Kommentar: Intels Tag danach

Intel-Chef Craig Barett hat sich im Katzenjammer für die schlechte Arbeit beim 1,13 GHZ Prozessor entschuldigt.

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Von
  • Andreas Stiller

Intel-Chef Craig Barett hat sich im Katzenjammer für die schlechte Arbeit beim 1,13 GHZ Prozessor entschuldigt: "Wir hätten unseren Job besser machen können" sagte er gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Die finanziellen Auswirkungen des 1,13 GHz-Pentium-III-Desasters sind allerdings vernachlässigbar – an Endkunden sind die Prozessoren nur in homöopathischen Dosen gelangt; Intels Haus- und Hof-Händler Dell etwa hatte nach eigenen Angaben noch überhaupt kein einziges 1,13-GHz-System aufgeliefert.

Dafür hat Intels Ruf großen Schaden genommen. Denn die Fachpresse konnte anhand der wenigen verteilten Muster recht schnell das Versagen des Chips aufdecken – so berichtete auch c't schon in Ausgabe 17 über Schwierigkeiten mit der CPU. Da muss Intels Test- und Validierungs-Crew unter Zeitdruck heftig versagt haben – Zeitdruck, der durch den wahnwitzigen Wettkampf mit AMD um die größte Gigahertz-Zahl hervorgerufen wird. Noch schlimmer als ein Versagen wäre es allerdings, wenn sich die in eWeek aufgestellte Behauptung als richtig erweist, dass Intel schon vor der Auslieferung des Prozessors von Instabilitäten gewusst habe – dies wäre dann doch ein ziemlicher Eklat.

Tom Pabst (Toms Hardware) meldete von Anfang an Schwierigkeiten mit dem Prozessor, demgegenüber hatte c't offenbar ein etwas stabileres Exemplar erwischt. Im VC820-Board hatte dieses im c´t-Labor weder mit Sysmark 2000, noch mit der Linux-Compilation, noch mit dem von Keyle Bennett (hardocp) als Absturzquelle ermittelten Prime95 irgendwelche Schwierigkeiten. Wie in c't 17/2000 berichtet, ließ sich aber auch bei uns der Linux-Compilationsfehler im Asus-Board P3B-F reproduzieren, wogegen Prime95 und Sysmark2000 auch in diesem Board anstandslos liefen. Intels beteuerte damals, das wäre nur ein Problem mit dem richtigen Microcode. Allerdings zeigte ctp2info die gleiche Patch-Version im VC820- und im Asus-Board an.

Schon mehrfach wurden Instabilitäten bei Intels Frontend-Prozessoren festgestellt, c't hatte beispielsweise über Fehler bei den Kompressions-Benchmarks der SPEC-Suite berichtet. Die konnte die Intel-Crew aber mit neuen Microcode-Patches aus der Welt schaffen. Diesmal ist dies aber offenbar nicht gelungen. Intel gibt noch keine genaue Fehleranalyse, schwört aber, dass es sich nicht um einen allgemeinen Fehler des neuen cC0-Steppings handelt, sondern um einen so genannten Speed Path. Diese Speed Paths sind von internen Verzögerungszeiten, Temperatur, Übersprechen, Resonanzen, Rauschen, Erdstrahlen und anderen Animositäten abhängig und begrenzen die obere Geschwindigkeit. Es ist daher durchaus glaubwürdig, dass ein Fehler bei 1 GHz nicht auftritt, wohl aber bei einem um 13 Prozent höherem Takt. Manche Prozessor-Hersteller haben ihre Toleranzen so eng gelegt, dass schon nach 3 bis 4 Prozent Übertaktung Fehler auftreten können. IBM hatte sich damals von Cyrix vor allem auch darin unterschieden, dass sie die Chips aus den gleichen Wafern mit deutlich mehr Spielraum nach oben qualifizierten.

Unter Insidern ist es auch ein Running Gag, dass bei Rise einige hochsensiblen Test- und Yielddaten aus der Produktion bei der Chip-Bäckerei TSMC auf dem FTP-Server öffentlich zugänglich waren, die schön aufzeigten, wie knapp hier kalkuliert wird. Es handelte sich um zwei TAR-Dateien von je 95 MByte, die für Kenner des HP 83xxxx einige interessante Details enthielten.

Bei der "paranoiden" Firma Intel haben wir solche Daten leider noch nicht gefunden. Vom Marktführer war man in diesem Bereich bislang hohe Sicherheitsabstände gewohnt. Insbesondere wird die Einteilung in Geschwindigkeitsklassen (das so genannte Speed Binning) auch nach Marktgesichtspunkten vorgenommen, sodass etwa ein Celeron 300 oft auch mit 566 MHz ohne erkennbare Probleme zurecht kommt. Leider weiß man bei konkreten Chips aber nicht, welches Binning nun vom Markt und welches von den Speed Paths bestimmt wird.

Ein solcher Speed Path (von etwa 1000 getesteten) ist nun in der Hektik bei Intels Testverfahren durchgeschlüpft ("escaped"). Das kann auch an einer Umstellung des Testverfahrens liegen, die bei Intel aktuell im Gang ist. In einigen Jahren jedenfalls werden die Testkosten eines Prozessors diejenigen der Herstellung übertreffen...

Siehe dazu auch den Hintergrundbericht: Prozessortest und -validierung. (as)