Mensch mit H5N1-Virus infiziert: Was der Fall von Vogelgrippe bedeutet

Erstmals wurde der aktuell grassierende Stamm des Vogelgrippe-Erregers im Menschen diagnostiziert. Eine Einordnung, wie das Pandemie-Risiko aussieht.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 80 Kommentare lesen
Paramedic,Wearing,Personal,Protective,Equipment,Ppe,Holding,Folder,Standing,In

(Bild: Cryptographer/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.

Der Vogelgrippe-Virus H5N1 sorgt seit anderthalb Jahren immer wieder für Schlagzeilen. Der Krankheitserreger wurde fast überall auf der Welt gesichtet, nicht nur in Vögeln, sondern auch in Säugetieren wie Nerzen, Füchsen oder Seelöwen – und im Menschen. Erst gestern meldete die internationale Nachrichtenagentur BNO News einen Fall aus der ostchinesischen Provinz Jiangsu. Dort war offenbar eine 53-jährige Frau nach Kontakt mit Federvieh erkrankt. Im Februar wurde sie positiv auf H5N1 getestet.

Das Besondere an diesem Fall ist, dass der aktuelle Virus-Stamm namens 2.3.4.4b der Auslöser der Infektion war. Diese hoch ansteckende Variante kursiert mittlerweile auf der ganzen Welt – selbst in Ländern, in denen die Vogelgrippe zuvor nie aufgetreten ist. Die Situation sei besorgniserregend, sagte die WHO-Expertin Sylvie Briand gegenüber BNO News. "Die WHO nimmt die Gefahr durch das Virus ernst und fordert von allen Ländern erhöhte Wachsamkeit."

Ältere Stämme des H5N1-Virus wurden in den letzten Monaten mehrfach in Menschen gefunden. Letzte Woche starb ein elfjähriges Mädchen in Kambodscha an der Vogelgrippe. Auch ihr Vater sei infiziert gewesen, berichtete die Weltgesundheitsorganisation WHO. Im Januar wurde ein neunjähriges Mädchen in Südamerika positiv auf das Virus getestet. Und im September tötete der Krankheitserreger eine 38-jährige Frau im chinesischen Guangxi. Seit 2003 haben sich laut der WHO weltweit mehr als 860 Menschen mit dem H5N1-Virus angesteckt, in rund 450 Fällen endete die Infektion tödlich.

Gehäufte Übertragungen von Mensch zu Mensch, die eine Voraussetzung für eine Pandemie wären, sind bisher nicht bekannt. Doch dass es dazu kommen kann, ist nicht ausgeschlossen und die zurzeit größte Sorge vieler Fachleute. Die Bedenken sind gewachsen, seit das Virus H5N1 immer öfter auch in Säugetieren gefunden wurde, denn dadurch steigt das Risiko für Anpassungsmutationen. Besonders hoch ist die Gefahr an Orten, wo Säugetiere eng zusammenleben, etwa in der Massentierhaltung. Dort steige zudem die Gefahr, dass sich aus verschiedenen Influenza-Viren gefährliche neue Stämme und Subtypen bildeten, heißt es aus der Weltorganisation für Tiergesundheit WOAH.

Grund zur Panik besteht aber laut dem Virologen Christian Drosten von der Charité Berlin zurzeit nicht. "Begrenzte Infektionen zwischen Menschen sind zwar in der Vergangenheit durchaus schon beschrieben worden, erreichen aber bei Weitem nicht die Effektivität, die am Anfang einer Pandemie beim Menschen stünde“, sagte er kürzlich dem Ärzteblatt. "Im Genom der bisher analysierten Viren wurden in manchen Fällen schon erste Anpassungsmutationen an Säugetiere gesehen. Diese sind allein aber noch kein Alarmsignal." Gleichwohl plädiert der Wissenschaftler dafür, die Impfstoffentwicklung auf einen möglichen Pandemiefall vorzubereiten.

Für viele Tiere ist die Situation allerdings auch ohne Pandemie dramatisch. Sie sterben in Massen, entweder direkt durch die Vogelgrippe oder weil sie getötet werden, um eine Ausbreitung zu verhindern. Seit Anfang 2022 wurde das H5N1-Virus zum Todesurteil für mehr als 100 Millionen Geflügeltiere, allein in den USA und in Europa. Nerze, Seelöwen und Füchse sind da noch nicht einmal mitgerechnet.

(jle)