Vor 10 Jahren: Microsoft übernimmt Nokias Handysparte

Am 3. September 2013 kündigt Microsoft die Übernahme von Nokias Kerngeschäft an. Es folgt ein Milliarden-Desaster, das abertausende Menschen den Job kostet. 

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Stephen Elop und Steve Ballmer kündigen die Zusammenarbeit von Nokia und Microsoft an.

(Bild: Nokia)

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"Two turkeys do not make an eagle", spottet Vic Gundotra. Als sich 2011 Microsoft und Nokia zusammentun, um ihr jeweils angeschlagenes Smartphonegeschäft zu sanieren, hat der Google-Manager gut lachen. Gerade hat Android seinen Eroberungsfeldzug begonnen – und ist nicht aufzuhalten. Das iPhone hat den Markt umgekrempelt und ist der neue Goldstandard. Dazwischen, in der Klemme: Nokia, Microsoft und Blackberry.

Zwei Jahre später versucht Microsoft-CEO Steve Ballmer – eigentlich schon auf dem Weg in den Ruhestand – zu retten, was nicht mehr zu retten ist. Am 3. September 2013 teilen die Unternehmen mit, dass Nokia sein Kerngeschäft mit Mobiltelefonen und -diensten für rund 5,5 Milliarden Euro an Microsoft verkauft.

Die angeschlagenen Finnen trennen sich damit von einem aufgeblähten und zu langsamen Apparat, dem es schwergefallen ist, auf die neuen Herausforderer von Apple und Google eine zeitgemäße Antwort zu finden. Daran konnte auch CEO Stephen Elop nicht viel ändern, den Nokia 2010 von Microsoft geholt hatte. Es war Elop, der dem traditionsreichen Marktführer eine Frischzellenkur mit Windows Phone verordnet hatte. Die Therapie schlug nicht an.

Elop hielt das etablierte Symbian nicht für zukunftsfähig. Mit dem 2010 vorgestellten Windows Phone ist er schneller auf dem Markt als mit einer Eigenentwicklung wie MeeGo, das Nokia und Intel gerade erst angeschoben hatten. Marktforscher trauen dem System mittelfristig einen Marktanteil von bis zu 20 Prozent zu. So kann man sich irren. Der Absatz von Windows Phone wächst 2012 zwar doppelt so schnell wie der Gesamtmarkt, aber Android eben auch.

Marktanteile der Smartphone-Betriebssysteme von 2006 bis 2020.

(Bild: heise online)

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Im Oktober 2011 hatte Nokia sein erstes Windows Phone vorgestellt: das Lumia 800. Tatsächlich sah es zunächst so aus, als könne die Partnerschaft mit Nokia dem Betriebssystem Windows Phone mehr Reichweite verschaffen. Einige der großen Hersteller brachten – wohl auch aus Loyalität zu Microsoft – eigene Windows Phones auf den Markt: Samsung, LG, Dell. HTC, das vom Android-Boom profitierte und seine beste Zeit vor sich hatte, hatte gleich mehrere Windows Phones im Portfolio.

Für Ballmer ist die Übernahme von Nokias Kerngeschäft der letzte verzweifelte Versuch, Microsoft als "drittes Pferd im Rennen" der Smartphone-Ökosysteme doch noch auf die Erfolgsspur zu führen. Der Milliarden-Deal mit Nokia sollte dem Unternehmen mehr Kontrolle über Plattform und Geräte verschaffen. Apple hat mit dem iPhone erfolgreich vorgemacht, wie das geht.

Kurz zuvor hatte Ballmer bereits seinen Rückzug angekündigt. Doch das Rennpferd, das er seinem Nachfolger Satya Nadella übergibt, entpuppt sich als lahmer Gaul. Ohnehin hat Nadella eine andere Vision von Microsoft, in der eine eigene Smartphone-Produktion nicht vorkommt. Der neue CEO stellt sich der Realität und zieht einen Schlussstrich unter das finnische Abenteuer.

Im Sommer 2014 entlässt Nadella rund die Hälfte der 25.000 Nokianer, die vor kaum einem Jahr ins Unternehmen gekommen waren. Tausende weitere folgen. Die Übernahme kostet den Konzern Milliarden. Microsoft schreibt 7,6 Milliarden US-Dollar auf die Übernahme ab und rutscht tief in die roten Zahlen. Stephen Elop muss das Unternehmen verlassen.

Auch das Ende von Windows Phone war damit besiegelt. Zwar schleppte Microsoft die Altlast noch ein paar Jahre mit, doch ein paar Jahre später war klar: Windows Mobile, wie es inzwischen wieder hieß, war so ziemlich tot. Was auf dem Mobile Word Congress 2010 mit einem enthusiastischen Steve Ballmer begann, endete in einem kommerziellen Desaster – und einer menschlichen Tragödie für abertausende Nokianer.

Ballmer ist inzwischen Privatier und widmet sich dem Basketball-Club Los Angeles Clippers, den er 2014 für 2 Milliarden gekauft hatte. Er ist einer zehn reichsten Männer der Welt.

(vbr)