Zahlen, bitte! 6 Einheiten und ein Denker – Blaise Pascal

Blaise Pascal hat in seinen wenigen Lebensjahren als Mathematiker und Physiker Meilensteine gesetzt. Nach ihm wurden nicht weniger als sechs Einheiten benannt.

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Von
  • Detlef Borchers
Inhaltsverzeichnis

Gestern wurde der 400. Geburtstag des Mathematikers, Physikers und Philosophen Blaise Pascal gefeiert. Wir nähern uns dem "Rätsel" Pascal über das Pascal, der internationalen Maßeinheit für den physikalischen Druck. So wurde er für den Nachweis geehrt, dass der Luftdruck mit zunehmender Höhe abnimmt und so zur Bestimmung der Höhe eines Berges genutzt werden kann. Dazu gehörte die bahnbrechende Erkenntnis, dass es ein Vakuum geben kann.

Blaise Pascal (* 19. Juni 1623 in Clermont-Ferrand; † 19. August 1662 in Paris) war französischer Mathematiker, Physiker, Wissenschaftler und theologischer Philosoph.

(Bild: Gemälde von François II Quesnel, 1691)

Das Mysterium Blaise Pascal begann früh. Er kam am 19. Juni 1623 in Clermont-Ferrand zur Welt. Die Familie gehörte zum Amtsadel, der Vater war Steuereinnehmer. Die Mutter starb früh und so zog der Vater mit Blaise und seinen beiden Schwestern nach Paris, um geeignete Lehrer für die hochbegabten Wunderkinder Blaise und Jaqueline Pascal zu finden. Im Mathematikunterricht hatte Blaise die ersten zweiunddreißig Lehrsätze des Euklid hergeleitet. Als ein Weinglas klirrte und dies mit der Hand gestoppt wurde, schrieb der Elfjährige eine Abhandlung über den Klang.

Mit sechzehn folgte eine Abhandlung über Kegelschnitte, die Descartes dem Vater von Blaise zuschrieb. Mit neunzehn konstruierte er die Pascaline, und schließlich später erschien das "Traitez de l’équilibre des liqueurs", mit dem er international bekannt wurde. Es folgten noch die Entdeckung des pascalschen Dreiecks zur Ermittlung der Binomialkoeffizienten und, im Briefwechsel mit dem Mathematiker Pierre de Fermat, die Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung zur Berechnung von Glücksspielen. Zum Schluss beschäftigte er sich mit der Berechnung von gekrümmten Kurven.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Als der junge Leibniz Pascals Notizen über Kurven bei einem Besuch in Paris studierte, gaben sie ihm den entscheidenden Kick zur Entwicklung der Infinitesimalrechnung. Was man in Frankreich von Pascal hielt, fasste François-René de Chateaubriand 1802 in seinem "Geist des Christentums" so zusammen:
"Es war einmal ein Mensch, der als zwölfjähriger mithilfe von Stäben und Ringen die mathematische Wissenschaft begründete; der als Sechzehnjähriger die gelehrteste Abhandlung über die konischen Körper seit der Antike schrieb; der mit neunzehn Jahren eine Wissenschaft, die nur dem Verstande zugänglich war, maschinell erfassbar gemacht hat; der mit dreiundzwanzig die Phänomene des Luftgewichtes aufzeigte und damit einen der größten Irrtümer der älteren Naturwissenschaft zerstörte; der in einem Alter, in dem die anderen Menschen kaum damit begonnen haben, zu erwachen, bereits den ganzen Umkreis des menschlichen Wissens umschritten hatte, als er auch schon dessen Nichtigkeit erkannte und sich der Religion zuwandte. Dieses erschreckende Genie hieß Blaise Pascal."

Das Pascalsches Dreieck ist eine Darstellungsform des Binomialkoeffizienten. Jede Zahl ist die Summe der beiden direkt darüberliegenden.

(Bild: Hersfold)

Am 16. September 1648 bestieg Florin Périer auf Anweisung seines Schwagers Blaise Pascal den Puy de Dôme in der Nähe von Clermont-Ferrand, der Heimatstadt der beiden Franzosen. In seinem Gepäck hatte er ein Barometer, das im Orte eine Säulenhöhe von 71 cm, auf dem ca. 900 Meter hohen Berggipfel eine Höhe von 62,7 cm anzeigte. Diese Werte, ständig gemessen mit einem zweiten Manometer, das in der Stadt blieb, wurden in ein penibles Versuchsprotokoll eingetragen. Das schickte Périer nach Paris, wo der zeitlebens kränkelnde und damit berguntaugliche Wissenschaftler sich sofort daran machte, ein "Traktat über das Gleichgewicht der Flüssigkeiten und das Gewicht der Luft" zu verfassen, das bereits im Oktober 1648 erschien.

Pascal schrieb: "Graut es denn der Natur mehr vor der Leere auf einem Berge als in den Tälern, mehr wenn das Wetter feucht als wenn es schön ist? Hasst sie sie nicht gleicherweise auf einem Kirchturm, auf einem Dachboden und auf einem Hofe? Mögen alle Jünger des Aristoteles anerkennen, dass dieses Experiment, das in den Bergen gemacht wurde, den allgemeinen Glauben der Welt, dass die Natur die Leere verabscheue, umgestürzt und die Erkenntnis eröffnet hat, die niemals mehr untergehen kann, dass die Natur keinerlei Grauen vor der Leere hat, dass sie nichts tut, um diese zu vermeiden, und dass das Gewicht der Luft die wahre Ursache aller der Wirkungen ist."

