Gierige Netze

Obwohl WLAN-Router über Energiespar-Funktionen verfügen, saugen sie wegen falscher Voreinstellungen Smartphones und tragbaren Rechnern zuviel Strom ab. Ein System namens NAPman will Abhilfe schaffen.

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Von
  • Tom Simonite

Obwohl WLAN-Router über Energiespar-Funktionen verfügen, saugen sie wegen falscher Voreinstellungen Smartphones und tragbaren Rechnern zuviel Strom ab. Ein System namens NAPman will Abhilfe schaffen.

Auch wenn sich die Hersteller von Smartphones und anderen tragbaren Kleincomputern mit immer besseren Akkulaufzeiten brüsten, fragen sich viele Nutzer, warum die Realität oft anders aussieht. Nun haben Forscher von zwei US-Universitäten und Microsoft Research India eine überraschende Antwort gefunden: Der Stromsauger sitzt meist nicht im Mobilgerät selbst, sondern in den WLAN-Routern, mit denen es sich verbindet. Einige einfache Änderungen in der Software der Basisstationen könnten das Problem lösen.

Darauf gekommen waren die Ingenieure, als sie Leistungstests mit verschiedenen Handys machten, wenn diese mit einem lokalen drahtlosen Netzwerk verbunden sind. „Wir entdeckten zum Beispiel, dass der Gesamtverbrauch des HTC Tilt vom taiwanischen Hersteller HTC sich verdreifacht, wenn das Gerät in einem WLAN angemeldet ist“, sagt Eric Rozner von der Universität Texas in Austin. Bereits frühere Studien hätten gezeigt, dass 60 Prozent der Energie für die drahtlose Netzverbindung draufgehen.

„Es ist schon erstaunlich, dass WLANs so viel Strom ziehen“, findet Rozner. Dabei gebe es für die Kommunikation in drahtlosen Netzwerken Routinen für einen Energiesparmodus, um genau das zu verhindern. In ihrer Untersuchung hätten sie aber festgestellt, dass die in vielen Routern falsch eingestellt seien und manche angemeldeten Geräte im Netzwerk benachteiligten, so Rozner.

Diese Entdeckung kommt zu einer Zeit, in der immer mehr Netzbetreiber ihre Kunden ermuntern, ihre Datenübertragung nicht über die 3G-Mobilfunknetze, sondern lokale Netzwerke abzuwickeln. „Die Carrier beschränken inzwischen den 3G-Datengebrauch und lassen manche Anwendungen nur für WLAN-Verbindungen zu“, erklärt Rozner.

Die Energiespar-Routinen des Netzwerkstandards 802.11 lassen ein mobiles Gerät permanent zwischen Zuständen mit voller und stark reduzierter Leistung wechseln. Selbst für Millisekunden wird ein Gerät in den Ruhemodus geschickt, um Strom zu sparen. Erhält es etwa nach einem Dateiabruf für eine halbe Sekunde keine Antwort aus dem Netzwerk, wird die Leistung heruntergeschaltet. Erst wenn ein spezielles Signal eintrifft, dass die Daten nun übertragen werden können, wacht das Gerät auf und funkt an den Router, mit der Übertragung zu beginnen.

Das funktioniert gut, solange der Netzwerkrechner nur ein Smartphone bedient. Meist sind aber noch andere Geräte wie Laptops angemeldet. Deshalb kommt ein Handy, das seine Bereitschaft für die angeforderten Daten signalisiert hat, mitunter in eine Warteschlange – und zieht in dieser Zeit die volle Leistung. Manche Router sortieren die Warteschlange nicht einmal nach dem Zeitpunkt, an dem ein Gerät einen Datenaufruf verschickt hat.

Die Folge: Das Smartphone verschwendet Energie, bis es an der Spitze der Warteschlange bedient wird. Einige Geräte wie das iPhone regeln ihren Stromverbrauch selbsttätig nach einer Hundertstel Sekunde herunter, wenn keine Antwort vom WLAN-Router eintrifft. Aber auch damit kann Energie verschwendet werden, wenn das wieder in den Ruhezustand gewechselte Gerät die Antwort des Routers verpasst und seine Anfrage wiederholen muss.

Manche Router lösen das Problem, indem sie Datenverkehr für Geräte im Energiesparmodus an die Spitze der Warteschlange schieben. Das allerdings kann wiederum zu Lasten der Signalqualität für die anderen Netzteilnehmer gehen. „Wir konnten feststellen, dass die Netzwerk-Kapazität durch solche Prozeduren sinkt“, sagt Rozner.

Die Lösung, die er und seine Kollegen ersonnen und kürzlich auf der MobiSys-Konferenz in San Francisco vorgestellt haben, ist ein System namens „NAPman“. In dem gilt für alle Daten: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst – und zwar unabhängig davon, ob ein im Netzwerk angemeldetes Gerät gerade im Energiesparmodus ist. Handys werden nur dann „geweckt“, wenn deren Datenaufruf in der Auftragsreihe am Anfang angekommen ist. NAPman notiert auch die Geräte, die nach einer festgelegten Zeit in den Ruhemodus gewechselt sind, damit sie nicht die angeforderte Übertragung verpassen.

Zudem nutzt das System die Möglichkeit von WLAN-Routern aus, als virtuelle Knoten verschiedene virtuelle Kanäle zu Geräten aufzubauen. Dadurch konkurrieren die angemeldeten Geräte nicht direkt um den Datenverkehr, und der Router kann ruhenden Geräten den Weckruf genau dann zuschicken, wenn tatsächlich Daten zur Übermittlung anstehen.

„Mit NAPman konnten wir den Stromverbrauch nicht nur um 70 Prozent gegenüber den Standardeinstellungen senken“, sagt Rozner. „NAPman wickelt auch den Datenverkehr im Hintergrund gerechter ab.“ In einem Test schickten die Forscher einen Radio-Stream mit einer Datenrate von 128 Kilobit pro Sekunde in einem gut frequentierten Hotspot auf ein iPAQ-Smartphone von Hewlett-Packard. Ohne NAPman hielt das Gerät 4,7 Stunden durch, mit hingegen zehn Stunden. Bei hochgedrehter Bildschirmbeleuchtung hielt der Akku nicht ganz so lang.

„Anscheinend setzen WLAN-Router die vorhandenen Energiesparverfahren nicht richtig ein“, wundert sich Philip Levis, Informatiker an der Stanford University. „Ich frage mich aber, ob das nur für derzeitige Geräte gilt.“

Rozner räumt ein, dass NAPman auf neuen WLAN-Routern überflüssig werden könnte. „Vielleicht werden die Hersteller einige unserer Ideen übernehmen.“ Bislang hätten er und seine Kollegen noch nicht mit Router-Herstellern gesprochen. „Aber das Potenzial für Verbesserungen ist jedenfalls da“, fügt er hinzu.

Das Paper: Rozner, Eric et al., "NAPman: Network-Assisted Power Management for WiFi Devices" , veröffentlicht auf der MobySys 10, 15. – 18. Juni 2010.

(nbo)