Gentechnik: Konkurrenz für CRISPR durch die Rekombinasen

Die Designer-Rekombinasen schneiden das Erbgut nicht nur äußerst präzise, sondern reparieren es auch gleich. Im Herbst soll eine erste klinische Studie starten.

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Molekularbiologe Frank Buchholz im Labor

Der Molekularbiologe Frank Buchholz glaubte trotz CRISPR-Hype an die Rekombinasen. Der Schritt vom Labor in die Klinik steht kurz bevor.

(Bild: TU Dresden / S. Rose Fotografie)

Lesezeit: 14 Min.
Von
  • Susanne Donner
Inhaltsverzeichnis

Lange bevor die Französin Emmanuelle Charpentier 2020 den Nobelpreis für die berühmte Genschere CRISPR/Cas bekam, dachte Frank Buchholz, dass er das eleganteste Werkzeug zum Verändern von Erbgut eigentlich schon vor sich hätte: die Rekombinasen. Das sind Enzyme, die wie CRISPR aus der Welt der Mikroorganismen stammen. Sie gleichen einer Nagelschere, fein und präzise, wohingegen CRISPR/Cas eher wie eine Heckenschere arbeitet: Sie ist zwar schnell und effizient, durchtrennt aber radikal den DNA-Doppelstrang, den die Zelle dann wieder reparieren muss. Dabei können sich Fehler einschleichen, und der entstehende genetische Code lässt sich nicht präzise vorhersagen. Gleichwohl gibt es durch CRISPR erste Heilungserfolge, bei Patienten mit Sichelzellenanämie zum Beispiel. Weltweit laufen mehr als 50 klinische Studien zu CRISPR-Therapien.

Mehr über die Genschere CRISPR

Der Rummel um CRISPR/Cas hat Molekularbiologe Buchholz, Professor für Medizinische Systembiologie an der TU Dresden, nie beirrt. Er begann schon vor zwei Jahrzehnten, die Rekombinasen zu erforschen, und glaubt seither beharrlich an ihr Potenzial als besonders feines Schneidwerkzeug für die Genom-Editierung. Rekombinasen können die DNA spalten, Genabschnitte herausschneiden, umdrehen oder austauschen und Schnittstellen gezielt neu verknüpfen. Daher der Name: Sie rekombinieren die DNA. "Es hat mich schon damals fasziniert: Wenn man ein solches Enzym für den Menschen umprogrammieren könnte, wäre es ideal für die Gentherapie, also etwa, um krankheitsrelevante Gene herauszuschneiden", sagt Buchholz. Seit wenigen Jahren kommen die Fortschritte in seinem Forschungsgebiet nun Schlag auf Schlag: Gleich zwei Start-ups sind aus seiner Arbeitsgruppe hervorgegangen. Die erste klinische Studie mit einer Rekombinase gegen HIV soll noch dieses Jahr beginnen. Die Verfechter von CRISPR/Cas horchen auf einmal auf.

Erstmals wurden Rekombinasen in Phagen gefunden. Dieser besondere Virentyp befällt ausschließlich Bakterien, vermehrt sich mit ihrer Hilfe und vernichtet sie schließlich. Daher auch ihr Name: "phagus" für "aufessen". Einer der bekanntesten Vertreter ist der Phage P1. Er infiziert Escherichia coli, ein im Labor häufig verwendetes Darmbakterium. Um sich in E. coli vermehren zu können, braucht P1 eine Rekombinase. Das Enzym sorgt unter anderem dafür, dass durch Zufall gebildete DNA-Doppelsätze des Phagen-Genoms im attackierten Bakterium wieder getrennt werden. Das steigert die Vermehrungsrate.