c’t Retro: Sechs IBM-kompatible AT-Komplettsysteme im Test

Schon Mitte der 1980er-Jahre konnte man mit "IBM-kompatiblen" PCs im Vergleich zum Original nicht nur Geld sparen. Je nach Geldbeutel hatte man die Wahl.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Rudolf Opitz

Der PC-Markt war 1986 turbulent: Atari und Commodore verkauften ihre leistungsfähigen PC-Konkurrenten ST und Amiga mit grafischer Oberfläche und Maussteuerung zu Bruchteilen des Preises eines vergleichbaren IBM-AT-Rechners. Für den 16-Bit-PC mit Intels 80286 verlangte IBM aber Höchstpreise. Da "Big Blue" Standardhardware verbaute – nur das BIOS war geschützt –, gab es wie schon für den Vorgänger XT preisgünstigere Nachbauten, die "IBM kompatiblen".

Die Nachbauten nannte man auch PC-Klone, doch waren es keine 1-zu-1-Kopien, denn zumindest das BIOS war nachprogrammiert und PC-DOS lief nicht, sehr wohl aber Microsofts MS-DOS. Der AT setzte aber Standards, was Gehäuse, Tastatur, Netzteil und Mainboard-Abmessungen anging. Viele Händler boten bald AT-kompatible PCs mit frei wählbarer Ausstattung an. Das veranlasste c’t zum ersten großen PC-Vergleichstest im Oktoberheft 1986. Die Autoren Detlef Grell und Eckart Steffens erklärten:

"[...] wir wollten nämlich mal wissen, auf was man sich eigentlich einläßt, wenn man sich – verlockt durch 2000-DM-Mutter-Bretter (Motherboards) – auf die gepriesene AT-Technik einläßt. Sind sie denn nun alle kompatibel oder gar gleich? Schließlich stammt ja so ziemlich alles aus Fernost."

An der letzten Aussage hat sich bis heute nichts geändert, aber 2000-DM-Motherboards? Alleine dafür bekam man einen Atari 260 ST mit Monitor – die D-Mark entsprach übrigens von der Kaufkraft her dem Euro von 2022. Einige dieser AT-Boards enthielten zwar eine serielle oder parallele Schnittstelle, weitere, wie Floppy- und Harddisk-Controller oder die Grafik musste man als Erweiterungskarten zustecken und natürlich separat erwerben.

Wer heute einen PC kaufen will, hat die Wahl zwischen allen möglichen Formen, Größen und Designs, doch die ersten AT-Nachbauten unterschieden sich zumindest optisch kaum.

"Originalität streben wohl die wenigsten AT-Kopierer an, denn ‚original‘, nicht ‚originell‘ soll’s weitestmöglich sein."

Als 1986 das Geschäft mit AT-Nachbauten so richtig anlief, trauten sich die c’t-Redakteure erstmals an einen großen Vergleichstest: AT-Systeme schon ab 6000 Mark – damals ein Schnäppchen.

Es galt, möglichst nahe am Vorbild IBM-AT zu bleiben. Statt des Copyright-geschützten BIOS kam nachprogrammierte "Compatibility Software" zum Einsatz, die die Funktionen des IBM-BIOS mit eigenem Code auf die Hardware umsetzte.

"Mit den allermeisten Softwarepaketen gibt es daher auch keine Fehlfunktionen, denn auf der anderen Seite (des Wirtschaftskuchens) sind Softwarehersteller aus Umsatzgründen natürlich peinlichst darauf bedacht, daß ihre Produkte auf möglichst allen Maschinen laufen."

Das heute als klobig empfundene AT-Gehäuse auf dem Schreibtisch war damals praktisch, denn es nahm alle Komponenten auf, bot viel Platz für Erweiterungen und diente als erhöhter Stellplatz für die Röhrenmonitore. Einiges ist bis heute erhalten geblieben, zum Beispiel das Standard-Layout der IBM-Tastatur Modell M mit 102 Tasten. Die ersten IBM-ATs hatten noch das Modell F mit 84 Tasten, das mit zehn Funktionstasten an der linken Seite dem Layout der PC/XT-Tastatur glich. Einige der getesteten Nachbauten besaßen bereits eine Tastatur mit 102 Tasten, die für unsere Testredakteure noch neu war:

"Die zehn obenliegenden Funktionstasten sind für PC-Benutzer etwas gewöhnungsbedürftig."

Irritierender fanden sie jedoch gemischte Beschriftungen und merkwürdige Eindeutschungen:

"[…] so fand sich auf der Caps-Lock-Taste der Aufdruck ‚Gnoß‘. Ebenso wie die Pyramid-Tastatur ist diese aber noch über den üblichen Rahmen hinaus mit deutschen Aufdrucken versehen, wobei es nicht unbedingt glücklich ist, ‚ESC‘ mit ‚Eing-Lösch‘ und ‚Ctrl‘ mit ‚Strg‘ zu übersetzen, auch wenn letzteres mit ‚Steuerung‘ für ‚Control‘ ungewohnt präzise ist."

Interessierte Leser finden den Artikel zusammen mit der Kaufberatung "PC oder Atari ST?" aus c’t 10/1986 und aus c’t 12/1986 als PDF in unserem Artikel-Archiv.

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(rop)