KI-Avatare: Mit Algorithmen Kontakt zum Jenseits aufnehmen

Wer früher mit Verstorbenen reden wollte, veranstaltete eine Seance. Heute nutzt er Chatbot-Apps, deren KI mit den Daten Verstorbener trainiert wurde.

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KI-Avatare lassen Tote auferstehen

(Bild: Albert Hulm)

Lesezeit: 14 Min.
Inhaltsverzeichnis

Aktuelle Interviews mit Steve Jobs werden jetzt wieder möglich, wenn man den Verantwortlichen von Sidekik glauben will. Im Mai hat das KI-Unternehmen mit Sitz in Estland und USA eine kostenfreie App für Android und iOS veröffentlicht, die Chats mit einer Reihe internationaler Promis erlaubt. Künstliche Intelligenz soll in diesen Fällen das Sprechverhalten des verstorbenen Apple-Gründers nachempfinden – oder von Paypal- und SpaceX-Gründer Elon Musk, US-Präsident Donald Trump oder dem Dalai Lama. Dahinter steckt der Versuch, die Persönlichkeit eines Menschen oder zumindest einen Teil seiner Überzeugungen und sein Diskussionsverhalten durch Deep Learning auf ein neuronales Netz zu übertragen.

Diese Vorstellung wird Freunde der britischen Mystery-Reihe "Black Mirror" bekannt vorkommen. In der Folge "Wiedergänger – Be right back" erhält die junge Witwe Martha von einem KI-Service das Angebot, sich mit einem Imitat ihres jüngst verstorbenen Mannes Ash zu unterhalten. Sie schaltet dazu Chatverläufe und E-Mail-Zugänge frei und erlaubt sozialen Medien wie Google und Facebook, Ashs Profile bereitzustellen. Bald darauf kann sie online mit der Ash-KI chatten. Später lädt sie auch Sprachaufnahmen hoch und wird bald darauf von der KI persönlich angerufen, mit der Stimme und dem Humor des Verstorbenen. Schließlich bestellt Martha sogar noch einen Ash-Roboter. Doch in der Serie führt diese Technik nicht ins ungetrübte Glück.

Künstlich intelligente Chatbots mit Persönlichkeitszügen lebender und auch bereits verstorbener Promis sind seit Mai per App ansprechbar; von links: der Dalai Lama, Steve Jobs, Neil deGrasse Tyson, Donald Trump und Elon Musk.

(Bild: Sidekik)

Folgt die Entwicklung tatsächlich der Utopie der Serienmacher? Es gibt Parallelen. "Wir setzen beim Training unserer Sidekik-KI auf Textdaten, beispielsweise auf Interviews, öffentliche Reden und Vorträge, Tweets, Blog-Posts und so weiter", sagt Johannes Tammekänd, CEO und einer der Gründer der Firma. Das Unternehmen ziele zusätzlich auf Endnutzer ab, die sich einen Chatbot wünschen, der wie der Besteller selbst reagiert oder wie ein verstorbener Freund oder Verwandter. Die Kunden können die KI ihres Chatbots zusätzlich mit privaten E-Mails und den Posts aus sozialen Netzwerken trainieren lassen. Allerdings spricht man bei Sidekik nicht von Chatbots, sondern von "digitalen Menschen". Der Service ist derzeit auf die englische Sprache beschränkt. Die ersten Bestellungen seien bereits in Arbeit, berichtet Tammekänd. Im kommenden Jahr werde dieser Dienst einer breiten Öffentlichkeit angeboten.