Verkaufsstart: Lila Tomaten und leuchtende Petunien für 73 Dollar

Erste Biotechnologie-Unternehmen verkaufen gentechnisch veränderte Pflanzen an Privatpersonen.​ Damit kann ich nun erstmals Biotech in meinem Garten anpflanzen.

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(Bild: Light Bio)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Antonio Regalado
Inhaltsverzeichnis

Meine Garten-Saison startet dieses Jahr erstmals mit Biotech: eine hellviolette Tomate und eine Petunie, die im Dunkeln leuchtet. Beides habe ich für 73 Dollar mit wenigen Mausklicks online bestellt.

Biotech-Saatgut ist schon seit einiger Zeit ein riesiges Geschäft. Tatsächlich sind gentechnisch veränderte Organismen (GVO), gemessen an ihrer schieren Masse, wahrscheinlich die bedeutendsten Gentechnik-Produkte überhaupt. Nur pflanzen Privatpersonen keine Baumwoll- oder Maisreihen, die gegen Würmer resistent sind oder eine Dosis des Unkrautvernichtungsmittels Roundup überleben – die großen Gen-Splicing-Innovationen, die Unternehmen wie Monsanto und Pioneer Hi-Bred in den neunziger Jahren erstmals eingeführt haben.

Das Besondere an diesen neuen Pflanzen ist, dass man sie direkt von ihren Erzeugern kaufen und dann im Garten, auf dem Balkon oder einfach in einen Topf pflanzen kann. Zu Beginn meiner Biotech-Einkaufstour habe ich zunächst 20 Dollar ausgegeben, um zehn Tomatensamen bei Norfolk Health Produce zu bestellen, einem kleinen Unternehmen im kalifornischen Davis, das die sogenannte Purple Tomato entwickelt hat. Die Samen enthalten ein Gen aus der Löwenmäulchen-Blume, das den Farbstoff Anthocyan kodiert, der den Früchten auch ihre auffällige Farbe verleiht.

Die Tomate ist "die erste gentechnisch veränderte Lebensmittelpflanze, die direkt an Hausgärtner vermarktet wird", sagt Channa S. Prakash, Genetikerin und Dekanin an der Tuskegee University im US-Bundesstaat Alabama.

Der Geschäftsführer des Unternehmens, Nathan Pumplin, verpackt gerade Samen, als ich ihn telefonisch erreiche. Anthocyane hätten gesundheitliche Vorteile, sagt er – sie sind Antioxidantien – aber er stimmt zu, dass die Farbe ein nützliches Verkaufsargument ist. "Ich muss kein Etikett machen, auf dem steht, dass diese rote Tomate besser für Sie ist als die andere rote Tomate", sagt Pumplin. "Wir können einfach die violette Tomate auf den Markt bringen, und die Leute sagen: 'Oh mein Gott, diese Tomate ist violett.' Ihre Schönheit ist ein Unterscheidungsmerkmal, das die Leute sofort sehen und verstehen können."

Angerichtet: Lila Tomaten an Salat.

(Bild: Northfolk Healthy Produce)

Die violetten Tomaten sollen für den Verkauf in Supermärkten produziert werden. Das Unternehmen will aber auch die Tausenden von Hobbygärtner-Anfragen nicht ignorieren, sagt Pumplin. "Das ist zwar nicht der Schwerpunkt unseres Geschäfts, aber wir sind sehr daran interessiert, dass die Leute diese Tomaten zu Hause anbauen", sagt er. "Und wenn Hausgärtner das Saatgut aufbewahren und in ihren Gärten für den Eigengebrauch wieder einpflanzen wollen, ist das in Ordnung."

Als Nächstes entschied ich mich für die "Glühwürmchen-Petunie", die so heißt, weil die Pflanze im Dunkeln leuchten soll. Entwickler und Verkäufer ist das Start-up Light Bio, das von der Risikokapitalfirma NFX unterstützt wird.

Die Pflanze ist eine solche Neuheit, dass sie per Vorbestellung verkauft wird, mit einem Lieferversprechen bis Mai. Eine einzelne Petunienpflanze kostet 29 Dollar plus 24 Dollar für den Versand. Das Marketing des Unternehmens verspricht, dass die Pflanze nach Einbruch der Dunkelheit ein "faszinierendes Leuchten" entfaltet und dass "ihr beruhigendes Licht aus lebendiger Energie erzeugt wird, die eine tiefere Verbindung mit dem Innenleben der Pflanze herstellt". Und schließlich: "Ihre Pflege wird mit noch größerer Leuchtkraft belohnt".

