Seltene Erden: "Über die Recyclingquote von einem Prozent hinauskommen"

Die Recyclingquote für Seltenerdmetalle beträgt nicht einmal ein Prozent. Wie sich das ändern ließe, erklärt der Umweltexperte Raimund Bleischwitz im Interview.

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(Bild: Phawat / Shutterstock.com)

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Inhaltsverzeichnis

Seltenerdmetalle werden häufig gebraucht. Sie stecken unter anderem in Magneten für Windkraftanlagen, Wärmepumpen, Elektromotoren und Festplatten. Allerdings werden sie nur in wenigen Ländern gewonnen und die Produktion kann soziale und ökologische Schäden verursachen. Wie Kreislaufwirtschaft das Problem entschärfen könnte, erklärt Raimund Bleischwitz, Experte für Umwelt- und Ressourcenökonomie und wissenschaftlicher Leiter des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung in einem aktuellen Kommentar in Nature – und im TR-Interview.

Herr Bleischwitz, geologisch sind Seltene Erden gar nicht mal so selten. Wo liegt das Problem?

Das ist vor allem eine geopolitische Frage. Seltene Erden sind durchaus in vielen Ländern zu finden, aber eben nur in sehr, sehr geringen Konzentrationen. Sie zu gewinnen ist aufwändig und teuer. Unternehmen in der Branche müssen daher finanzkräftig sein und auch Durchhaltevermögen haben, weil die Preise stark schwanken. Das hat einigen Minen in den letzten 20 Jahren finanziell das Genick gebrochen. Seit Jahren dominiert China den Markt.

Prof. Dr. Raimund Bleischwitz, Experte für Kreislaufwirtschaft am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT)

(Bild: Jan Meier, Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT))

Wie groß ist der Bedarf an Seltenerdmetallen?

Die Nachfrage steigt gerade sehr. Der weltweite Verbrauch dieser Elemente wird 2031 voraussichtlich auf 315.000 Tonnen steigen. Das ist fünfmal so viel wie 2005. Und die Mengen sind nur ein Teil des Problems. Der andere ist, dass die Stoffe oft unter fragwürdigen Bedingungen abgebaut werden, zum Beispiel unter der Militärdiktatur in Myanmar. Zudem entstehen bei der Produktion toxische und radioaktive Abfälle und auch giftige Abwässer. Auf der einen Seite von einer sauberen Energiewende zu sprechen, aber dafür schmutzige Rohstoffe einzusetzen: Das ist ein Widerspruch, den man immer wieder thematisieren sollte.

Und die Kreislaufwirtschaft kann eine Lösung sein?

Sie kann ein Teil der Lösung sein. Die Stoffe sind ja nun schon mal hier, weil sie in vielen Produkten stecken. Und wenn man die Seltenen Erden da wieder rausholt, dann sollte es doch möglich sein, dass man über die aktuelle Recyclingquote von einem Prozent hinauskommt und sich an jene 15 Prozent annähert, die die EU in einem Bericht zu kritischen Rohstoffen vorschlägt. Längerfristig ließen sich vielleicht sogar 50 Prozent erreichen. Aber davon sind wir aktuell noch weit, weit entfernt.

Wie könnten wir dorthin kommen?

Das Sammeln von Endgeräten muss verpflichtend sein und Sammelstellen geschaffen werden. Und dann gilt es eben dort anzufangen, wo der Anteil von Seltenen Erden noch etwas höher ist als in anderen Produkten und mit geeigneten Verfahren die Seltenen Erden zurückzugewinnen.

Welche Produkte meinen Sie?

Alle Produkte, in denen Magnete stecken: Lautsprecher und andere Elektronikprodukte beispielsweise, die Motoren von Windenergieanlagen, die ohnehin zurückgebaut werden müssen, und Computer-Festplatten, die zwar eingesammelt werden, für die es aber bisher noch wenig systematische Rückgewinnung gibt. Google hat mal von einer Schätzung berichtet, wonach bis zu fünf Prozent des Bedarfs an Seltenen Erden aus Festplatten zurückgewonnen werden könnte. Das Unternehmen hat dann auch intern Anstrengungen unternommen hat, diese Rückgewinnung zu machen. Das Interesse am Recycling kommt eben auch von der Industrie.

Und wie könnte dieses Interesse genutzt werden?

Staatliche Stellen sollten Verpflichtungen und Konzepte für Sammelstellen oder auch Leasing-Geschäftsmodelle für Geräte gemeinsam mit den Unternehmen entwickeln. Das wäre dann eine klassische Win-Win-Situation. Wobei Win-Win natürlich nicht heißt, dass es nichts kostet. Der künftige Markt für Sekundärrohstoffe funktioniert nur über Investitionen. Die Rückgewinnung der Seltenen Erden ist aktuell viel weniger profitabel als das Recycling anderer Rohstoffe wie Stahl oder Kupfer, die in viel größeren Mengen in den Produkten stecken. Man muss den Markt daher so konstruieren, dass das Recycling dieser Metalle das Rückholen der Seltenen Erden querfinanziert. Die Kommunen wiederum stehen vor ganz anderen Problemen. Sie müssen die Bürger dazu bringen, Geräte zurückzubringen, die oft noch in Schubladen, Abstellräumen oder Schuppen schlummern.

