Quantensensoren messen Hirnströme für Steuerung eines Exoskeletts

Das Projekt "NeuroQ" will diamantenbasierte Sensoren zur Marktreife bringen. Sie sind so empfindlich, dass sie die Magnetfelder der Hirnströme erfassen können.

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Ein Patient testet ein von der Charité entwickeltes Brain-Computer-Interface zur Steuerung einer Exoskelett-Hand.

(Bild: AG Klinische Neurotechnologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin)

Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Jan Oliver Löfken

Mit Exoskeletten könnten in Zukunft Menschen mit Querschnittslähmung wieder Arme, Hände und vielleicht sogar Beine bewegen. Allein Gedanken sollen für die Steuerung der zahlreichen Elektromotoren, künstlichen Muskeln und Gelenke genügen. Prinzipiell ließen sich dafür Gehirn-Computer-Schnittstellen implantieren, doch die Risiken eines solchen Eingriffs wären extrem hoch. Alternativ erfassen Sensoren – angebracht auf dem äußeren Schädel – steuernde Hirnströme. Doch die Genauigkeit solcher Signale der Elektro-Enzephalographie (EEG) reicht für eine genaue Exoskelett-Motorik nicht aus. Besser geeignet wären neuromagnetische Felder, die von den Hirnströmen erzeugt werden. Die dazu nötigen, extrem empfindlichen Sensoren werden nun im Rahmen des Projekts "NeuroQ" entwickelt – gefördert mit knapp neun Millionen Euro vom Bundesforschungsministerium (BMBF).

"Magnetfelder durchdringen Haut und Schädel unverzerrt und liefern damit wesentlich deutlichere Signale als elektrische Felder, da diese auf dem Weg von der Quelle zum Sensor stark abgeschwächt werden. So hat die Magneto-Enzephalographie (MEG) signifikante Vorteile gegenüber der Elektro-Enzephalographie (EEG), wird jedoch aufgrund technischer Hürden nur selten angewendet", sagt Projektleiter Jan Jeske vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF in Freiburg. Diese Hürden will er gemeinsam mit seinen Partnern – der Charité in Berlin, der Universität Stuttgart und mehreren Firmen – überwinden.

Schon heute lassen sich kleinste Magnetfelder mit hoher Genauigkeit messen. Die dazu genutzten SQUID-Sensoren (Superconducting Quantum Interference Devices) müssen aber wegen der integrierten Supraleiter auf mindestens minus 200 Grad Celsius gekühlt werden. Diese Kühlung macht die Entwicklung einer tragbaren Sensorkappe für gelähmte Patienten unmöglich. Die Lösung dieses Problems soll in diamantbasierten Quantensensoren liegen. Diese Quantenmagnetometer könnten in eine Sensorkappe integriert werden und es damit Gelähmten ermöglichen, beispielsweise eine Hand-Prothese deutlich präziser zu steuern als es bislang der Fall ist.

Diese Quantensensoren nutzen kleine Defekte in der Kristallstruktur eines Diamanten, sogenannte Stickstoff-Fehlstellen-Zentren (NV / nitrogen-vacancy center). Die Defekte verleihen dem Diamanten einzigartige, elektromagnetische Eigenschaften. So sind Diamant-Quantenmagnetometer heute die einzigen hochsensitiven Magnetometer, die ohne Tiefkühlung bei Raumtemperatur funktionieren. Mit ihnen lässt sich sogar die genaue Ausrichtung eines Magnetfeldes bestimmen. Dank dieser Genauigkeit könnte sich ein Exoskelett mit den durch die Hirnströme induzierten Magnetfelder kontrollieren lassen. Die Forscher um Jan Jeske haben nun im Rahmen von "NeuroQ" bis zum Jahr 2027 Zeit, erste Prototypen für eine solche Schnittstelle vom Gehirn zum Computer beziehungsweise zur Prothese zu entwickeln.

(jle)