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Zahlen, bitte! – Schneider CPC 464: Homecomputer im Schatten des Commodore 64

Markus Will

Vor 40 Jahren stellte Amstrad den CPC 464 vor. Der 8-Bit-Rechner war zwar nicht so erfolgreich wie der C64, prägte aber nicht nur den britischen Heimatmarkt.

Am 11. April 1984 erschien der Amstrad CPC 464. Dabei stand der 8-Bit-Computer hierzulande – in Deutschland als Schneider CPC 464 verkauft – stets im Schatten des allmächtig scheinenden Commodore 64. In seinem Heimatmarkt Großbritannien sah es anders aus: Dort besaß er zeitweise einen Marktanteil von 25 Prozent. In Frankreich entwickelte er sich sogar zum meistverkauften 8-Bit-Heimcomputer der 1980er. Möglich machte das die Einsteigerfreundlichkeit, der günstige Preis sowie ein geschäftstüchtiger Unternehmer.

Alan Sugar wurde 1947 in East London geboren. Der Sohn eines Schneiders lernte schnell, wie man nebenbei zu Geld kommt. Als Teenager arbeitete er unter anderem bei einem Gemüsehändler und als Statistiker im Bildungsministerium. Von gesparten 100 Pfund gründete im Jahr 1968 er mit 21 Jahren seine eigene Firma, die er zunächst Alan Michael Sugar Trading, kurz: Amstrading nannteSpäter wurde der Firmenname auf Amstrad verkürzt.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Sugar verdiente erstes Geld mit dem Verkauf von Auto-Antennen und anderem elektronischem Zubehör aus einem klapprigen Minivan. Sein Unternehmen wuchs und verlagerte sich auf Import und Export sowie Großhandel. Amstrad spezialisierte sich in den 1970ern auf HiFi-Geräte, die durch günstige Verarbeitung und Materialverwendung zum Teil nur ein Drittel des Preises anderer Geräte kosteten. Er versuchte die Marktpreise deutlich zu unterbieten, was auch gelang.

Ende 1982 stagnierten die Umsätze in der HiFi-Sparte, daher suchte der umtriebige Unternehmer einen neuen Markt, den er beackern konnte und sah im Computerbereich eine Lücke. Er nahm als Beispiel den ZX Spectrum der Firma Sinclair und fand als Computerlaie viele Kritikpunkte: Die Gummi-Tastatur war furchtbar, er war kompliziert und erinnerte ihn vom Design her an einen "schwangeren Taschenrechner" – Für Sugar war der Spectrum somit kein guter Deal. (Kurios: Ausgerechnet Amstrad kaufte 1988 die Firma Sinclair Research Ltd. auf, den Hersteller des Spectrum ZX.)

Sir Alan Sugar. (* 24. März 1947 in Hackney, London) ist Gründer der Firma Amstrad, die 1984 den Amstrad CPC auf den Markt brachten. Er war zudem Vorsitzender des Fußballclubs Tottenham Hotspur, in der BBC-Fernsehserie The Apprentice zu sehen, wurde zum Baron ernannt und gehört bis heute dem britischen House of Lords an.

(Bild: KingOfTheMedia [2], CC BY-SA 2.0 [3])

Der Amstrad-Heimcomputer sollte anders werden. Alan Sugar beschrieb es in seiner Autobiografie "What you See is What You get" so:
"Mein Konzept war einfach: Mum und Dad wollen nicht, dass der kleine Johnny den Fernseher einnimmt, also boten wir unseren Computer mit eigenem Monitor, einer Tastatur in voller Größe sowie einem eingebauten Kassettenmechanismus zum Laden von Software und einem Zielpreis von 199 £ an. Ihn könnte der kleine Johnny in seinem Zimmer aufstellen und den Familienfernseher freihalten. Ein großartiges Konzept."

Das Problem war nur: Die Firma Amstrad hatte bisher keinerlei Erfahrungen mit Informationstechnik, sie wussten nur, wie man Technik günstig herstellt. Also holte man sich einige ehemalige Sinclair-Mitarbeiter und andere Computerentwickler ins Haus. Nach anfänglichen Schwierigkeiten nahm das Projekt "Colour Personal Computer" (CPC) langsam Gestalt an. Und er wurde als "The Complete Home Computer" vermarktet, aus gutem Grund: Das Kassettenlaufwerk war inklusive und ein Monitor (entweder Grünmonitor oder gegen Aufpreis in Farbe) im Lieferumfang auch dabei. Es wurde alles auf Unkompliziertheit ausgerichtet. Mit an Bord war auch ein leistungsfähiges Basic, dessen Aufbau und Programmierung im Handbuch ausführlich beschrieben wurde.

