Immer mit der Ruhe

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Christian Kirsch

Cebit-Zeit, Bastelzeit. Allüberall polieren fleißige Hände Servergehäuse, korrigieren den letzten Fehler in der Business-Intelligence-Lösung und feilen an den Formulierungen für den neuen Flyer. Allüberall? Fast.

Nur eine gar nicht so kleine Messegesellschaft in einer niedersächsischen Großstadt entzieht sich dem lästigen Druck. Im letzten Jahr war die Website schon langsam - wunderbar, in diesem geht es noch gemächlicher. Dafür sorgen unter anderem Anzeigen, die bei jedem Aufruf von www.cebit.de von adserver.com zu beschaffen sind. Ist der Werbeserver ausnahmsweise nicht beschäftigt, stellen die lustig ineinander verschachtelten Tabellen sicher, dass beim Mozilla-Benutzer nicht der Eindruck übermäßiger Hast entsteht. Echte Männer lieben ohnehin das Risiko und deshalb andere Browser.

Irgendwann ist es doch so weit, fröhlich stürzt sich jeder auf den Link zu seinem Lieblingsthema. Unsereins klickt naturgemäß auf „Presseservice“. Wohlwissend, dass „Service“ bei der gar nicht so kleinen Messegesellschaft etwa dasselbe bedeutet wie im Berliner Einzelhandel: „Da könnte ja jeder kommen“, lautet die alles bestimmende Maxime. Und damit genau das nicht passiert, gibts eine Zugangsberechtigung. Komplett mit Benutzernamen und Passwort. Letzteres ändert der umsichtige Dienstleister natürlich von Jahr zu Jahr. Selbstverständlich ohne das den lästigen Bittstellern mitzuteilen. Die sollen sich einfach nochmal anmelden.

Für solche notwendigen Sicherheitsmaßnahmen bringen wir erwartungsgemäß jede Menge an Verständnis auf. Sensible Informationen wie Termine von Pressekonferenzen, der Inhalt von Pressemitteilungen oder gar von Firmen zur Verfügung gestellte Fotos dürfen unter keinen Umständen in die falschen Hände geraten. Nicht auszumalen, was da alles passieren könnte.

Benutzername und Passwort alleine bieten bekanntlich keinen zuverlässigen Schutz vor Geheimnisverrat. Folglich unterhält der Server den korrekt angemeldeten Schreiberling auch mal mit Meldungen wie „ORACLE not available in /home/dmag/php/db_oci8.inc on line 40“, statt zu verraten, welche Pressekonferenzen am zweiten Messetag wo zu finden sind. Klar - es war schon nach 18 Uhr, da muss sogar eine Datenbank mal ausspannen. Dieselbe Datenbank übrigens, die die Mailadressen der Cebit-Ansprechpartner verwaltet. Wo andere, technisch weniger versierte Unternehmen einen schlichten mailto-Link applizieren, beschäftigt die Messe AG vermutlich Horden hochqualifizierter Oracle-DBAs für das Stored-Procedure-gesteuerte Erzeugen von transaktionssicheren Webformularen, mit denen man Mail verschicken kann. Falls die Datenbank nicht ausfällt.

Wenn man schon die üblicherweise bevorzugten Medienfuzzis wie nervende Bittsteller behandelt, soll es dem Normalbesucher nicht besser gehen. Suchen Sie mal nach „Open Source“, gerne auch ohne Leerzeichen. Gibts nicht. Open Air schon. XSLT - Fehlanzeige. Jemand, der nach „Web Services“ fragt, erfährt allerdings von WSDL-Systemen. Einziger Aussteller dazu ist, Fachleute ahnen es schon, Novell. Wer sonst beschäftigt sich mit WSDL.

Die Messegesellschaft muss es so genau nicht wissen, denn sie hat mit Web Services ohnehin nichts im Sinn. Warum sollte ein „Kunde“ programmgesteuert Daten abrufen wollen - er kann doch klicken. Oder die Echtzeit am EBI-Schalter totschlagen.

Angesichts des verschnarchten Webauftritts dieses Veranstalters der weltgrößten IT-Messe könnte man dem Ruf nach Innovation und Elite-Universitäten beinahe einen Sinn abgewinnen. (ck)