Nissan Sakura: Testfahrt mit Japans preiswertestem Elektroauto

Bei E-Autos wetteifern westliche Hersteller mit schnellerer Beschleunigung und höherer Reichweite um Kunden. Nissan geht mit dem Mini Sakura einen anderen Weg.

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Der Mini Sakura ist ein sogenanntes Kei-Car.

(Bild: Nissan)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Martin Kölling

Elektroautos sind meist entweder teuer – oder wirklich billige Blechschachteln wie die 5.000-Dollar-Stromer in China. Der japanische Autohersteller Nissan hat jetzt ein Modell auf den Markt gebracht, der so etwas wie die Quadratur des Elektroauto-Kreises schaffen will: einen recht gut ausgestatteten Viersitzer, dessen Einstiegsmodell inklusive staatlicher Subventionen 12.000 Euro (rund 1,7 Millionen Yen) kostet.

Sakura, Kirschblüte, hat der Partner von Renault und Mitsubishi Motors das Gefährt genannt. Es handelt sich dabei um ein Vehikel aus der Gattung der Kei-Cars. Dies ist eine – ehemals deutlich – steuerbegünstigte Klasse an Mini-Autos mit maximal 1,48 Meter Breite, 3,4 Meter Länge, "Motörchen" mit 660 Kubikzentimetern Hubraum (im Falle von Verbrennern) und 64 Pferdestärken.

Dieses Segment ist in Japan sehr beliebt, es nimmt in der Regel ein Fünftel bis ein Viertel des Kraftfahrzeugmarkts ein. Nissan will nun mit dem Sakura in dieser Klasse Masse und Kasse machen. Mein erster Eindruck einer kurzen Testfahrt in Yokohama vorweg: Es könnte klappen, trotz Nissans Geheimrezept für den vergleichsweise niedrigen Preis. Doch dazu mehr am Schluss.

Ich bin schon mehrere Elektroautos der Nissan-Renault-Mitsubishi-Allianz gefahren, zuletzt den Nissan Ariya. Dabei handelt es sich um Nissans Vorstoß in die Welt elektrischer SUVs. Die Fahrt war ok, die Beschleunigung elektroautotypisch rasant. Aber irgendwie hat mich das Auto nicht elektrisiert, was auch an der Sitzpositur auf der Rückbank lag. Stellte ich meine Füße auf den Grund, ragten wie bei so vielen Autos die Knie in die Höhe. Und unter den Vordersitzen war kaum Platz für die Füße.

Ganz anders der Sakura. Er lieferte einen Hauch Luxus und Fahrspaß in der Kei-Car-Klasse. Das begann schon beim Einsteigen in das voll ausgestattete Testmodell, das ohne staatliche Subventionen mit rund 21.000 Euro im Katalog steht. Die Türen und das Armaturenbrett waren mit einem sich robust anfühlendem Textil ausgeschlagen. Farbig-chromglänzende Akzente versuchten Wert darzustellen. Und dann war da der Fahrersitz, den ich als erstaunlich bequem für ein Miniauto empfand.

Nissan Sakura (9 Bilder)

Eine Kirschblüte umrahmt die Vorstellung des Sakura, wie er auf Deutsch übersetzt heißt.

(Bild: Nissan)

Auch technologisch hatte der Kleine einiges zu bieten, was auch größere Modelle noch nicht immer haben: einen digitalen Tacho und dank Spurhalte-, Tempo- und Abstandsautomaten sogar eine erste Stufe des autonomen Fahrens. Die Hände müssen noch ans Steuer. Außerdem lässt sich die Hinterbank verschieben, um entweder den kleinen Kofferraum oder die Beinfreiheit im Fonds auf Mercedes S-Klasseformat zu vergrößern.

Die Fahrt war dann "elektroauto-isch" angenehm: Leise und mit gutem Anzug, trotz der vermeintlich geringen 64 Pferdestärken. An einer Ampel ließ ich mit einem beherzten Tritt auf das Beschleunigungspedal ein BMW-5er-Taxi weit hinter mir. Auch in den Hügeln der Hafenstadt Yokohama zog Sakura zügig die steilen Steigungen hinauf.

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Die schwere Batterie sorgte zudem für einen tiefen Schwerpunkt. Das zahlte sich bei den notorisch schmalen, aber dafür SUV-hohen Kei-Cars durch deutliche geringere Seitenneigung bei Kurvenfahrten aus. Und die Fahrassistenten hielten das Geschoss auf der Stadtautobahn mit ihren scharfen Kurven meist selbst in der Spur.

Der Haken? Der ist Nissans Preisgeheimnis: Die Batterie ist mit 20 kWh klein und damit billig. Dafür liegt die Reichweite auch "nur" bei 180 Kilometern. Für die meisten Kei-Car-Interessenten dürfte dies allerdings kein Problem sein, da diese Autogattung meist im städtischen and ländlichen Kurzstreckenverkehr eingesetzt wird. Und vielleicht ist die genau der Weg zur flächendeckenden Elektromobilität und vor allem Klimaschutz: Weg vom "immer schneller und weiter" zum "weniger ist mehr".

Würde ich mir so einen Sakura kaufen? Nein, aber auch kein anderes Mobil. Ich bin Mitglied in einem landesweiten Car-Sharing-Unternehmen, über das ich in vier Gehminuten Entfernung meiner Wohnung über zehn verschiedene Automodelle ausleihen kann, von großen Vans bis kleinen Kei-Cars. Meist nehme ich mir dann einen Mini, weil sie oft Auto genug sind.

(jle)