Krankenhaus, Restaurant, Bahnhof: Wie Roboter in Japan zu Dienstleistern werden

Bisher waren Roboter im Alltag eine Sensation. In Japan gehören sie immer mehr zum Stadtbild.

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Unterwegs im Geschäftsviertel Marunouchi, wo der Verkaufsroboter Hacobo Getränke und Snacks verkauft.

(Bild: Panasonic)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Martin Kölling
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Panasonics Verkaufsroboter Hacobo stellt sich für ein Fan-Foto in Positur. Mitten in der Fußgängerzone im Highend-Geschäftsviertel Marunouchi bleibt der fahrbare Auslieferungsroboter für den Kunden, der sich mit ihm fotografieren will, freundlich blinzelnd auf der Straße stehen. Dann bietet er seine Waren feil: Ein paar Flaschen Limonade oder Spielzeuge gibt der Roboter gegen Bezahlung frei.

Seit Anfang Dezember 2022 läuft diese Demonstration in dem exklusiven Viertel zwischen dem Bahnhof Tokio und dem Kaiserpalast, das der große Immobilienbesitzer Mitsubishi Real Estate zum urbanen Freilandlabor für neue Arbeits- und Lebensformen ausbauen will. Es war nicht der erste Robotertest und wird auch nicht der letzte bleiben. Denn in Japan rücken Roboter auf breiter Front in den Alltag vor.

Ein paar Kilometer entfernt testen die Eisenbahngesellschaft JR East und der Telekommunikationskonzern KDDI einen Auslieferungsroboter von ZMP, einem Tokioter Pionier im Roboterdesign. ZMPs Minimobil soll in einem Gebäude am Bahnhof Meguro autonom Bento-Boxen ausliefern und gleichzeitig eine Art Betriebssystem für die digitale Stadt ausprobieren.

Das Ziel der Partner ist, eine Umgebung für fortschrittliche digitale Dienste und Roboter aller möglicher Firmen zu schaffen. Auch Sicherheitsroboter anderer Hersteller werden daher eingesetzt, um den gemeinsamen Betrieb verschiedener Maschinen zu testen. Auch in anderen Sektoren der japanischen Wirtschaft nimmt die Konkurrenz der Roboter zu.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Ein Beispiel ist das Krankenhauswesen. Bisher dominierte Panasonic den bislang extrem kleinen Markt für Transportroboter in Spitälern mit seinem Hospi. Aber die Konkurrenz wittert nun einen Durchbruch für die autonomen Dienstboten. Der Schwerindustriekonzern Kawasaki Heavy, der einer der größten Industrieroboterhersteller der Welt ist, testet mit dem Fujita Medical College und zwei weiteren Unternehmen einen Hospi-Rivalen im Krankenhausalltag.

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Noch weiter ist der Einsatz von Robotern für Gaumen und Gemüt. Die Restaurantkette Skylark hat im vergangenen Jahr landesweit 3.000 autonome Serviertische mit großen Displays als Kommunikationsfläche in seinen Zweigstellen eingestellt. Dabei handelt es sich um "BellaBots" des chinesischen Unternehmen Pudu Robotics, für die Skylark im Alltag nun die digitale Jobbeschreibung erarbeitet.

Die rivalisierende Bar- und Grillfleisch-Kette Watami beginnt eine zweite Testphase von einem anderen Pudu-Modell, dem KellyBot, der zusätzlich an der Front ein großes Display für beispielsweise Werbung mit sich führt. Das Gerät dient nicht nur als rollender Tisch, sondern kann auch als virtueller Kellner eingesetzt werden.

Das Ziel der Restaurantbetreiber ist dabei weniger Gewinnmaximierung als -sicherung: Beim Pionier der alternden Gesellschaft schrumpft die Bevölkerung seit mehr als zehn Jahren. Damit wächst der Arbeitskräftemangel – und die Gefahr für Dienstleister und Gaststätten, wegen fehlenden Personals auf Umsatz verzichten zu müssen.

Auf der US-Elektronikmesse CES sammeln derweil japanische Roboter für das Familienleben Auszeichnungen ein. Das Roboter-Start-up Enabot, das sich auf Familienroboter konzentriert, erhielt einen Innovationspreis für seinen Ebo X, eine Kugel mit Kamera, die auf zwei Rädern durch die Wohnung flitzt. Das Modell kann sich in der Wohnung autonom bewegen, die Gesichter seiner Herrchen und Frauchen erkennen, mit ihnen kommunizieren, auf sie aufpassen und bei einem Sturz von Senioren Hilfe rufen. Amazons Sprachdiener Alexa bildet dabei das kommunikative Gerüst.

Einen weiteren Preis heimsten die Roboterdesigner von Yukai Engineering ein. Sie entwickelten das Kuschelkissen Fufuly, das dem Homo Digitalis durch Technik zum Abbau von Ängsten und Stress dienen soll. In den Arm genommen fängt es an zu "atmen", den Atemrhythmus mit dem des Menschen zu synchronisieren und dann so den Menschen zu beruhigen. Man sieht: Für jeden Bedarf gibt es den richtigen Roboter – zumindest in Japan.

(jle)