Verzettelt? Warum die Strahlkraft des Design Thinking nachlässt
Das Konzept des Design Thinking versprach, Innovationen in der Produktentwicklung zu demokratisieren. Doch möglicherweise hat der Ansatz das Gegenteil bewirkt.
- Rebecca Ackermann
Als die US-Amerikanerin Kyle Cornforth 2011 zum ersten Mal die Geschäftsräume des internationalen Design- und Beratungsunternehmens Ideo in San Francisco betrat, fühlte sie sich in einer völlig neuen Welt. Damals leitete sie das gemeinnützige "Edible Schoolyard Project", das Schülern eine umweltfreundliche und gesunde Ernährung über Schulgärten und Kochprojekte näherbringen wollte. Mithilfe von Ideo.org, einem sozial ausgerichteten Spin-off von Ideo, wollte Cornforth die gängigen Konzepte für das Mittagessen in Schulen überdenken.
Die als "Design Thinking" bezeichnete Denkmethode für disruptive Innovationen ist eine Variante des erfinderischen Denkens, die unter anderem Airbnb zum Erfolg verholfen hat, in den letzten Jahren aber zunehmend in die Kritik geraten ist. Ziel des sechsstufigen Prozesses ist es, komplexe Probleme zu lösen und bahnbrechende Ideen für Produkte oder Dienstleistungen zu entwickeln. Im Zentrum des Konzepts steht Empathie. Sie soll helfen, die wahren Bedürfnisse der Nutzer herauszufinden. Diesen Fokus auf den Menschen will Design Thinking mit den unter Ingenieuren und Managern üblichen Zielen der technischen Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit verbinden – und damit den Weg zu Innovationen gewissermaßen demokratisieren.
Als Vorbild für Design Thinking gilt die Arbeit des Apple-Teams um Steve Jobs in den 1980er-Jahren, das schon damals auffallend benutzerfreundliche Computer entwickelte. In den 1990ern bekam das Konzept seinen Namen und gewann nach der Jahrtausendwende zunehmend an Beliebtheit, vor allem in den Bereichen Technologie, Wirtschaft und Soziales. Design Thinking wurde von Krankenhäusern und Arztpraxen genutzt, von Regierungsbehörden in Washington wie von Unternehmen im Silicon Valley. Auch Stadtverwaltungen beauftragten Design-Thinking-Agenturen, um Lösungen für komplexe Herausforderungen zu finden, vom Verkehrswesen bis zum Wohnungsbau. Bildungsdienstleister und Eliteuniversitäten wie das MIT und Harvard boten Kurse oder Studiengänge an. Sie zeigten eindrucksvoll, dass sich schon allein mit der Lehre von Design Thinking viel Geld verdienen ließ.