Was wäre außerdem noch wichtig?

Es sollte verpflichtende Quoten dafür geben, dass Hersteller in ihren Produkten einen bestimmten Anteil an Sekundärmaterialien einzusetzen. Eine ehrgeizige Quote würde auch dafür sorgen, dass die Forschung und Entwicklung in Gang kommt, wie auch mit höheren Anteilen an gebrauchten Seltenen Erden die gewünschten Eigenschaften erreicht werden.

Sind das Strategien, die Sie vor allem in Deutschland und der EU sehen?

Die EU hat mit ihrer Rohstoffstrategie für kritische Materialien im März einen wichtigen Schritt nach vorn unternommen. Aber auch in anderen Ländern ist das Interesse groß, sogar in China. Dort vor allem wegen der hohen Umweltkosten. Hinzu kommt: China importiert Seltenerdmetalle unter anderem aus dem benachbarten Myanmar und will letztlich auch von diesem Makel und von dieser Abhängigkeit weg. Und das Land hat durchaus ambitionierte Pläne zur Kreislaufwirtschaft. Das heißt, für China könnte sich das durchaus lohnen, zumindest in diese Richtung zu überlegen.

Und wie sieht es auf der anderen Seite des Pazifiks aus, in den USA?

Auch in den USA sehen wir Interesse. Dort wurde in Nordkalifornien, in Mountain Pass, eine Mine für Seltene Erden in Betrieb genommen, aber dann wieder geschlossen, wieder eröffnet und wieder geschlossen. Bürgerproteste und finanzielle Erwägungen haben da den Ausschlag gegeben. Zugleich arbeitet die USA am eigens dafür gegründeten Critical Materials Institute an der Substitution der Seltenen Erden und am Recycling. Also auch hier könnte die bisher eher maue Sammelleidenschaft der Amerikaner künftig steigen.

Wie bekommt man am Ende möglichst viele Länder unter einen Hut?

Es gibt bereits einen internationalen Herstellerverband. Er heißt Rare Earth Industry Association oder kurz: REIA. Und da wäre die Idee, dass dieser Verband gerne auch im Zusammenwirken mit den Vereinten Nationen oder anderen Organisationen ein Datenbank-Portal entwickelt, was dann zeigt: Wie viel ist überhaupt im Umlauf? Wie wird sich das in den nächsten Jahren entwickeln? Dass man also die Bestände einschätzen und in Zukunftsszenarien einfließen lassen kann. Das könnte dann mit anderen Prognosen verknüpft werden, etwa dazu, wie sich der Markt für Elektroautos entwickelt. Dann wird es deutlich einfacher, den tatsächlichen Bedarf an Seltenen Erden auch zu treffen.

Müssten nicht auch die Produkte anders aussehen, sodass man leichter wieder an die Metalle herankommt?

Ja, das sollte in die EU-Richtlinie zum Öko-Design beziehungsweise in alle Design-Standards aufgenommen werden. Und dann geht es natürlich auch um Kataster und Produktpässe, aus denen ersichtlich wird, wie hoch ist der Anteil Seltener Erden und wo genau im Produkt sitzen sie. Das kann auch die Rückgewinnung deutlich erleichtern.

Kann man die Seltenen Erden nicht einfach durch andere Materialien ersetzen?

Doch, es gibt Alternativen. Dabei sind die sogenannten leichten Seltenerdmetalle wie Scandium leichter zu substituieren als die schweren wie Dysprosium. Aber stecken diese zum Beispiel in den millionenfach eingesetzten Umwälzpumpen, ist auch hier ein Ersatz vorstellbar. Hersteller wie KSB sagen jedenfalls, sie könnten auch ohne seltene Erden eine leistungsfähige Umwälzpumpe bauen. Andererseits stecken in einem Offshore-Windrad bis zu 300 Kilogramm Seltenerdmetalle, die zur Effizienz der Energiewende nötig und noch schwer ersetzbar sind.

Wie groß ist denn das Potenzial des Recyclings? Ist irgendwann ein geschlossener Stoffkreislauf erreichbar?

Im Bereich der Seltenen Erden halte ich das für illusorisch, weil ja in vielen Produkten nur wenige Mikrogramm dieser Stoffe stecken. Und die bekommt man kaum wieder heraus. Aber wenn man es tatsächlich schaffen würde, über die 15 Prozent Recyclingquote der EU hinauszugehen und dann in internationalen Partnerschaften 50 Prozent anzuvisieren, wenn man Substitute findet und besseres Produktdesign macht, dann ist man schon ein ganzes Stück weiter.

(anh)