Warum sich Masken auch nach Corona lohnen

Die Menschen in Japan waren schon vor der Pandemie Maskenweltmeister – aus Rücksicht und Eigennutz. Es lohnt, davon für die Zeit nach der Impfung zu lernen.

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Kinder im Schulalter mit medizinischen Masken.

(Bild: David Tadevosian/shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Martin Kölling

Die amerikanische Seuchenschutzbehörde hat in den USA gerade für pandemischen Freudentaumel gesorgt: Vollständig gegen Covid-19 geimpfte Personen müssen keine Masken mehr tragen. US-Präsident Joe Biden trat daraufhin prompt maskenfrei vor die Presse und sagte: "Das ist ein großartiger Tag für Amerika." Auch in Europa scheinen sich die Menschen nach einer Normalität zu sehnen, in denen die Maske Vergangenheit ist.

Doch aus japanischer Perspektive stellt sich die Frage, ob die Welt für die Nach-Coronazeit nicht etwas mehr Maskenliebe vom Maskenweltmeister übernehmen sollte. Denn die Japaner zeigen, dass eine Maske auch ohne eine aggressive Pandemie Sinn ergibt für die gesamtgesellschaftliche wie individuelle Gesundheitsvorsorge.

Im Allgemeinen haben die Bewohner Asiens Masken mit deutlich weniger Protest akzeptiert als in Europa oder den USA. Doch Japan war auch in Asien speziell. Denn hier gehörten Masken (und sogar Desinfektionsmittel für Hände) schon lange vor der Corona-Pandemie zum Alltag. Mehr als fünf Milliarden Masken verbrauchte Japan 2019. Und auch ich war ein willentlicher Käufer, zu überzeugend fand ich den Umgang mit dem Mundschutz.

Die Maske gehört hierzulande zu einem Lebensstil, der sich in den extrem dicht besiedelten Land über lange Zeit als Schutz gegen Infektionskrankheiten aller Art entwickelt hat. Es beginnt schon bei der Begrüßung, die kontaktlos erfolgt. Traditionell geben sich Japaner nicht die Hände, oder umarmen oder küssen sich gar, wenn sie sich treffen. Man verbeugt sich und erschwert damit Viren, sich zu übertragen. Zudem sprechen die Menschen in den vollgestopften Pendlerzügen nicht. Die Maske war dann ein weiterer Schutz, den man trug – aus Rücksicht auf andere oder Eigennutz.

Generell setzten viele Menschen sie auf, wenn sie selbst ein Kratzen im Hals verspürten, um ihre Viren nicht zu verstreuen. Zu diesem Zweck wurde die Maske auch zu Beginn der Pandemie von Japans Gesundheitsexperten empfohlen. Doch auch viele Gesunde nahmen die neuen Erkenntnisse aus der Pandemie vorweg, dass Masken auch die Übertragung erschweren, und nutzten sie ebenfalls.

In der Pandemie zahlte sich die Akzeptanz der Masken zusammen mit dem Leben auf Abstand voll aus. Mit relativ geringen Einschränkungen des öffentlichen Lebens konnten Regierung und Bürger bisher jede Virenwelle bei deutlich geringeren Fallzahlen brechen als in Europa. Der höchste Tageswert lag mit knapp über 8.000 Fällen auf dem Niveau der Schweiz, die nur etwa ein Sechzehntel der Einwohner des ostasiatischen Kaiserreichs hat.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Aus japanischer Perspektive ist die Maskenverweigerung vieler Menschen in Europa und den USA faszinierend. Ihnen wäre es nicht in den Sinn gekommen, den oralen Virenschutz als Symbol eines unterdrückerischen Staates zu deuten oder als Einschränkung des Lebens. "Wollen sich die Maskenverweigerer etwa anstecken?", würden sie fragen.

Dabei ist sie hier auch ein Werkzeug der Rücksichtnahme. Wer erkältet oder vergrippt in den Zug steigt, trägt Maske – und das wird auch nach Corona so bleiben. (bsc)