Angst vor Whistleblowing: Großteil von Polizeibeamten befürchtet Konsequenzen

Laut einer Umfrage unter 558 Polizisten meldet über die Hälfte Fehlverhalten nicht aus Sorge vor negativen Reaktionen. Neue Schutzvorgaben sind kaum bekannt.

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Nahaufnahme eines Polizeiautos

(Bild: Pradeep Thomas Thundiyil/Shutterstock.com)

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Die Polizei gilt momentan nicht als Hort der Transparenz. Dabei gibt es immer wieder Berichte über rassistische oder sexistische Übergriffe sowie rechtsextreme Tendenzen etwa in Chatgruppen von Beamten. 20 Prozent von 558 Polizisten von Bund und Ländern, die das Meinungsforschungsinstitut Verian im Rahmen des von der Alfred Landecker Foundation geförderten Projekts "Mach Meldung!" zwischen 24. Januar und 6. Februar befragte, haben nach eigenen Angaben Fehlverhalten wie Straftaten oder verfassungsfeindliche Äußerungen von Kollegen bereits bemerkt, 13 Prozent wurde solches zugetragen. Selbst meldeten dies insgesamt aber nur 23 Prozent an Vorgesetzte oder einen Polizeibeauftragten, wie ihn der Bundestag am Donnerstag mit Uli Grötsch (SPD) erstmals für die einschlägigen Bundesbehörden wählte.

Mit 55 Prozent gab über die Hälfe der Teilnehmer an der jetzt von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) als weiterer Projektunterstützerin veröffentlichten Studie an, Angst vor negativen Reaktionen von Kollegen sei ein Hemmnis dafür, bei beobachtetem Fehlverhalten Alarm zu schlagen. 48 Prozent nannten als Grund dafür die befürchtete Konfrontation mit der gemeldeten Person. Mit 42 Prozent spielt auch die Sorge vor negativen Konsequenzen für die berufliche Laufbahn eine große Rolle. Eine Lösung könnten vertrauliche Meldewege sein: 62 Prozent der befragten Polizisten halten solche anonymen Möglichkeiten für nötig, um bei einem einschlägigen Hinweis besser geschützt zu sein.

Ein Großteil der einbezogenen Polizisten fühlt sich nicht hinreichend über ihren rechtlichen Schutz und die für sie zuständige interne Meldestelle in Kenntnis gesetzt. Dabei sind Dienstherren mit dem im Juni 2023 in Kraft getretenen Hinweisgeberschutzgesetz verpflichtet, Mitarbeiter über ihre neuen Rechte aufzuklären. Über zwei Drittel der Befragten gaben aber an, dass sie nicht informiert worden sind (74 Prozent). An Interesse mangelt es indes nicht, denn gut die Hälfte der Teilnehmer hätte gerne über das Thema mehr wissen (53 Prozent).

In einer eng verwobenen Einheit wie der Polizei sei es oft schwierig, beobachtetes Fehlverhalten zu melden, heißt es auf der Webseite des Projekts. Die stellenweise gefährliche Arbeit verlange, sich vielleicht sogar mit dem Leben aufeinander verlassen zu können. So entstehe ein starker Zusammenhalt, der davon abhalten könne, selbst schwere Verstöße von Kollegen bekannt zu machen. Sonst müsse man sich oft als Nestbeschmutzer, Verräter oder Denunziant beschimpfen lassen. Doch gerade bei der Polizei sei Transparenz unabdingbar. Denn die Ordnungshüter hätten weitreichende Handlungsmöglichkeiten wie freiheitsbeschränkende Maßnahmen, Durchsuchungen und die Anwendung unmittelbaren Zwangs. All das greife tief in Grundrechte der Betroffenen ein.

"Ein Missbrauch dieser Befugnisse und damit ein schwindendes Vertrauen in den Rechtsstaat muss mit allen Mitteln verhindert werden", schreibt die GFF. Bislang komme Fehlverhalten innerhalb der Polizei aber meist nur zufällig ans Licht. Aufklärung spiele daher eine entscheidende Rolle. So könnten Hinweisgeber nach dem Gesetz zum Whistleblowerschutz für eine ordnungsgemäße Meldung nicht verantwortlich gemacht werden. Auch dürften sie keine Repressalien wie Entlassung, schlechte Beurteilung, Anfeindungen, Benachteiligungen erfahren. Trotzdem weise das Gesetz Lücken auf – insbesondere beim Schutz von Hinweisgeber in Sicherheitsbehörden. So seien etwa anonyme Meldungen und ein Schadensersatz für immaterielle Schäden nicht vorgesehen. Zudem habe der Gesetzgeber Bußgelder für Arbeitgeber, die die Vorgaben nicht einhalten, von 100.000 auf 50.000 Euro herabgesetzt.

(mho)