Kommentar zu Social-Media-Regulierung: Österreichs Niederlage überrascht nicht​

Für Gesetze über Online-Dienste ist jener EU-Staat zulässig, in dem der Anbieter sitzt. Dienstleistungsfreiheit! Österreich ignoriert das und scheitert.​

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Eingang zu Facebooks Europa-Zentrale in Irland

Der Eingang zu Metas Europa-Zentrale in Irland in einer Archivaufnahme

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 3 Min.

Die Republik Österreich darf Soziale Netze anderer EU-Länder kein zweites Mal regulieren. Solche Normen zu setzen, ist Aufgabe jenes EU-Landes, in dem der jeweilige Betreiber sitzt. Andere Länder dürfen sich nur in Ausnahmefällen einmischen, sagt der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einer aktuellen Vorabentscheidung (Rechtssache C-376/22). Österreich hingegen macht Vorschriften, die ausdrücklich für alle sowohl in- als auch ausländischen Betreiber gewinnorientierter "Kommunikationsplattformen" gelten, die in Österreich mindestens 100.000 Nutzer haben.

Ein Kommentar von Daniel AJ Sokolov

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Daniel AJ Sokolov

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Daniel AJ Sokolov schreibt seit 2002 für heise online, anfangs aus Wien. Seit 2012 versucht der Jurist, als Nordamerika-Korrespondent von heise online Kanadier und US-Amerikaner zu verstehen und ihr Wesen begreiflich zu machen.

Solche "generell-abstrakten" Regelungen für Betreiber, die Kraft ihres Sitzes unter die Gesetze eines anderen EU-Mitglieds fallen, erfüllen nicht die Voraussetzungen für die Ausnahmebestimmungen. Damit verstoßen sie gegen die EG-Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr.

Die Feststellung des EuGH überrascht nicht, denn das österreichische Kommunikationsplattformen-Gesetz verletzt eine der vier Grundfreiheiten der EU, nämlich die Dienstleistungsfreiheit. Österreich hat versucht, sich rechtlich durchzuwurschtln, doch Google, Meta Platforms und Tiktok haben sich gewehrt. Zu Recht.

Ja, es gibt Ausnahmen von der Dienstleistungsfreiheit im digitalen Raum: Für den Schutz öffentlicher Sicherheit, Ordnung oder Gesundheit sowie für Verbraucherschutz dürfen EU-Mitgliedstaaten sehr wohl angemessene Maßnahmen hinsichtlich eines bestimmten Dienstes der Informationsgesellschaft ergreifen, selbst wenn dieser bereits den Vorschriften eines anderen EU-Mitglieds unterliegt [–] aber nur, sofern dieser Dienst "eine ernsthafte und schwerwiegende Gefahr" für die genannten Ziele darstellt.

Ein österreichisches Gesetz, das eine Grundlage dafür schafft, im Notfall angemessene Maßnahmen für bestimmte Diensteanbieter zu ergreifen, wäre unproblematisch; doch das von Google, Meta und Tiktok bekämpfte Kommunikationsplattformen-Gesetz erfasst alle großen Diensteanbieter von vornherein, egal, ob von diesen "ernste und schwerwiegende Gefahr" ausgeht. Damit fällt das Kommunikationsplattformen-Gesetz nicht unter die Ausnahme, und das wusste die Bundesregierung in Wien von vornherein. Das lässt sich daran ablesen, dass sie "vergessen" hat, die EU-Kommission sowie andere Mitgliedsstaaten (insbesondere Irland) über die österreichischen Maßnahmen zu informieren.

Dabei gilt sei über 20 Jahren, dass ein Mitgliedsland die Kommission und das eigentlich zuständige EU-Land informieren müssen, wenn ein Eingriff in dessen Regulierungshoheit geplant ist. Die EG-Richtlinie ist sogar flexibel: In besonderen Notfällen, die keinerlei Aufschub dulden, darf die Mitteilung auch im Nachhinein erfolgen. Doch weder liegt ein solcher Extremfall vor noch hat Österreich die zuständigen Stellen schnell im Nachhinein informiert.

Da hilft es auch nicht, wenn Österreich durch sein Gesetz einen Schritt gegen Hass im Netz und für respektvollen Umgang miteinander machen möchte. Auch ich habe treffliche Vorstellungen dazu, wie diverse Dinge besser geregelt wären. Nur bin ich eben nicht dafür zuständig, das vorzuschreiben.

(ds)