Vergiften Smartphones die Meere?

Die skandinavische Forschungseinrichtung SINTEF untersucht in einer großangelegten Studie die Wirkung von Elektroschrott auf den Ozean.

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(Bild: Anne-Lise Aakervik / SINTEF)

Lesezeit: 3 Min.

Sie stecken in Arzneimitteln, Elektrofahrzeugen, Mobiltelefonen, Windkraftanlagen oder Düngemitteln und haben geheimnisvolle Namen wie Scandium oder Gadolinium. Sogenannte seltene Erden (kurz "REE" für "Rare Earth Elements") werden auch als das neue Gold des 21. Jahrhunderts tituliert, weil sie vergleichsweise rar sind und nur in bestimmten Weltregionen vorkommen. Es handelt sich je nach Klassifizierung um bis zu 17 Schlüsselmetalle, die für Hightech-Geräte verwendet werden. Zwar sind sie gerade bei grünen Technologien verbreitet und für den Wandel zu einer nachhaltigeren Industrie buchstäblich elementar, doch der Abbau der Metalle belastet die Umwelt.

Aber nicht nur das: Wird die Elektronik zu Elektroschrott, könnten seltene Erden auch nach ihrem Nutzungsende die Erde verseuchen. Es gilt zum Beispiel als wahrscheinlich, dass diese vom Menschen so vielfach genutzten Metalle im Meer landen und dort weiteren Schaden anrichten. Wie groß der ist, wollen nun Forscher im Rahmen des Projekts "Elementary" feststellen, dem die norwegischen SINTEF, Skandinaviens größte unabhängige Forschungsorganisation vorsteht.

Post aus Norwegen

Norwegen ist ein Paradoxon: Die größte Öl- und Gasnation Europas ist gleichzeitig Klimaschoner Nummer Eins bei Stromerzeugung und Autoverkehr. An dieser Stelle berichtet Ben Schwan über Innovationen aus dem Land der Fjorde – und seine Eigenarten.

"Wir wissen, dass seltene Erden, wenn sie als Additive verwendet werden, so verarbeitet werden, dass sie sich, nachdem sie weggeworfen in der Natur landen, anders verhalten als in ihrem natürlichen Mineralzustand", sagt Projektmanagerin und SINTEF-Forscherin Julia Farkas. Derzeit sei jedoch zu wenig bekannt über die REE-Konzentration in norwegischen Gewässern und ihren möglichen Einfluss auf maritimes Leben.

Ein internationales Forschungsteam aus dänischen, deutschen und norwegischen Forschern will das in diversen Fjorden mittels Wasserproben untersuchen. Überprüft werden außerdem Sedimente sowie verschiedene Organismen wie Seetang, Muscheln und Fische. Vier sogenannte Hot Spots wurden bereits identifiziert, beispielsweise die Küstenbereiche der Stadt Trondheim, Norwegens drittgrößter Kommune und Hauptsitz des SINTEF. Dort werden die REE-Konzentrationen in der Nähe möglicher Abflussquellen gemessen. Insbesondere nach dem in medizinischen Kontrastmitteln verwendeten Gadolinium wird zunächst geschaut. Die Proben werden mit REE-Hintergrundwerten verglichen, sodass der Einfluss menschlicher Verwendung erkennbar wird.

Julia Farkas und ihr Team untersuchen außerdem, wie viel REE durch Handyschrott, etwa aus deren Bildschirmen, ins Wasser gelangt und welche Gründe dafür vorliegen. Macht es beispielsweise einen Unterschied, wie intakt das Gerät noch ist? Zum Vergleich werden identische Modelle in unterschiedlichen Zuständen und über verschiedene Zeiträume jeweils in einen Behälter mit Fjord-Wasser gegeben. "Tatsache ist, dass wir einfach nicht wissen, ob Müll von einigen dieser Geräte in das norwegische Meer gelangt", sagt Farkas. "Also wissen wir auch nichts über die möglichen Einflüsse, die dieser Schrott auf maritime Organismen haben könnte."

Für Norwegen hat das Meer nicht nur einen ökologischen, sondern auch einen ökonomisch unverzichtbaren Wert. Der Umsatz des Einzelhandels mit Fisch und Meeresfrüchten nahm in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich zu. Die meisten Lachszuchten stehen im Fjord-Wasser. Entsprechend liegt ein Forschungsschwerpunkt des Projekts auf wirtschaftlich relevanten Fischarten.

(bsc)