1C2: Kunst trifft Hacker

Auf der neuen Konferenz des Chaos Computer Clubs und der Kunsthochschule für Medien Köln suchten unterschiedliche Gruppen mit dem Phänomen Überwachung umzugehen.

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1C2: Kunst trifft Hacker

Der Chaos Computer Club hisste seine Fahne an der Kunsthochschule für Medien in Köln.

(Bild: heise online / Torsten Kleinz)

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Von
  • Torsten Kleinz

Knapp 350 Teilnehmer waren am Wochenende zu der neuen Konferenz des Chaos Computer Clubs Cologne an die Kunsthochschule für Medien Köln gekommen. Hacker und Künstler tauschten sich dort vor allem über die zunehmende Überwachung aus.

Die Netzkunst-Pionierin Cornelia Sollfrank zeigte sich optimistisch, dass das Phänomen der Überwachung zwei Jahre nach den ersten Enthüllungen Edward Snowdens endlich im gesellschaftlichen Dialog angelangt ist: "Es lässt sich sagen, dass sich etwas verändert hat oder im Begriff ist, sich zu verändern." So verwies sie auf die Flut von Filmen zur NSA und den Whistleblowern oder Theaterstücken wie Supernerds, das Ende Mai am Schauspiel Köln uraufgeführt wird.

Christoph Wachter (links) und Mathias Jud experimentieren künstlerisch mit
Mesh-Netzwerken

(Bild: heise online / Torsten Kleinz)

Auch Bildhauer entdecken das Thema: So hatten Künstler eine Snowden-Büste in einem Park in Brooklyn installiert, der italienische Künstler Davide Dormino tourt mit Statuen von Edward Snowden, Julian Assange und Chelsea Manning durch verschiedene Städte. Begeistert zeigte sich Sollfrank von der Herangehensweise des US-Komikers John Oliver, der die Überwachungsprogramme der NSA im Interview mit Edward Snowden auf die Frage heruntergebrochen hatte, ob die Geheimdienste Penisbilder abfangen können.

Der Begeisterung für die Whistleblower konnte der Netzaktivist Stephan Urbach hingegen wenig abgewinnen. Er verurteilte den Personen-Kult: Für Snowden werde die größte Asylkampagne inszeniert, während die existenzbedrohende Not der Flüchtlinge übersehen werde. Überhaupt sei die Aufregung um die Überwachung der Geheimdienste wie des BND angesichts der alltäglichen Not überzogen: "Hartz IV ist konkrete Überwachung, die auch Menschen in den Tod treibt", sagte Urbach. Auch Cryptoparties als Gegenmittel für die fortschreitende Überwachung verurteilte der Aktivist: "Wenn wir verschlüsseln, sind wir nicht bereit, Konsequenzen zu tragen."

Dosenantennen dienen als Grundlage für das Mesh-Netzwerk Qaul

(Bild: heise online / Torsten Kleinz)

Kommunikation als "Werkzeug für die nächste Revolution" beschäftigt die Künstler Christoph Wachter und Mathias Jud. So setzten sie einst das Projekt Picidae um, das zensierte Seiten über Screenshots zugänglich macht. Mit ihrem neuen Projekt Qaul bauen sie dezentrale Mesh-Netzwerke über WLAN auf. Mit Hilfe von Dosenantennen banden die Künstler von Armut geprägte Nachbarschaften in den Vororten von Paris ans dringend benötigte Internet an oder funkten Botschaften zwischen den Berliner Abhörposten von NSA und GHCQ.

Der Dialog unter den verschiedenen Gruppen kam auf der Konferenz nur verhalten in Gang. Drohnen-Bastler ließen Quadrocopter mit Plakaten steigen, Maker boten Strickkurse an und Programmierer zeigten die visuellen Möglichkeiten von OpenGL. Für eine eine Debatte auf gleicher Augenhöhe oder gar gemeinsame Aktionen fehlte jedoch oft der Rahmen.

Dass Hacker und Künstler jedoch auf der gleichen Wellenlänge liegen können, zeigten Michael Leinkauf und Mathias Wermke, die seit Jahren mit ihren Kunstsabotagen den öffentlichen Raum neu erobern. So fuhren sie mit einer selbstgebauten Draisine im laufenden Verkehr durch das S-Bahn-Netz von Berlin und überaschten Bus- und Bahnfahrer, indem sie unaufgefordert die Windschutzscheiben der Fahrzeuge putzten. "Wir werden nicht müde, uns die Stadt zu nehmen", sagte Leinkauf in Köln. Dabei schrecken sie auch nicht vor gefährlichen oder illegalen Aktionen zurück.

Matthias Wermke (links) und Mischa Leinkauf erobern den öffentlichen Raum
zurück

(Bild: heise online / Torsten Kleinz)

Ihren internationalen Durchbruch erreichten sie in einer spektakulären Aktion im Sommer 2014, bei der sie unbemerkt von der allumfassenden Videoüberwachung in New York die US-Flaggen auf der Brooklyn Bridge gegen weiße Flaggen austauschten. Die teilweise hysterische Reaktionen von Politikern und Medien, die den Flaggentausch zur quasi terroristischen Bedrohung erklärten, erinnerte an die Debatten, die Netzaktivisten wie Anonymous mit ihren DDOS-Attacken auslösten. Obwohl die Künstler die Original-Flaggen inzwischen über die Berliner US-Botschaft zurückerstattet haben, ist ihnen die Rückkehr in die USA verwehrt: Noch läuft ein Strafverfahren gegen die beiden Künstler, die Strafandrohung für das unerlaubte Erklimmen von Gebäuden wurde inzwischen auf eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren erhöht. "Sie versuchen die letzte Lücke zu schließen, die nicht zu schließen ist", sagte Leinkauf. Eine eindeutige politische Botschaft will das Künstlerduo jedoch nicht senden. "Wir machen das, um an die Bilder zu gelangen", sagte Leinkauf im Gespräch mit heise online. (anw)