Kernel-Log: Intel-Grafiktreiber und Util-Linux aktualisiert

Intels neueste Grafiktreiber unterstützen Ivy-Bridge-CPUs und OpenGL 3.0 – letzteres aber nur, wenn Mesa[ ]3D eine vermutlich patentierte Technik nutzt. Die neue Version der Standard-Werkzeugsammlung Util-Linux enthält mehrere neue Programme. Außerdem: Videos von der Embedded Linux Conference.

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Von
  • Thorsten Leemhuis
Inhaltsverzeichnis

Intel-Entwickler haben das Intel Linux Graphics Package 12.02 freigegeben, das OpenGL 3.0 beherrscht, den Embedded Display Port besser unterstützt und einige Stabilitätsprobleme behebt. Ferner gilt die Unterstützung der Ivy-Bridge-Prozessoren nun als stabil; diese ursprünglich zu Ostern erwarteten Nachfolger der Sandy-Bridge-CPUs sollen nach neuesten Informationen wohl erst im Mai oder Juni auf den Markt kommen. Mit dem neuen Grafiktreiberpaket haben die Entwickler das Versionsschema angepasst, das sich nun an Erscheinungsmonat und -Jahr orientiert. In Zukunft will Intel häufiger neue Versionen veröffentlichen; bislang erschien typischerweise eine pro Quartal.

Zum Treiberpaket gehört unter anderem die kurz zuvor veröffentlichte Version 2.18.0 des Intel-Treibers für den X-Server von X.org. Weitere Bestandteile sind Mesa 3D 8.0.1, das kürzlich einige Fehler des noch jungen Mesa 3D 8.0 korrigiert hat. Zum Paket gehören ferner der Linux-Kernel 3.2, Libdrm 2.4.31 sowie die für Video-Beschleunigung zuständige Komponenten libva 1.0.15 und vaapi-driver-intel 1.0.15; getestet hat Intel diese Bausteine in Kombination mit einem X-Server 1.11.1.

Diese Komponenten einzuspielen erfordert fortgeschrittene Linux-Kenntnisse und einiges an Zeit. Die meisten Anwendern können sich die Mühe jedoch sparen, denn Bausteine des Intel-Treiberpakets dürften in die Linux-Distributionen einziehen, die in den kommenden Wochen und Monaten erscheinen – etwa das im April erwartete Ubuntu 12.04 LTS oder das für Mai geplante Fedora 17. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob diese Distributionen volle Unterstützung für OpenGL 3.0 bieten, denn dazu muss bei der Konfiguration der Mesa-3D-Quellen vor dem Kompilieren das Configure-Flag "--enable-texture-float" gesetzt sein, wie Intel erläutert. Die darüber aktivierte Code zur Verarbeitung von Floating-Point-Texturen nutzt aber eine durch ein SGI-Patent geschützte Technik, wie ein Hinweis in den Mesa-Quellen erläutert. Erfahrungsgemäß vermeiden einige Distributionen den Einsatz von Techniken, bei der Patentklagen drohen; Fedora etwa setzt das Configure-Option derzeit nicht.

Bereits Mitte des Monats hatte Intel-Entwickler Eugeni Dodonov einen seiner unregelmäßigen erscheinenden Zusammenfassungen der jüngsten Entwicklungen rund um die Linux-Treiber für Intel-Grafikchips veröffentlicht. Dort erwähnt er Patches, die Probleme rund um die Stromspartechnik RC6 beheben sollen. Einige Patches von Dodonov zogen einige Tage später in den Hauptentwicklungszweig von Linux ein. Darunter einer, durch den der Kernel nicht mehr in den RC6-Stromsparmodus "RC6p" wechselt, sofern der Anwender Intels GPU-Stromspartechnik manuell einschaltet. Die Änderung enthält aber einen Fehler, der RC6 versehentlich komplett lahmlegt; in den aktuellen Vorabversionen von Linux 3.3 wurde das bislang nicht korrigiert. Einige alternative Patches, die eine zuverlässige Nutzung von RC6 ermöglichen sollen, finden sich auch über die Seite zu Intels oben erwähntem Treiberpaket.

