Amnesty International fordert Aussetzung von Googles Cloud-Plan in Saudi-Arabien

In Saudi-Arabien werden Dissidenten staatlich überwacht und bedroht. Die Google Cloud könnte der Überwachung Vorschub leisten und Menschenrechte gefährden.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 3 Kommentare lesen

(Bild: achinthamb/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

Amnesty International hat zusammen mit 38 weiteren Menschenrechtsorganisationen und einzelnen Menschenrechtlern Google in einer öffentlichen Erklärung dazu aufgefordert, die Einrichtung einer Cloud-Region in Saudi-Arabien aufzugeben. Google solle zunächst nachweisen, wie daraus erwachsene, mögliche nachteilige Auswirkungen auf die Menschenrechte in dem Land verringert werden können.

Die Bilanz der Menschenrechte in Saudi-Arabien fällt traurig aus, sagt Rasha Abdul Rahim, Direktor von Amnesty Tech, einem weltweiten Zusammenschluss engagierter Juristen, Hacker, Forscher und Technologen. Die digitale Überwachung von Dissidenten in Saudi-Arabien mache es zu einem "unsicheren Land", in dem Google seine Cloud-Plattform hosten will. Den saudischen Behörden könnten Googles Pläne in die Karten spielen und noch mehr Möglichkeiten als bisher eröffnen, um etwa Netzwerke zu infiltrieren und persönliche Daten von missliebigen friedlichen Aktivisten und Andersdenkenden zu erhalten, die sich gegen die politische Führung des Landes stellen. Wie Amnesty International ausführt, werden Dissidenten in Saudi-Arabien wegen ihrer Äußerungen verhaftet und gefoltert.

Deshalb soll Google seine Pläne zur Einrichtung einer Cloud-Region in Saudi-Arabien solange einfrieren, bis der US-Konzern nachweist, wie ein möglicher staatlicher Missbrauch der Cloud-Plattform verhindert werden kann. Denn Google hat im Dezember 2020 mit dem staatlichen Gas- und Ölkonzern Saudi Aramco eine Vereinbarung geschlossen, die vorsieht, in Saudi-Arabien eine Cloud-Region einzurichten und Enterprise Cloud-Dienste anzubieten. Schwerpunktmäßig ziele die Vereinbarung auf Unternehmen im Königreich Saudi-Arabien ab. Behörden könnten einfachen Zugang zu Daten und zur Kommunikation missliebiger Bürger erhalten.

Das Königreich habe in den vergangenen Jahren gezeigt, dass es sich stark in der digitalen Ausspionierung seiner Bürger engagiert und beispielsweise Dateien, Chats, E-Mails und Fotos durchsucht – beispielsweise durch den Einsatz von Spyware. Amnesty International weist hier auf ein Beispiel hin, in dem ein Mobiltelefon eines saudischen Aktivisten 2018 mit einer Spyware infiziert gewesen sein soll. Behörden hätten so vollen Zugriff auf die Kommunikation und die Kamera des Gerätes erlangt.

Im selben Jahr sei ein saudischer Rechtsaktivist sowie ein Mitarbeiter Amnesty Internationals nachweislich in das Visier der saudischen Botschaft geraten. Dabei wurde versucht, ihnen über einen an sie gesendeten Link das Überwachungs-Tool "Pegasus" unterzujubeln, das von der israelischen NSO-Group entwickelt und angeboten wird. Offenbar ist der Einsatz der Software kein Einzelfall, denn NSO wurde erst Anfang Mai erneut von Menschenrechtsorganisationen dafür gerügt, die Menschenrechte durch das Anbieten der Software nicht ernst zu nehmen. Offenbar habe Saudi-Arabien "Pegasus" 2020 eingesetzt, um 36 private Mobiltelefone von Mitarbeitern des katarischen Nachrichtensenders Al Jazeera zu überwachen. In mehreren Staaten laufen Klagen gegen die NSO-Group. So auch in den USA, in denen WhatsApp-Konten mit "Pegasus" gehackt wurden.

2019 wurden in den USA außerdem zwei Twitter-Mitarbeiter vom US-Justizministerium beschuldigt, für Saudi-Arabien spioniert zu haben. Sie hätten auf private Informationen saudischer Dissidenten zugegriffen, die Twitter zur Kommunikation genutzt hatten.

Behörden Saudi-Arabiens hatten schon früher die Identität eines Kritikers über Twitter feststellen und ihn entlarven können. Abdurahman a-Sadhan verbüßt seit April 2021 eine 20-jährige Haftstrafe. Seit dem Jahr seiner Festnahme 2018 hat er kaum Kontakt zur Außenwelt gehabt.

Google stehe in der Pflicht, Menschenrechtsverletzungen, die durch den Einsatz ihrer Technik ermöglicht werden, zu verhindern. Google hätte hier eine Sorgfaltspflicht, schrieben die Bürgerrechtsorganisation Access Now und die Canadian Internet Policy and Public Interest Clinic (CIPPIC) in einem offenen Brief an Google im Januar 2021. Google hatte daraufhin bekräftigt, sich für Menschenrechte einzusetzen. Eine unabhängige Menschenrechtsbewertung für die Google Cloud-Region in Saudi-Arabien sei erfolgt und es seien Schritte unternommen worden, um ermittelte Probleme anzugehen. Welche Schritte das waren, nannte Google nicht. Auf die nun neuen Forderungen von Amnesty International und anderen Menschenrechtsorganisationen hat Google zunächst nicht reagiert.

(olb)