Der von Aristoteles postulierte "horror vacui", die Abneigung der Natur gegen das Leere, war widerlegt, auch durch Experimente zum Vakuum, die Pascal in Paris zuvor unter dem Titel "Die Leere in der Leere" durchführen ließ. Mit René Descartes diskutierte Pascal im September 1647 diese Experimente, die zur berühmten Besteigung des Puy de Dôme führte. Die beiden verstanden sich nicht besonders. Später behauptete Descartes, er habe das Bergexperiment vorgeschlagen.

Pascaline, eine von Pascal entwickelte Rechenmaschine aus dem Jahr 1652.

(Bild: CC BY-SA 3.0, David.Monniaux)

Den Ruhm für das Experiment heimste Pascal ein, der das von Evangelista Torricelli 1644 erfundene Quecksilberbarometer für seine Messungen nachbauen ließ. Im System der internationalen Maßeinheiten ist das Pascal eine wirklich universale. Als Mikropascal bestimmt es den Schalldruck, als Dekapascal wird es in der Lüftungstechnik verwendet, als Hektopascal kommt es in der Meteorologie zum Einsatz und ersetzt das früher übliche millibar. Das Kilopascal gibt beim Auto in einigen Ländern den Reifenfülldruck an (100 kPA = 1 bar), das Megapascal ist das Maß der Zugfestigkeit von Materialien und für den Energiegehalt eines Sprengstoffes. Das Gigapascal wird bei der Bestimmung von Drücken verwendet, wenn etwa Industriediamanten im Vakuum mit Druck und Hitze hergestellt werden. In sechs unterschiedliche Verwendungen wird Pascal als Einheit verwendet - Der Namensgeber wurde nicht einmal 40 Jahre alt.

Programmiersprache Pascal, hier einige Zeilen im Editor.

(Bild: CC BY-SA 3.0, Oscareczek)

Schließlich sei noch die Programmiersprache Pascal erwähnt. Sie wurde von Nikolaus Wirth aus Algol 60 entwickelt und zu Ehren nach Blaise Pascal benannt, weil dieser mit der Pascaline im Alter von nur 19 Jahren für seinen Vater eine Rechenmaschine entwickelte. Bis zur Entdeckung der Skizzen von Wilhelm Schickard hielt man Pascal für den ersten Erfinder eines mechanischen Rechners. Etwa 50 Pascalinen wurden gebaut, die letzten beherrschten neben der Addition dank des Geschicks der Werkzeugbauer auch die Subtraktion.

Am 23. November 1654 überkam ihm eine religiöse Offenbarung, die er in einem Mémorial festhielt. Das auf Pergament geschriebene Gedenkblatt trug er zeitlebens bei sich. Es wurde nach seinem frühen Tod mit 39 Jahren von einem Bediensteten in seinem Mantel eingenäht gefunden. Zwar war die Familie Pascal unter dem Einfluss des strengen Jansenismus früh religiös geworden, doch fortan widmete sich Pascal der Theologie. Er hinterließ einen Zettelhaufen, die "Pensées", die im Laufe der Zeit vielfach umgeordnet veröffentlicht wurden.

Vielleicht der wichtigste Gedanke ist der von der Existenz Gottes. Ob es ihn gibt oder nicht gibt, können Menschen nicht beweisen, weil sie ihn nicht erkennen können. Ob man an Gott glaubt oder nicht, kann darum niemand von der Existenz Gottes abhängig machen. Deshalb schlägt Pascal den Menschen die Wette auf Gott vor: in Hinblick auf ein Leben nach dem Tod liegt es im Interesse der Menschen zu wetten, dass Gott existiert. Entsprechend rational ist dann die Entscheidung, bescheiden wie ein Christ zu leben.

Eine zeitgemäße Deutung dieser Art von Wette liefert der französische Philosoph Denis Moreau: "Auf kollektiver Ebene befindet sich die Menschheit (wenigstens die westliche) am Beginn des 21. Jahrhunderts beispielsweise in einer Lage, in der ihr wohlverstandenes Interesse darin bestehen würde, so etwas wie eine ´ökologische Wette´ abzuschließen und ihre Art, die Welt zu bewohnen, radikal zu ändern, auch wenn sie auf einen vielleicht angeblichen gegenwärtigen Komfort verzichten müsste."

Die Beschäftigung mit religiösen Fragen bedeutete nicht, dass der Wissenschaftler Blaise Pascal verstummte. Im Sinne seines Christentums suchte er Verbesserungen für das Leben der Armen. Im Jahre 1661 investierte er in ein Droschkenunternehmen, das in Paris einen öffentlichen Nahverkehr auf fünf Linien für wenig Geld anbieten sollte. Die Streckenführung der Carosses à cinq sols (Wagen für fünf Sol) hatte Pascal ausgetüftelt. Die Kutschen auf den Linien sollten alle 7 1⁄2 Minuten verkehren und jeweils 8 Passagiere befördern.

Der Start des Unternehmens, dessen Gewinne Pascal einem Waisenhaus überlassen wollte, war erfolgreich – bis das Pariser Stadtparlament das Mitfahren von Dienstboten, Mägden und Soldaten untersagte. Das Bürgertum wollte unter sich bleiben. Um 1680 herum schloss der Verkehrsbetrieb seine Tore. Blaise Pascal erlebte Aufstieg und Zusammenbruch des Unternehmens nicht mehr. Er starb am 19. August 1662.

(mawi)