Die Util-Linux-Version 2.21 erweitert die von allen großen Linux-Distributionen eingesetzte Werkzeugsammlung um einige neue Tools und verbessert bestehende. Neu ist etwa prlimit, das zusammen mit aktuellen Kernel-Versionen die Ressourcen limitieren kann, die ein Prozess nutzen darf; dabei soll es mehr Möglichkeiten bieten und flexibler sein als das in der Bash eingebaute ulimit. Einige Hintergründe und Einsatzbeispiele zu dem Kommandozeilenwerkzeug liefert Util-Linux-Hauptentwickler Karel Zak in einem Blogeintrag. In seinem Blog beschreibt er auch einige Neuerungen des vollständig umstrukturierten Programms login, das nur noch PAM-Authentifizierung unterstützt und einige der Funktionen erhielt, die sich bislang vornehmlich in der von Suse eingesetzten Variante des Programms fanden.

Auch das Werkzeug losetup wurden komplett neu geschrieben und kann dadurch nun etwa die bei Linux 3.1 eingebauten Funktionen nutzen, um Images ohne Root-Rechte einzubinden. Das Programm partx unterstützt nun partitionierte Datenträgerimages. Neu ist das Programm chcpu, das unter anderem nach neuen CPUs suchen kann und CPUs ein- und ausschaltet; es kann zudem weitere Prozessorkerne beim Hypervisor anfordern oder diese zurückgeben. Das Programm wipefs erhielt einige neue Funktionen, um Datenmüll zu entfernen, der bei einer Neueinrichtung eines Datenträgers möglicherweise stört – etwa Reste von Dateisystemen und alten Partitionstabellen sowie für LVM2 oder Mdadm wichtige Metadaten.

Greg Kroah-Hartman hat den Longterm-Kernel 3.0.22 und den Stable-Kernel Linux 3.2.7 freigegeben. Zum Wochenbeginn hat er den Stable-Kernel 3.2.8 nachgelegt. Ähnlich wie kürzlich die Linux-Versionen 3.0.20 und 3.2.5 enthält diese Version etwas gewagtere Änderungen als üblich. Kernel 3.2.8 soll allerdings ncht wie diese ein Stromspar-Problem beseitigen, sondern einige kürzlich mit der vierten Vorabversion von Linux 3.3 korrigierte Probleme ausräumen, die unter anderem zu Übertragungsfehlern beim Einsatz von WPA2 führten. Dieses Problem tritt allerdings nur beim Einsatz eines 32-Bit-Kernels auf x86-Prozessoren mit AES-NI-Unterstützung auf, weil der Kernel dort bislang den Zustand der FPU (Floating-Point Unit) in bestimmten Situationen nicht korrekt wiederherstellt; laut Freigabe-Mail enthält der Kernel aber auch einige Änderungen, die x86-64-Kernel betreffen.

Direkt nach der Freigabe von 3.2.8 hat Greg Kroah-Hartman Vorabversionen von Linux 3.0.23 und 3.2.9 veröffentlicht; die Begutachtungsphase läuft bis mindestens Donnerstag früh.

Linus Torvalds hat derweil die fünfte Vorabversion von Linux 3.3 veröffentlicht. Laut Freigabe-Mail ist nichts ungewöhnliches vorgefallen; die Entwicklung von Linux 3.3 beruhige sich langsam.

Rafael J. Wysocki hat kürzlich zwei neue "Regression Reports" an die LKML gesandt, in denen er die bekannten Fehler aufzählt, die der Hauptentwicklungszweig von Linux derzeit noch zeigt. Der erste listet Bugs, die vermutlich Änderungen ausgelöst haben, die zwischen Linux 3.1 und 3.2 eingeflossen sind; die zweite Mail nennt solche, an denen Anpassungen nach 3.2 schuld sind. Bis zum Spätsommer 2011 erschienen diese Berichte typischerweise wöchentlich – durch den Einbruch bei Kernel.org war jedoch den Kernel Bug Tracker bugzilla.kernel.org lange offline und hat das Erstellen der Fehlerberichte behindert.

In einem Bericht betont Wysocki, er und sein Mitstreiter würden Bugzilla nutzen, um einen Überblick über die bekannten Fehler zu behalten; sie würden von den Kernel-Entwicklern nicht erwarten, dass diese sich dort einbringen. Das dürfte eine Reaktion auf einen Google-Plus-Beitrag sein, in dem Greg Kroah-Hartman ankündigte, die Fehlerdatenbank nicht mehr zu verwenden. Sie passe nicht in den gewohnten Arbeitsfluss; er rät bei Fehlern oder Problemen zum Senden von E-Mails. In den Kommentaren wird angemerkt, per E-Mail eingehende Informationen würden leicht vergessen. Das sehen einige Entwickler als Vorteil; Netzwerk-Subsystem-Maintainer David S. Miller merkte an, wichtige Fehler würden erneut gesendet.