Der CPC 464 wurde von Amstrad am 11. April 1984 in der Westminster School in London präsentiert. Er bot 64 Kilobyte Speicher sowie das integrierte Kassettenlaufwerk. Er konnte aus einer Palette von 27 Farben in drei verschiedenen Auflösungen Grafik darstellen: Mode 0 in 160 × 200 Pixeln (mit 16 Farben gleichzeitig), Mode 1: 320 × 200 Pixel (vier Farben) und Mode 3: 640 × 200 Pixel (zwei Farben).

Schneider CPC 464 mit berühmt-berüchtigtem Grünmonitor GT65, sowie der Nachfolger mit CPC 6128 mit mehr Speicher und 3-Zoll-Laufwerk. Hier zu sehen am Stand von harzretro.de [4] auf dem Retro Computing Festival 2024 des Heinz Nixdorf Museumsforum in Paderborn.

(Bild: Markus Will)

Als Hauptprozessor werkelte eine Zilog Z80A-CPU, die aber statt 4 nur mit 3,3 MHz getaktet war. Grund war, dass man der Grafikelektronik einen schnellen Zugriff ermöglichen und Bildartefakte vermeiden wollte. Der Soundchip AY-3-8912 gab wie der SID-Chip des C64 drei Stimmen ab, war aber nicht so leistungsfähig wie die Commodore-Eigenentwicklung. Er wurde zu der Zeit In verschiedenen Varianten in Automaten und Heimcomputern eingebaut, unter anderem im Spectrum 128K oder Atari ST. Das Locomotive-Basic war sogar wesentlich leistungsfähiger als das des C64. Verkaufsstart war im Juni des gleichen Jahres, in Deutschland ab August.

Im Heimatmarkt Großbritannien positionierte Amstrad den CPC 464 oberhalb des Sinclair ZX Spectrum und unterhalb des BBC Micro. Da Amstrad in Deutschland, Österreich und der Schweiz über keine eigenen Vertriebsstrukturen verfügte, kam die Firma Schneider aus Türkheim zum Zuge. Sie kooperierten seit den 1970er-Jahren mit Amstrad im HiFi-Bereich und Schneider gründete zu dem Zweck die Schneider Computer Division.

Bis auf eine optisch unauffälligere Tastatur, bei denen die Tasten einheitlich in Grautönen waren, unterschied sich Schneider CPC vom Amstrad CPC sonst kaum. In Deutschland orientierte sich der Schneider CPC an den Commodore 64, der zu dem Zeitpunkt für 798 D-Mark angeboten wurde. Den CPC bot man daraufhin für 895 D-Mark an – allerdings mit Grünmonitor und Kassettenlaufwerk inbegriffen. Schneider orderte 40.000 Geräte für den Verkaufsstart, weil man sich angesichts der starken Konkurrenz ob des Erfolgs nicht sicher war.

Die Sorgen waren unbegründet: Innerhalb von drei Tagen waren alle Geräte verkauft und Schneider hatte seine liebe Mühe, zeitnah Nachschub zu ordern. Sparfuchs-Eltern wie die des Redakteurs nahmen oftmals den CPC, wenn der C64 auf dem Wunschzettel stand. Der CPC war insbesondere durch den günstigen Preis für die Spiele ein idealer Einstiegscomputer: Die Spiele waren günstig und viele Firmen setzten aufgrund sehr ähnlicher Hardware Spectrum-Spiele für den CPC um, was man ihnen oftmals anhand der Grafikdarstellung anmerkte, wie im Spiel "Saboteur" [5]. Eigenentwicklungen wie "Super Robin Hood" [6] mussten sich nicht vor dem ewigen Rivalen Commodore 64 verstecken, wenn man davon absieht, dass der CPC keinen Text-Modus oder Hardware-Sprites beherrschte. Mit dem CPC starteten im Kinderzimmer viele Programmiererkarrieren.

Super Robin Hood, 1986 für den Schneider CPC erschienen, musste sich nicht vor anderen 8-Bit-Klassikern verstecken: Sprachausgabe, eingängige Musik und stimmungsvolle Grafik zeichneten das von Codemasters veröffentlichte Spiel aus.

(Bild: Screenshot)

In Frankreich lief es noch besser als in Deutschland: Da wurde der CPC innerhalb kürzester Zeit zum Marktführer in den 1980ern, ähnlich in Spanien. Auf der iberischen Halbinsel wurde der CPC 472 verkauft. Der kuriose Grund, weshalb der einen (funktionslosen) Extrachip aufwies, war die spanische Eigenheit, dass Rechner mit 64 KByte mit einer spanischen Tastatur ausgeliefert werden musste. Amstrad wollte die Regelung umgehen, da die einheitliche englische Tastaturbelegung zur Kosteneinsparung verbreitet war. Das klappte nur so lange gut, bis die spanische Regierung die Regelung auf alle Speichergrößen ausweitete, sodass die letzten CPC 472 auch mit spanischer Tastatur ausgeliefert werden mussten.