Die Blume reiht sich in eine kurze Liste von Zierpflanzen mit Genveränderungen ein. Ein weiteres Beispiel ist die 2021 in den USA zugelassene orangefarbene Petunie, die ihre ungewöhnliche Farbe von einem Maisgen erhielt. (Als sich einige Exemplare vor der Zulassung verbreiteten, forderten Beamte in den USA und Europa ihre Ausrottung. Das Ereignis wurde was als "Petunien-Massaker" bekannt).

Karen Sarkisyan, ein synthetischer Biologe am MRC Laboratory of Medical Sciences im Vereinigten Königreich, ist einer der Erfinder der Petunie und auch der leitende Wissenschaftler von Light Bio. Sein Labor ist daran interessiert, die Biolumineszenz als Reportersystem zu nutzen – eine Pflanze könnte in Laborexperimenten beispielsweise zeigen, wie sie auf ein Toxin oder eine Virusinfektion reagiert.

"Im Allgemeinen versuchen wir, nützliche Dinge herzustellen, daher ist dies eher eine Ausnahme", sagt er über die Glühwürmchen-Petunie. "Die Motivation war eher die Verschmelzung von Biologie und Kunst als ein Nutzen."

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Wie vieles in der Biotechnologie war es nicht einfach, eine leuchtende Petunie herzustellen. Sie ist das scheinbar plötzliche Ergebnis jahrzehntelanger Forschung über die Chemie, die es bestimmten Pflanzen und Tieren ermöglicht, schwach zu leuchten. Diese genetischen Schaltkreise in Pflanzen einzubauen, funktionierte anfangs nicht besonders gut. So scheiterte vor einigen Jahren ein Kickstarter-Projekt, bei dem fast 500.000 Dollar für die Herstellung leuchtender Rosen gesammelt wurden, nachdem sich das Projekt als zu schwierig erwiesen hatte.

"Es war ziemlich offensichtlich, dass es zu diesem Zeitpunkt keine gute Technologie gab", sagt Sarkisyan. Er spielte später eine Rolle bei der Entdeckung von Genen eines Leuchtpilzes, die, nachdem sie einer Petunie hinzugefügt wurden, diese hell genug leuchten ließen, um als Neuheit zu funktionieren.

Glow in the Dark - Petunien (5 Bilder)

Leuchtende Tabakpflanzen waren der Vorgänger der leuchtenden Petunien.
(Bild: Light Bio)

Diese Arbeit wird fortgesetzt. Laut Sarkisyan will das Unternehmen "die Helligkeit erhöhen und mehr Farben herzustellen". Es arbeitet auch daran, andere Pflanzenarten zum Leuchten zu bringen. Welche das sind, soll noch ein Geheimnis bleiben. "Ich kann mich nicht wirklich zu bestimmten Arten äußern, an denen wir arbeiten", sagt er, zeigt mir aber ein Foto einer spektakulär leuchtenden Chrysantheme.

Sarkisyan erzählt, dass er sich manchmal gerne inmitten der leuchtenden Pflanzen entspannt und eine meditative Erfahrung macht. Ironischerweise kann er das nur im Labor tun und nicht zu Hause, da er im Vereinigten Königreich lebt. Das Land, das eine strengere Haltung gegenüber GVO einnimmt, hat die Pflanzen nicht für den Verkauf zugelassen, ebenso wenig wie der Rest von Europa.

Aber er glaubt, dass die Petunie die Kritiker überzeugen könnte. "Vor allem bei all dem Gerede und den Bedenken über gentechnisch veränderte Pflanzen ist dies das erste Mal, dass es eine sichere, freundliche und angenehme gentechnisch veränderte Zimmerpflanze in jedem Haus geben kann", sagt er. "Wir halten es für ein sehr interessantes Projekt, weil es eines der ersten in der Verbraucher-Biotechnologie ist. Ich glaube, dass wir in Zukunft mehr und mehr davon sehen werden."

Noch liegt in meinem Garten Schnee. Meine Tomatensamen und leuchtenden Petunien sind noch nicht mit der Post gekommen, aber ich hoffe, dass ich im Frühjahr meine erste Biotech-Pflanze in die Erde bringen kann.

(jle)