Die Linux Foundation hat Videoaufzeichnungen von vielen Vorträgen veröffentlicht, die kürzlich auf der Embedded Linux Conference und dem Android Builder's Summit gehalten wurden (1, 2). IBM-Mitarbeiter und Linaro-Entwickler Arnd Bergmann erläutert in seinem Vortrag "ARM Subarchitecture Status" einige Hintergründe zu den Aufräumarbeiten, Umbauten und neuen Arbeitsweisen, mit der die Entwickler die ARM-Unterstützung im Kernel verbessert haben und weiter verbessern wollen, nachdem sich Linus Torvalds vor einigen Monaten sehr deutlich über die dort herrschende Unordnung beschwert hatte. Bergmann erwähnt eine Reihe von Verbesserungen, die bereits umgesetzt wurden – darunter die Unterstützung für Device Trees im ARM-Code, deren erste Teile in Linux 3.0 einzogen. Zudem sei ein Durchbruch der Bemühungen absehbar, durch die ein einzelnes Kernel-Binary (zImage) auf einer Reihe ganz unterschiedlicher ARM-Plattformen booten könne.

Lucas De Marchi gibt in seinem Vortag "Managing Kernel Modules With kmod" einen Überblick über Kmod, dass bei den ersten Linux-Distributionen die Werkzeugsammlung Module-Init-Tools ersetzt hat, zu denen unter anderem lsmod oder modprobe gehören. Red-Hat-Entwickler Steve Rostedt erläutert in "Automated Testing With ktest.pl" den Einsatz des Test-Werkzeugs ktest.pl, dass dem Kernel beiliegt und bestimmte Test-Prozeduren automatisieren kann. Wie man mit dem maßgeblich von Rostedt vorangetriebenen Tracing-Tool Ftrace die Ursachen von Performance-Problemen aufspürt, erläutert Kobayashi Yoshitake in seinem Vortrag "Ineffective and Effective Ways To Find Out Latency Bottlenecks With Ftrace". LWN.net-Chef und Kernel-Entwickler John Corbet hat eine aktuelle Fassung seines bekannten "Kernel Report" zum Besten gegeben, in dem er wie schon auf vielen anderen Konferenzen zuvor die aktuellen Entwicklungen beim Linux-Kernel zusammenfasst.

Kernel

  • Christoph Hellwig erwähnt im "XFS status update for January 2012", Linux 3.2 enthalte einige Verbesserungen, die das Entfernen von Dateien mit Attributen beschleunigen, die in externen Blocks liegen.
  • Greg Kroah-Hartman, der seit Anfang des Monats bei der Linux Foundation als Fellow tätig ist, erläutert in einem Blog-Eintrag einige Aufgaben, um die er sich nun im Rahmen seiner Arbeit und anderweitig kümmert.
  • Luis Rodriguez hat Dokumentation für das Compat-Framework veröffentlicht, mit dessen Hilfe er die Compat-Wireless genannten Software-Archive erstellt, mit denen sich die WLAN-Treiber aktueller Linux-Kernel für ältere Kernel übersetzen lassen.

