800 statt 600 Watt: Neuregelungen für Balkonkraftwerke verzögern sich

Zum 1. Januar 2024 sollten eigentlich neue Regeln für Balkonkraftwerke gelten. Warum es bei diesem und anderen Photovoltaik-Vorhaben des Bundes aktuell hakt.

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(Bild: nnattalli / Shutterstock.com)

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"Mehr Solarstrom, weniger Bürokratie" – so einfach und verlockend die Formel klingt, unter der das Bundeskabinett im Sommer 2023 sein Solarpaket 1 zusammenfasste, so schwierig gestaltet sich offenbar der Weg zum Ziel. Der Stichtag 1. Januar 2024, der ursprünglich als Einführungstermin der neuen Regelungen vorgesehen war, ist verstrichen, ohne dass das Gesetz fertig ist. Balkonkraftwerke, im Amtsdeutsch steckerfertige Erzeugungsanlagen, dürfen damit weiterhin nur eine maximale Leistung von 600 Watt abgeben, nicht aber 800 Watt, mit denen viele Verkäufer von Sets schon seit Monaten werben. Auch geplante Vereinfachungen für Photovoltaikanlagen auf Mehrfamilienhäusern sowie etliche weitere Punkte hängen in der Schwebe. Wann die politischen Beratungen zu einem Ergebnis kommen, ist noch unklar.

In der letzten Bundestagssitzung vor der Weihnachtspause am 15. Dezember ging es nur um einen Bruchteil dessen, was im Gesetz zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und weiteren energiewirtschaftsrechtlichen Vorschriften zur Steigerung des Ausbaus photovoltaischer Energieerzeugung eigentlich vorgesehen war. Die Parlamentarier beschlossen mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP verlängerte Fristen für die Realisierung von Windkraftanlagen und für die roten Warnlichter auf selbigen, die künftig nur noch bei Bedarf und nicht ständig aufleuchten sollen. Die vorgesehene Pflicht soll erst später kommen, weil einige Hersteller Lieferschwierigkeiten haben, womit die Eile bei diesen Punkten begründet wurde.

Was jedoch aus den restlichen Punkten geworden ist und warum nicht zumindest weitere Teilvorhaben vorgezogen wurden, vermag nicht einmal das Bundeswirtschaftsministerium zu sagen. Ein Sprecher verwies hierzu auf den Wirtschaftsausschuss des Bundestages.

Das Solarpaket 1 sieht neben einer höheren maximalen Leistung von Steckersolaranlagen (800 statt 600 Watt) eine vereinfachte Anmeldung vor. Die Meldung ans Marktstammdatenregister soll künftig genügen, der lokale Netzbetreiber wäre dann nicht mehr auf einem separaten Formblatt zu informieren. Auch die vorherige Installation eines Zweirichtungsstromzählers soll entfallen. Stattdessen dürften sich alte Stromzähler (sogenannte Ferraris-Zähler) übergangsweise rückwärts drehen, wenn das Balkonkraftwerk mehr Strom erzeugt als in der Wohnung verbraucht wird – solange, bis der Zähler getauscht wird.

Der vom Kabinett in das Parlament gegebene Entwurf des Solarpakets sieht außerdem Verbesserungen beim Mieterstrom, die Einführung einer gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung mit PV-Strom und die Stärkung des Ausbaus von Freiflächenanlagen vor. Es geht um schnellere Anschlüsse und weniger Hürden beim Bau neuer Anlagen, um den Ausbau der Photovoltaik weiter und schneller voranzutreiben. Die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung ergänzt bestehende Mieterstrommodelle, mit denen Anlagenbetreiber in Mehrfamilienhäuser den Strom im eigenen Haus verkaufen können. Das neue Verfahren, das wir bereits ausführlich beschrieben haben, kommt ohne aufwendigen Umbau der Verkabelung aus.

Die Bundestagsdebatte Mitte Dezember lieferte zumindest Anhaltspunkte dafür, wo es aktuell hakt. Katrin Uhlig (Grüne) ließ Nachbesserungsbedarf erkennen und berichtete von Gesprächen mit Handwerkern und Bürgern, die aufgezeigt hätten, wo weiterer Bürokratieabbau notwendig sei. Mark Helfrich von der CDU verwies auf alternative Vorschläge der CDU/CSU-Fraktion, die 20 Forderungen zusammengetragen habe. Er kritisierte zudem den weiteren Aufschub. Möglicherweise ist sich auch die "Ampel" im Bund nicht ganz einig: Konrad Stockmeier (FDP) mahnte zu Gründlichkeit statt Eile in der laufenden Beratung. Die Solarpläne müssten "synchron laufen" mit dem Netz- und Speicherausbau.

In die Verschiebung sollen aber vor allem die Haushaltsprobleme des Bundes hineingespielt haben. Einer Drucksache zum Beratungsverlauf des Ausschusses für Klimaschutz und Energie von Mitte Dezember ist zu entnehmen, dass sich die Bundesregierung einen kompletten Abschluss des Gesetzentwurfs im Jahr 2023 wünschte. Dies habe aber aufgrund der Haushaltsprobleme nicht erfolgen können. In welchem Zusammenhang diese Probleme zu diversen Punkten im Solarpaket stehen, bleibt unterdessen unklar. Erleichterungen bei den Steckersolaranlagen sowie die Einführung der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung hätten den Bund zum Beispiel kein Geld gekostet.

Doch nicht nur im Bundestag, auch beim "Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik" (VDE) stockt die Arbeit an der geplanten Produktnorm für steckerfertige PV-Anlagen. Entsprechende Pläne wurden bereits Anfang 2023 laut. Am 13. Dezember wurde in Frankfurt am Main über die eingegangenen Einsprüche beraten. Mehr als 750 Stellungnahmen seien eingereicht worden. Der Verband rechnet damit, dass im Jahr 2024 immerhin die Produktnorm für Balkonkraftwerke als Vornorm veröffentlicht werden kann. Zentraler Punkt ist neben der höheren Leistungsgrenze (800 statt 600 Watt) das Abrücken vom Wieland-Stecker, der bislang aus Sicherheitsgründen erwartet wurde. Künftig würde es die Norm stattdessen auch gutheißen, wenn Anlagen per Schuko-Stecker angeschlossen werden. Das dürfte gleichwohl in den meisten Fällen sowieso längst Realität sein. Auch die 800-Watt-Grenze ist bei den Betreibern solcher Anlagen offenbar schneller angekommen als beim Gesetzgeber: Im Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur finden sich bereits über 12.000 als Balkonkraftwerke eingetragene Anlagen mit 800 Watt Wechselrichterleistung – die Dunkelziffer dürfte ungleich höher sein.

(mki)