Abmahnungen auch für Leecher?

Erste Hinweise darauf, dass Anwälte nicht nur für angebotene, sondern auch für lediglich heruntergeladene Dateien abmahnen

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Von
  • Peter Mühlbauer

Bisher wurden Abmahnungen nach eigenen Angaben der Medienindustrie und der Abmahnanwälte nur dann verschickt, wenn Musik- Film- oder Programmdateien zum Upload angeboten wurden. Die ersten Jahre gab es zudem offenbar Abmahnungen lediglich für solche Dateien, welche Filesharingnutzer komplett in ihren mit anderen Teilnehmern geteilten Ordnern stehen hatten.

Nun gibt es in Abmahnforen erste Hinweise darauf, dass auch solche Filesharingnutzer abgemahnt werden, die mit modifizierten Clients lediglich etwas herunter- aber nichts heraufladen, so genannte "Leecher". Rechtlich möglich ist dies spätestens seit dem Inkrafttreten des Zweiten Korbes der Urheberrechtsreform im letzten Jahr. Schon nach der Ersten Urheberrechtsnovelle im September 2003 hatte die Medienindustrie behauptet, dass nun auch Downloads in Filesharingsystemen verboten seien. Aufgrund der Formulierung, dass die Kopien mittels einer "rechtswidrig hergestellten Vorlage" erstellt worden sein müssen, gaben seriöse Juristen einer Anwendbarkeit der Vorschrift für Downloads aus P2P-Systemen jedoch kaum Chancen. Deshalb wurde die Formulierung im letzten Jahr geändert. Allerdings besteht weiterhin die Einschränkung, dass es für den Benutzer "offensichtlich" sein muss, dass die Datei ohne Lizenz "öffentlich zugänglich gemacht" wird. Gerichtlich wurden solche Fälle bisher noch nicht entschieden.

Teile der Medienindustrie könnten sich mit solch einer Strategie jedoch selbst ein Bein stellen: Telepolis liegt die Kopie eines Vertrages mit der Firma DigiProtect vor, in der dieser die "ausschließlichen Rechte" daran übertragen werden, einen Film "über dezentrale Computernetzwerke auszuwerten und öffentlich zugänglich zu machen". Ob und wie Firmen wie DigiProtect Filme wirklich anbieten, blieb bisher im Unklaren: In jedem Fall nutzen sie aber ihre Monopolrechte in einer Vielzahl von Fällen, um andere "Anbieter" dieser Filme in Tauschbörsen abzumahnen und Lizenzgebühren beziehungsweise "pauschalen Schadensersatz" zu kassieren. Abgemahnte Benutzer könnten sich aufgrund solcher Verträge vor Gericht möglicherweise darauf berufen, dass sie davon ausgehen mussten, dass die im Filesharingsystem angebotene Datei von einer Firma wie DigiProtect stammt.

Möglich ist jedoch auch, dass die Abmahnungen für lediglich heruntergeladene Dateien, gar nicht absichtlich, sondern quasi aus "Schlamperei" entstanden: indem nämlich nicht auf ein technisch relativ aufwändiges Verfahren, wie es etwa die Firma Logistep benutzt, zurückgegriffen wurde, sondern einfach die IP-Nummern auf dem Server abgeschrieben wurden.

Update: Laut einem Filesharungnutzer, der trotz Verwendung eines nur für Down- und nicht für Uploads geeigneten Clients abgemahnt wurde, bezieht sich das Anwaltsschreiben, das ihm zugestellt wurde, nicht auf das Herunterladen, sondern auf das angebliche Anbieten einer Datei - was seinen Angaben zufolge technisch nicht möglich war. (pem)