Unterstützung für Grafikhardware

  • Die Entwickler des proprietären AMD-Grafiktreibers wollen sich der Probleme annehmen, die Kwin zeigt, wenn man den von KDE verwendeten Compositing Window Manager mit OpenGL-2-Untersützung verwendet. Das geht aus einem Kommentar eines AMD-Entwickler zu einem Eintrag im inoffiziellen Bug-Tracking-System des Fglrx/Catalyst-Treibers hervor, in dem ein Anwender darauf hinwies, dass die Kwin-Enwtickler möglicherweise mittelfristig die OpenGL-1.x-Unterstützung entfernen, die Kwin bei AMDs Treiber bislang bevorzugt.
  • Dave Airlie arbeitet an einem DRM/KMS-Treiber für die Technik DisplayLink zum Ansteuern von USB-Bildschirmen. Zudem hat Airlie die erste Version des Treibers xf86-video-modesetting veröffentlicht und weniger später die Version 0.2.0 nachgelegt. Dieser Treiber für den X-Server von X.org ist nicht für einen bestimmten Grafikchip geschrieben, sondern arbeitet mit beliebigen KMS-Treibern im Kernel zusammen, die sich um die Bildausgabe und das Einstellen der Bildschirmauflösung kümmern müssen – letztlich ähnelt der Ansatz dem Fbdev-Treiber, der die Hauptarbeit den Framebuffer-Treibern des Kernels überließ. Der Modesetting-Treiber bietet keine Beschleunigungsfunktionen jenseits von Shadowfb. Er sollte sich beispielsweise mit dem KMS-Treiber für Intels GMA500-Grafikkern nutzen lassen, der mit Linux 3.3 den Staging-Zweig verlässt.
  • Laurent Pinchart hat Notizen einiger Diskussionen veröffentlicht, die einige Entwickler kürzlich auf dem "Kernel Display and Video API Consolidation mini-summit" im Rahmen der Embedded Linux Conference 2012geführt haben. Demnach wollen die Entwickler unter anderem darauf hinarbeiten, die Funktionen zum Ansteuern eines Grafikkerns von jenen zu trennen, die sich um Aufgaben wie das Ansteuern und Einstellen des Bildschirms kümmern.

Kernel-Umland ("Plumbing layer"), Userland-Treiber, Entwicklertools, ...

  • Die Entwickler des Gphoto-Projekts haben die Version 2.4.13 der Bibliothek libgphoto2 freigegeben, auf die viele Programme zurückgreifen, um mit Hilfe von PTP oder MTP auf Digitalkameras oder Multimedia-Player zuzugreifen.
  • In seinem Bestreben, auf die Probleme von Bufferbloat hinzuweisen, hat Jim Gettys einige Hinweise gesammelt, wie man prüft, ob und wie stark sich Bufferbloat bei der eigenen Netzanbindung zeigt.
  • Theodore 'tytso' Tso hat die Version 1.42.1 der Ext-Dateisystemwerkzeuge e2fsprogs freigegeben; sie soll unter anderem den Speicherverbrauch beim Anlegen oder Prüfen sehr großer Dateisysteme erheblich reduzieren.
  • Das kürzlich veröffentlichte lsscsi 0.26 bringt Funktionen, um den WWN (World Wide Name) von Datenträgern anzuzeigen, der insbesondere bei Fibre-Channel- und SAS-Hardware zur Datenträger-Identifikation zum Einsatz kommt.

LKML-Diskussionen

  • Auf der LKML ist mal wieder der Vorschlag aufgekommen, die zum Kernel gehörenden Treiber in den Userspace zu verlagern. Einige der langjährigen Kernel-Entwickler wie Mauro Carvalho Chehab (1, 2), Theodore 'tytso' Tso (1, 2) und insbesondere Greg Kroah-Hartman (Sub-Thread) haben in Beiträgen zu der noch laufenden Diskussion erläutert, warum das ihrer Meinung nach keine gute Idee sei. Sie führen unter anderem an, ein Verschieben des Codes würde manche Probleme nur verlagern; die Qualitätssicherung sei zudem schwieriger und die Performance mancher Treibern schlechter. Die Kernel-Entwickler führten auch an, es sei ein Vorteil, Treiber und die von ihnen genutzten Infrastruktur in einem Rutsch an neue Umgebungsparameter anpassen zu können, wenn das nötig ist.
  • Tejun Heo hat einige Überlegungen zu einer Umarbeitung der Control Groups (Cgroups) zur Diskussion gestellt; Letztere sind bei einigen Kernel-Entwickler alles andere als beliebt, werden aber mittlerweile bei einigen Linux-Distributionen standardmäßig verwendet.

Weitere Hintergründe und Informationen rund um Entwicklungen im Linux-Kernel und dessen Umfeld finden sich in den vorangegangenen Kernel-Logs auf heise open und in c't. Neue Ausgaben des Kernel-Logs werden auf den Identi.ca- und Twitter-Konten "@kernellog" erwähnt; die englischen, bei den Kollegen von "The H" erscheinenden Übersetzungen auf den Identi.ca- und Twitter-Konten "@kernellog2". Gelegentlich zwitschert der Autor des Kernel-Logs unabhängig davon über einige Kernel-Log-Themen bei Identi.ca und Twitter als "@kernellogauthor". (thl). (thl)