Wie aus Plastikmüll aus dem Meer Ökodämmstoff wird

Südtiroler Forscher haben ein Verfahren entwickelt, um maritimes Mikroplastik, das sonst nur schwer zu verwerten ist, für die Bauindustrie zu erschließen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 34 Kommentare lesen

Fertiges Material aus Mikroplastik.

(Bild: FU Bozen)

Lesezeit: 2 Min.

Im Ozean schwimmen enorme Mengen von schwer abbaubarem Kunststoff herum. Während sich größere Teile unter viel Mühe zumindest theoretisch einsammeln lassen, wird das beim Mikroplastik sehr schwer – es schwimmt frei im Meer, ist Teil des Sediments und landet oft im Magen von Fischen, Vögeln und sogar Kleinstlebewesen. Sogenanntes sekundäres Mikroplastik der Größe von weniger als fünf Millimeter soll laut Schätzungen des EU-Parlaments bis zu 81 Prozent des gesamten Bestandes ausmachen, schon 2017 sollen sich 51 Billionen solcher Partikel in den Weltmeeren befunden haben.

Das Material wird bislang kaum wiederverwendet oder gar regulär aus dem Meer gefördert. Ein Forscherteam aus Bozen plant nun, Ozean-Mikroplastik zu einem Rohstoff zu machen – als Bestandteil von Dämmstoffen. Die Gruppe um Professor Andrea Gasparella von der Fakultät für Naturwissenschaften und Technik der FU Bozen hat dazu ein Verfahren entwickelt, dass ein Biopolymer aus Meeresalgen einsetzt, um das Mikroplastik zu binden und in formbare Platten zu verwandeln. So soll sich ein nachhaltiger Dämmstoff ergeben, der sowohl thermisch als auch akustisch isoliert.

Im Versuch wurde zunächst eine Mischung geschaffen, die sich an der am häufigsten vorkommenden Mikroplastikzusammensetzung im Ozean orientiert – Kunststoffmüll aus Haushalt und Industrie, darunter PET, Styropor/Polystyrol und Polyethylen. Dieser Mischung wird ein Polysaccharid aus der Meeresalge Agar Agar beigegeben – plus Kalziumkarbonat. All das wird dann zwölf Stunden lang schockgefrostet bei minus 20 Grad.

Nach einer Gefriertrocknung zur Entfernung des Restwassers entstand ein porös anmutendes Material, das laut Gasparella und Co. als Steinwollersatz dienen kann. Der vollständige Prozess soll ökologisch unproblematisch sein; so wird etwa nicht einmal Wasser verschwendet, da dieses aufgefangen und wiederverwendet werden kann. Neu ist die Idee nicht, Kunststoffmüll in neuen Anwendungen zu verwenden – so landet er mittlerweile in Asphaltmixturen als Füllmaterial. Allerdings galt Mikroplastik aus dem Ozean bislang als zu kleinteilig.

Gasparella betont, dass das Endprodukt aus seinem Prototypprozess ein Material erzeugt, dass "hervorragende Dämmeigenschaften hat" und "problemlos mit herkömmlichen Dämmstoffen wie Steinwolle oder Polyurethanschaumstoffen mithalten" könne. Bewiesen werden soll so, dass es tatsächlich möglich ist, Müll aus dem Meer nachhaltig zu recyceln – und zwar zu einem auch wirtschaftlich attraktiven Material. Das notwendige Biopolymer ist regulär im Handel erhältlich. (bsc)