Interne Apps: Warum sich Mitarbeiter-Apps auch für kleine Unternehmen lohnen

Interne Apps werden oft als Luxus großer Unternehmen angesehen. Doch gerade auch Start-Ups setzen gerne auf Custom Apps. Was sie sich davon versprechen.

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Mechaniker mit Smartphone vor einem Fahrrad

Die Mitarbeiter des E-Bike-Abodienstes Dance arbeiten mit einer internen App, die sie selbst entwickelt haben. Damit sind sie ein Beispiel für kleine und mittelständische Unternehmen, die Custom Apps einsetzen.

(Bild: Dance)

Lesezeit: 7 Min.
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Das Start-up Dance hat es sich in seiner Zentrale im sogenannten Maschinenraum in Berlin-Mitte schön eingerichtet: Gemütliche Sitzmöbel inmitten eines Altbaus mit hohen Decken und grau gestrichenem Klinker, Sprossenfenster und viele Pflanzen – inmitten der tosenden Großstadt ist im Innenhof eines von außen unscheinbaren Gebäudes ein idyllischer Rückzugsort für die Mitarbeiter entstanden. Genauso viel Liebe zum Detail und zum Design widmet der aufstrebende Abodienst für E-Fahrräder und E-Mopeds auch seinen elektronischen internen Tools. Mechaniker, Lageristen und leitendes Personal hangeln sich nicht von Excel-Tabelle zu Excel-Tabelle, sondern können auf iPhone, iPad und Mac auf eine maßgeschneiderte, selbst entwickelte iOS-App zurückgreifen.

Kürzlich erhielt das Start-up in Berlin deshalb prominenten Besuch: Susan Prescott, Vice President für Worldwide Developer Relations and Enterprise & Education Markets bei Apple, kam aus der Apple-Zentrale im kalifornischen Cupertino zu Besuch und ließ sich unter anderem den Einsatz der Custom App bei Dance erklären. Es war ein außergewöhnliches Event für den iPhone-Hersteller, der sonst vor allem für Consumer-Produkte Aufmerksamkeit erhält, selten aber für seine Unternehmenssparte.

Doch der Markt um die Enterprise-Kunden ist hart umkämpft. Auch Mitbewerber Google umgarnt seine Kunden mit dem Versprechen von Sicherheit und Einfachheit. Schließlich hängen an der Entscheidung für eine der Enterprise-Lösungen – seien sie von Apple oder Google – auch ganze Geräteparks, die die Unternehmen einkaufen und regelmäßig erneuern. Und gerade Start-ups versprechen hier die möglichen Großkunden von morgen zu sein, wenn sie erfolgreich wachsen und weitere Märkte erobern.

Für ein kleines oder mittelständisches Unternehmen klingt die Verwendung einer Custom App zunächst einmal exotisch. Eine App zu entwickeln, wird gemeinhin mit viel Aufwand in Verbindung gebracht, auch wenn gerade Apple bemüht ist, immer wieder wieder zu betonen, dass das Erlernen einer Programmiersprache keine große Hürde mehr darstelle. Wenn diese App außerhalb des Unternehmens nicht mal jemand zu Gesicht bekommt und somit kein Marketingnutzen entsteht, stellt sich rasch die Frage, ob nicht auch ein Tool "von der Stange" genügt. Maßgeschneiderte, interne Apps – Custom Apps – werden eher bei Großunternehmen mit Zehntausenden Mitarbeitern erwartet, also dort, wo der hohe Aufwand des Entwickelns sich tausendfach lohnt. Apple selbst wirbt zum Beispiel mit der US-Airline United oder der finnischen Finnair, die Arbeitsabläufe für Piloten, Bodenpersonal und weitere Mitarbeiter über interne Apps abwickeln, die die Öffentlichkeit gar nicht zu Gesicht bekommt.

Bei Dance fiel die Entscheidung für die Entwicklung interner Apps aber gerade aus Effizienzgründen. Abonnenten des Dienstes können eine App für iOS oder Android herunterladen und sich damit mit ihrem Fahrrad verbinden, Fahrten tracken und Reparaturen buchen. Damit diese auf schnellstem Wege in die Einsatzplanung der Mechaniker einfließen, finden die Reparaturaufträge über AWS-Cloud-Server von Dance direkt Eingang in die interne iOS-App Taranis, die auch gleich die optimale Abfolge der Aufträge erstellt, Reparaturanleitungen enthält und direkt mit der Lagerhaltung verbunden ist, sodass Ersatzteile schnell nachbestellt werden können. Die App koordiniert neben Abläufen auch die Arbeitszeiten der Teams. Hat ein Mechaniker seine Arbeit erledigt, geht über die App auch die Benachrichtigung an den Kunden heraus, dass sein Rad jetzt wieder einsatzbereit ist.