KC Compact, ein DDR-Klon des Amstrad CPC 464, der trotz einiger kopiebedingten Kniffe wie etwa Logikgatter statt Spezialschaltkreisen zum CPC sehr kompatibel war. Als Hauptprozessor diente der MME 880, der ein unlizensierter Nachbau des Zilog Z80 war.
Spätestens mit der Wiedervereinigung verschwand auch die DDR-Version vom Markt.

(Bild: Enrico Grämer)

Nachfolger kamen einige: Noch 1984 kam der Amstrad CPC 664 auf den Markt – er unterschied sich zum 464 insofern, als er mit einem 3-Zoll-Diskettenlaufwerk statt Kassette ausgestattet war. Der 6128 kam 1985 auf den Markt und hatte ein kompakteres Gehäuse und Diskettenlaufwerk. Laut einem Bericht in der Happy Computer wurden Ende 1985 vom CPC bereits 100.000 Exemplare verkauft. etwa 35.000, vom CPC 6128 und rund 20.000 CPC 664. Es schaffte aber kein weiterer der Nachfolger den Erfolg des CPC 464. Kurz vor dem Mauerfall 1989 erschien mit dem KC Compact eine DDR-Nachbildung des Schneider CPC [7], der von VEB Microelektronik "Wilhelm Pieck" Mühlhausen gebaut wurde.

Dass trotz der unbestreitbaren Erfolge der CPC eher im Schatten des scheinbar übermächtigen C64 steht und das 40. Jubiläum medial etwas unterging, liegt wohl auch daran, dass der C64 so massiv erfolgreicher war. Es wird geschätzt, dass etwa 3 Millionen CPC verkauft wurden, davon allein eine Million in Frankreich, während der C64 auf 17 Millionen Verkäufe kommt. Auch setzte neben der 8-Bit-Konkurrenz die neue Generation 16/32-Bit-Rechner der CPC-Bilanz zu: 1985 erschienen mit Atari ST und Commodore Amiga zwei Rechner, die die Fähigkeiten der 8-Bit-Geräte bei Weitem überstiegen und den Gaming-Markt aufmischten.

Amstrad GX4000: Auf CPC-Basis entwickelte Spielekonsole, die 1990 erschien. Angesichts der Konkurrenz von Nintendo und Sega war die Konsole unterlegen und bereits beim Debüt veraltet.

(Bild: Evan-Amos)

Das hatte Folgen, da Schneider nun auch selbst als Computerhersteller und nicht nur als Lizenznehmer vom Computerboom profitieren wollte: 1988 stellte Schneider den Deutschland-Vertrieb der Amstrad-Rechner ein und brachte stattdessen mit dem (zum CPC inkompatiblen) Schneider Euro PC eigene Rechner auf den Markt. Amstrad reagierte zwar mit dem Versuch, im deutschsprachigen Raum einen eigenen Vertrieb aufzubauen, der aber nie richtig Fuß fassen konnte. Auch in anderen Ländern gingen die Verkäufe zurück. Letzte Versuche der CPC-Wiederbelebung von Amstrad im Jahr 1990 mit CPC464+ und CPC6128+ sowie der Konsole GX400 schlugen fehl, da die dahinterstehende Technologie mittlerweile massiv veraltet war.

Alan Sugar und Amstrad wandten sich Anfangs der 1990er von den 8-Bit-Rechnern ab und hatten mit Bildtelefonen und Satelliten-Technik noch weitere Erfolge, bis Alan Sugar seinen Konzern 2007 an den Pay-TV-Anbieter BSkyB verkaufte. Was bleibt? Bis heute ist eine treue Retro-Szene um den CPC aktiv, über ihre Schätzchen in Foren diskutieren und in Eigenregie Spiele sowie Erweiterungen für den Rechner entwickeln.

(mawi [8])


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[2] https://en.wikipedia.org/wiki/User:KingOfTheMedia
[3] https://creativecommons.org/licenses/by/2.0
[4] http://harzretro.de/
[5] https://www.cpcwiki.eu/zone/game/760/default.htm
[6] https://www.olivertwins.com/superrobinhood
[7] https://www.heise.de/news/KC-compact-Der-letzte-Heimcomputer-der-DDR-4727438.html
[8] mailto:mawi@heise.de