und Server aus. Als neuesten Clou wird das Unternehmen dieses Jahr sogar einen elektronischen Oberlehrer einführen, der den Autofahrern Sprit sparendes Fahren beibringen soll. Nach internen Tests senkten die durch die Software ermahnten Fahrer den Spritkonsum im Durchschnitt um immerhin 18 Prozent. Eine weitere von Nissans Visionen ist, dass in Zukunft die Autonavigation nicht nur die Verkehrsdichte anzeigt, sondern an unübersichtlichen Kreuzungen auch vor herannahenden Autos oder Kindern warnt.

Zurück zur nichtfahrbaren Elektronik: Neben den Fernsehern standen nicht von ungefähr Mobiltelefone im Mittelpunkt der Ceatec. "Handys werden PCs als Zugriffsgerät auf das Internet den Rang ablaufen", sagte Zukunftsforscher Tanaka. In Japan dienen sie schon heute als Fernseher, Musikplayer, Fotoapparat, Videokamera, Email-Terminal samt Internet-Zugang und dank eingebauten RFID-Chips ("Felica" von Sony) auch als elektronische Geldbörse. Jetzt werden sie auch zum elektronischen Notizzettel: Konzerne wie Fujitsu oder Panasonic zeigten große, hochkant aufgestellte Informationsdisplays für Einkaufszentren mit Felica-Lese-und -Schreibgeräten. Durch einen kurzen Kontakt mit der Lesefläche können Kunden dann Wegepläne, Gutscheine für Restaurants oder andere Informationen auf ihr Handy laden.

Mitsubishi Electric nutzt die Ceatec, um die Besucher ein ähnliches System für den Bahnverkehr testen zu lassen. Es soll Fahrgästen ermöglichen, den Fahrplan des Zuges, Anschlusszüge, die Passagierdichte in den verschiedenen Wagons oder Informationen über Restaurants am Zielbahnhof per Kurzkontakt aufs Handy zu laden. Schon im Verkauf sind Handys, die durch kurzes Aneinanderhalten persönliche Daten wie eine elektronische Visitenkarte austauschen können.

Interessante Handy-Neuerungen gibt es auch auf dem Stand von Japans größtem Mobilnetzbetreiber NTT Docomo zu bewundern. Der Hit ist ein von Mitsubishi Electric entwickeltes Wellness-Handy. In ihm zeichnet nicht nur ein Schrittmesser die tägliche Aktivität auf. Es misst auch den Körperfettanteil des Eigners und zeigt dann auf dem Touchscreen, wie hoch das aktuelle Übergewicht ist (falls vorhanden). Eine andere wirklichkeitsnahe Idee ist eine Tastatur aus elektronischer Tinte. Dadurch kann die Beschriftung der Tastatur mit einem Tastendruck von Zahlen zu Buchstaben und der japanischen Silbenschrift geändert werden. Auf Wunsch lassen sie sich auch augenfreundlich in großer statt in kleiner Schrift anzeigen.

Ein anderer Trend der Messe sind 3D-Displays. Hitachi stellt eines vor, das zur Erzeugung des dreidimensionalen Effekts mit einem Doppeldisplay arbeitet. Die vordere Scheibe des Bildschirms besteht aus einem TFT-Flüssigkristalldisplay, der Hintergrund aus einer Rückprojektionfläche. Die gezeigten Filmchen lassen darauf schließen, dass Hitachi sich eine Anwendung als Tachometer im Auto vorstellt.

Pioneer wiederum wartet mit einer Weiterentwicklung seines holografischen Displays auf, das ein dreidimensionales Bild in die Luft vor den Betrachter projiziert. Das Bild kann durch "Berührung" verschoben werden. Auch Pioneer baut es in das Instrumentenbrett von Fahrzeugen ein. Der Aufbau des Prototyps: Links ein LCD mit der Navigation, rechts die Anzeige für Füllstand, Bremsen usw., in der Mitte das holografische Display und davor flach ausgerollt ein Touchscreen. Wählt man auf dem Touchscreen die Funktion Parkplätze, schwebt plötzlich das Parkplatzsymbol in der Luft. Das kann der Betrachter entweder nach rechts in den Papierkorb oder nach links auf den Stadtplan wedeln, auf dem dann die Parkplätze auftauchen. Auch für Musik funktioniert das: Auf dem Touchscreen wird der Albumtitel angetippt und durch Hochziehen des Fingers zum Schweben gebracht. Einmal gewedelt und schon startet die Musik.

Darüber hinaus verstecken sich noch Hunderte von kleinen Innovationen auf der Ceatec. Sharp beispielsweise ließ die Menschheit erstmals ein kürzlich vorgestelltes LCD ausprobieren, das in jeden Pixel auch einen optischen Sensor eingebaut hat. Durch diesen Trick wird ein Display gleichzeitig zum Scanner. Außerdem können Bildschirme dadurch wie der Touchscreen von Apples Handy, dem iPhone, mit mehreren Fingern gleichzeitig bearbeitet werden. Richtig interessant könnte die Anwendung für elektronische Arbeitstische werden, die heutzutage oft noch mit Projektionssystemen und Sensoren arbeiten.

Den Spaßpreis der Messe hat sich wiederum Omron für seine Idee verdient, sein Gesichtserkennungsprogramm Okao-Vision das perfekte Lächeln suchen zu lassen. Die Lächelerkennung bewertet das "Smiling" eines Menschen auf einer Skala von 0 bis 100 Prozent. Neben einer langen Reihe ernsthafter Anwendungen haben sich die Ingenieure außerdem ein lustiges Spiel ausgedacht – Wettlächeln. Zwei Duellanten setzen sich vor die Kameras und lächeln eine halbe Minute um die Wette. Das Programm ermittelt dann den Lächelkönig.

Toshiba und Mitsubishi Electric experimentieren derweil mit Ideen, wie sich die Fernbedienung von Fernsehern seniorenfreundlich ersetzen lässt. Bei Toshiba müssen die Nutzer ihre Hand zur Faust ballen und dann eine Mauszeiger auf Schalttasten steuern, die auf dem Bildschirm erscheinen. Durch Heben und Senken des Daumens wird der Knopf virtuell gedrückt. Da das System jedoch in Echtzeit jedes Tattern der Hand aufzeichnet, gerät das Tasten tippen selbst für Nichtrentner zum Glücksspiel. Gedanklich weiter ist Mitsubishi. Durch Klatschen lassen sich Menüs auf den Bildschirm rufen. Deren große Schalter werden durch das Heben der Hand aktiviert und dann durch ein Herunterklappen der Finger geschaltet. Die Bewegung der Hand wird durch eine auf dem Fernseher angebrachte Stereokamera aufgezeichnet. Das ist intuitiv und funktioniert fast ohne Probleme. Auch das Beenden des Menüs ist intuitiv: Man winke einfach "Auf Wiedersehen" – und das Menü verschwindet vom Bildschirm. (bsc)