Laut Bella Wu, Product Lead bei Dance, schaut das Unternehmen bei der Roadmap für seine interne App schon sehr genau hin, die Ressourcen gezielt einzusetzen. Die Software-Teams begleiten deshalb gerne mal die Mechaniker und andere Mitarbeiter, um ihnen beim Gebrauch der internen App über die Schulter zu schauen. So entstünden die besten Ideen, um die Workflows und die App zu optimieren. Auch das Kundenfeedback genieße einen hohen Stellenwert bei der Weiterentwicklung.

Dance-CEO Eric Quidenus-Wahlforss will sich beim Wachstum seines Unternehmens auf sein Produkt konzentrieren können, sagt er

(Bild: Dance)

Custom Apps finden für die Öffentlichkeit im Unsichtbaren statt. Es genügen im Falle Apples ein Developer-Account oder bei größeren Firmen ein Developer-Enterprise-Account für knapp 100 bzw. 300 Euro, um den Zugang zu erhalten, Apps intern auszuspielen. Das funktioniert genauso wie bei öffentlichen Apps im App Store. Interne Apps müssen auch das sogenannte App Review durchlaufen. Firmen werden dazu angehalten, Testzugänge für die Prüfer bereitzustellen, die aber idealerweise keine echten Daten des Unternehmens anzeigen. Den Prüfern geht es um die Funktionsfähigkeit der Apps, um die Sicherheit und dass die App-Store-Regeln Apples eingehalten werden.

Über den Apple Business Manager kann eine interne App dann automatisch an firmeneigene Geräte ausgespielt werden. Oder sie wird auf Antrag unsichtbar im App Store bereitgestellt. Dann muss derjenige, der sie herunterladen möchte, über den direkten Link verfügen. Ähnliche Angebote offeriert Google seinen Enterprise-Kunden. Die Möglichkeit, interne Apps auszuspielen, geht in der Regel Hand in Hand mit Tools, um die Geräte zu verwalten.

Für Dance war die Entwicklung einer internen App auch deshalb naheliegend, weil das im Jahr 2020 gegründete Start-up schnell expandieren will. Jüngst ging nach Berlin, Hamburg, München und Wien mit Paris die fünfte Stadt an den Start. Um Veränderungen und Standards schnell an alle Standorte ausrollen zu können und beim weiteren Wachstum nicht durch Technikfragen gebremst zu werden, setzt CEO Eric Quidenus-Wahlforss auf eine interne App im Zusammenspiel mit Apple-Geräten. Die Entscheidung hierfür sei auch durch familiäre Passion für Produkte des US-Unternehmens geprägt, räumt er ein, aber sie habe sich für ihn als richtig erwiesen, da Entwicklungs-Tools und Sicherheit als Voraussetzungen auch stimmten.

Susan Prescott, Vice President für Developer Relations bei Apple

(Bild: Apple)

Das hörte Susan Prescott bei ihrem Besuch in Berlin natürlich gerne. Wie viele kleinere Unternehmen auf Custom Apps setzen, sagt Apple zwar nicht. Aber dieser für die Öffentlichkeit kaum sichtbare Bereich stehe auf jeden Fall im Fokus des Unternehmens, sagte sie im Gespräch mit heise online. "Viele Start-ups und Firmen waren zunächst auf B2C (Business-to-customer) fokussiert. Aber interne Tools sind für den Erfolg eben auch sehr wichtig. Das wollen wir weiterentwickeln", erklärt sie. Ob die Entwicklerkonferenz WWDC im Juni hierzu schon etwas bereithalten wird, verrät Apple traditionell nicht im Vorfeld.

Ein weiteres Beispiel, ebenfalls aus Berlin, ist Brammibal’s Donuts, ein 2015 gegründetes Bäckereiunternehmen für vegane Donuts mit Filialen in Berlin und Hamburg. Auch dort wird die Entscheidung für den Enterprise Manager und interne Apps damit begründet, dass die Gründer sich auf ihre Kernthemen konzentrieren wollen, wenn sie expandieren, und nicht auf die Technik. Jeremy Deane, Operations Manager bei dem Start-up, nennt zum Beispiel das Kontrollieren der Bestände in den Cafés als Use-Case und ebenso die Lagerverwaltung in der Bäckerei.

(mki)