5G-Netz von 1&1: Unterwegs im ersten Open RAN in Deutschland

Das Unternehmen 1&1 aus Montabaur baut in Deutschland derzeit sein eigenes 5G-Netz mit Open-RAN-Architektur auf. Wir haben es ausprobiert.

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1&1-Funkmast

(Bild: heise online/sht)

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Mit dem eigenen Netz von 1&1 gibt es nach der Deutschen Telekom, Vodafone und Telefonica einen vierten Mobilfunkbetreiber in Deutschland. Oder besser: Wird es geben, denn noch steht das 1&1-Netz ganz am Anfang. Wir haben es ausprobiert.

Zunächst der wichtigste technische Aspekt: 1&1 baut sein Mobilfunknetz anders auf als die bestehenden Netze. Es handelt sich hierbei um ein sogenanntes Open RAN. Open RAN ist ein neuer Ansatz, um 4G- und 5G-Mobilfunknetze mit standardisierten Komponenten und damit anbieterunabhängig aufzubauen. Das Kürzel RAN steht für “Radio Access Network”, also die vollständige Technik des Mobilfunknetzes, von der Backbone-Anbindung bis zu den Radio Heads, also den Basisstationen.

Anders als proprietäre Netzwerke, die als Blackbox aus einer Hand geliefert wurden, kann ein Open RAN in viele standardisierte Komponenten aufgebrochen werden, die miteinander über standardisierte, also offene und interoperable Schnittstellen kommunizieren. Dadurch können die Komponenten von unterschiedlichen Herstellern stammen. Der modulare Aufbau ermöglicht es, viele Komponenten zu virtualisieren, also beispielsweise als Clouddienst bereitzustellen statt in Servern vor Ort, und Apps von Drittanbietern auf allen Netzebenen einzubetten.

So unterscheidet sich der aufbau eines OPNE RAN von einem herkömmlichen Netz.

(Bild: 1&1)

Zu den Vorteilen von Open RAN gehört neben der größeren Auswahl an Komponenten die Schnelligkeit bei der Entwicklung. Die komplette Netzsteuerung findet rein Software-basiert auf gängigen Servern statt. 1&1 muss keine bestehende Infrastruktur mitziehen, die bei den Mitbewerbern von 2G über 3G und 4G im Laufe von Jahrzehnten gewachsen ist, sondern baut ein 4G- und 5G-Netz komplett neu auf. Die Bezeichnung “das modernste Netz Europas” verteidigte 1&1 gar erfolgreich vor Gericht, die Klage kam von der Telekom.

Mit nur drei 5G-Frequenzbändern, derzeit auf 2600 und 3500 MHz, ist das 1&1-Netz nicht übermäßig komplex aufgebaut. Nach den Vorgaben der Bundesnetzagentur muss 1&1 bis zum Jahr 2025 ein Viertel, bis 2030 die Hälfte des Ausbaus geschafft haben. Das wären 12600 Standorte mit je drei Antennen in 390 größeren und kleineren Städten. Hinzu kommen über 500 regionale Rechenzentren, 24 Edge-Rechenzentren und vier sogenannte Core-Rechenzentren. Diese sind untereinander via Glasfaser verbunden. Die Technik an den Antennenstandorten selbst ist weniger aufwändig als bei einem herkömmlichen Netz.

1&1 hat sich für den Aufbau des Netzes mit dem japanischen Rakuten-Konzern zusammengetan, der das derzeit einzige weitere kommerzielle Open-RAN-Netz betreibt. Rakuten fungiert dabei als eine Art Generalunternehmer, der die weiteren beteiligten Firmen – die Rede ist von rund 80 Partnern – bündelt. Wie 1&1 im Gespräch versichert, seien die Verträge jedoch allesamt so gestaltet, dass das Unternehmen aus Montabaur auch direkt mit Zulieferern und Partnern arbeiten kann, sollte es zwischen Rakuten und weiteren Anbietern in einigen Konstellationen zu Problemen kommen. Im gesamten eigenen Netz will 1&1 auf Komponenten chinesischer Hersteller verzichten.

Wer mit einer SIM-Karte von 1&1 im 5G-Netz funkt, tut das derzeit in aller Regel über nationales Roaming über Telefónica. Aktuell sind deutschlandweit etwa 1000 eigene 1&1-Antennen am Netz, verteilt über zahlreiche Städte und Ortschaften. Zum Testzeitpunkt waren es in Berlin ganze drei. Die genauen Standorte macht 1&1 nicht öffentlich, doch so viel sei gesagt: Sie liegen nicht im Zentrum der Hauptstadt oder in der Nähe touristischer Hotspots, sondern in Randbezirken mit geringer Wohnbebauung. Dass 1&1-Kunden in Berlin zufällig in einer Open-RAN-Zelle von 1&1 senden und empfangen, ist aktuell äußerst unwahrscheinlich, zumal die Empfangsanzeige am Smartphone keine Auskunft darüber gibt, ob das Smartphone über National Roaming eingebucht ist oder nicht.

Wir haben als Stichprobe mit zwei SIM-Karten mehrere Geschwindigkeitstests in den Berliner 1&1-Zellen durchgeführt. Zum Einsatz kamen ein Apple iPhone 13 Pro mit X60-Modem von Qualcomm sowie ein Nothing Phone (2a) mit einer Funkeinheit von Mediatek. Mit dem iPhone konnten wir im Download zwischen 111 und 341 Mbps erreichen, im Upload bewegten sich die Messwerte zwischen 30,7 und 54 Mbps. Daraus ergaben sich Durchschnittswerte von 244 bzw. 40,44 Mbps. Das Nothing Phone (2a) zeigte weniger starke Schwankungen und schaufelte die Daten mit 293 bis 325 Mbps im Download und 44,8 bis 53,9 Mbps im Upload hin und her. Die durchschnittlichen Messwerte lagen mit 306 Mbps im Down- und 47,51 Mbps im Downstream deutlich über denen, die wir mit dem iPhone erreicht haben.

Die genauen Standorte der Funkmasten macht 1&1 nicht öffentlich.

(Bild: heise online/sht)

Durchaus stabile Geschwindigkeiten also, allerdings deutlich weniger, als mit einer 1&1-SIM im Partnernetz von Telefónica möglich sind. Unsere Messungen über National Roaming gingen bei den Downloadraten weit darüber hinaus. Mit beiden Smartphones schafften wir immer wieder deutlich über 500 Mbps, die Uploadraten waren vergleichbar. Über alle Messungen hinweg lieferte das Nothing Phone (2a) mit dem Mediatek-Modem erneut die konstanteren und höheren Übertragungsgeschwindigkeiten: 397 vs. 380 Mbit im Down- und 49,4 vs. 40,2 Mbps im Upstream. Anders als in den 1&1-Zellen kam es allerdings im Roaming-Betrieb vereinzelt zu auffällig langsamen Messungen zwischen 10 und 30 Mbps down und unter 5 Mbps up. Eine Minute später lagen die Messwerte allerdings immer wieder auf dem gewohnten Niveau.

Beim National Roaming arbeitet 1&1 derzeit am Umstieg von Telefónica zu Vodafone. Ausgerechnet Vodafone, könnte man sagen, denn mit dem Provider lag man sich über Kreuz hinsichtlich des Aufbaus des eigenen Netzes. Funkmastbetreiber Vantage Towers, eng mit Vodafone verbunden, hatte Vorgaben zum Ausbau bei 1&1 massiv unterschritten, während man zeitgleich zahlreiche Vodafone-Standorte ans Netz brachte. Der Streit ging bis zum Bundeskartellamt – Ausgang offen.

(sht)