Auto-Patentkrieg: Daimler einigt sich mit Sharp

Der deutsche Autobauer erwirbt Lizenzen für LTE-Technik von Sharp. Die Einigung mit der Foxconn-Tochter kann der Autobauer als Gewinn verbuchen.

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Auto-Patentkrieg: Daimler einigt sich mit Sharp

In den meisten Benzen wird mit Huawei telefoniert.

(Bild: Daimler AG)

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In einem der zahlreichen Rechtsstreitigkeiten über den Einsatz patentgeschützter Mobilfunktechnik in Kraftfahrzeugen haben sich der Daimler-Konzern und der japanische Elektronikhersteller Sharp auf ein Lizenzabkommen verständigt. Das teilte Sharp am Mittwoch in Tokio mit. Zugleich zieht der japanische Hersteller weitere Klagen gegen den Autobauer zurück, bestätigte ein Daimler-Sprecher gegenüber heise online.

In der Einigung geht es um einige LTE-Patente. Im größten Teil der Flotte verwendet Daimler Komponenten mit Mobilfunkmodulen von Huawei. Diese sind von einem Lizenzabkommen gedeckt, das Sharp inzwischen mit Huawei geschlossen hat. Die Lizenz, die Daimler nun direkt von Sharp erhält, betrifft nur einen kleinen Teil der Fahrzeuge. "Aufgrund der Lizenzvereinbarung zwischen Sharp und Huawei waren sechs von sieben Daimler-Fahrzeugen ohnehin schon lizenziert, denn in den meisten Mercedes-Modellen wird effektiv über Huawei-Chips telefoniert", erklärte der Patentexperte und Prozessbeobachter Florian Müller gegenüber heise online.

Im September hatte das Landgericht München entschieden, dass Daimler die strittigen Patente verletzt. Die Foxconn-Tochter Sharp hätte damit bei Hinterlegung einer Sicherheitsleistung in Millionenhöhe ein Verkaufsverbot für die betroffenen Fahrzeuge in Deutschland erwirken können. Daimler hatte zunächst angekündigt, das Urteil anfechten zu wollen, sich nun aber doch für die Lizenzierung der Sharp-Patente entschieden.

Die von Sharp angestrengten Klagen gegen Daimler sind Teil einer Reihe weiterer Verfahren, mit denen Inhaber von Mobilfunkpatenten der Autoindustrie zusetzen. Daimler muss sich derzeit in weiteren Patentprozessen unter anderem gegen Ansprüche von Nokia wehren. Bei dieser neuen Klagewelle gegen die Automobilhersteller geht es um eine Grundsatzfrage: Müssen Inhaber ihre standardessenziellen Patente an Zulieferer lizenzieren oder können sie die Autohersteller direkt in Anspruch nehmen?

Der Unterschied ist kein kleiner: Als Lizenzgebühren werde in der Regel ein paar Prozent des betroffenen Produktpreises berechnet – und der Preisunterschied zwischen einem Mobilfunkchip von Huawei und einer Mercedes S-Klasse ist enorm. Verschiedene Patentinhaber versuchen deshalb derzeit, die Zulieferer zu überspringen und direkt bei den Herstellern zu kassieren.

Bei Patenten, ohne die standardisierte Technik nicht funktioniere würde, gilt das FRAND-Prinzip ("Fair, Reasonable and Non-Discriminatory"): Patentinhaber müssen die Technik jedem Hersteller, der ein dem Standard entsprechendes Gerät anbieten will, eine Lizenz zu fairen, angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen erteilen. Eine einheitliche FRAND-Formel gibt es nicht, die Einzelheiten sind Verhandlungssache – weshalb es nicht selten zum Streit kommt.

In den aktuellen Verfahren vor verschiedenen deutschen Gerichten geht es unter anderem darum, ob ein Patentinhaber einen lizenzierungswilligen Zulieferer überhaupt ignorieren darf. Mit dieser Frage wird sich demnächst wohl der Europäische Gerichtshof (EuGH) beschäftigen. Das Landgericht Düsseldorf will den EuGH in einem der Verfahren zwischen Nokia und Daimler hinzuziehen. Auch das Bundeskartellamt hatte sich in diesem Zusammenhang dafür ausgesprochen, die Grundsatzfrage auf europäischer Ebene klären zu lassen.

Patentexperte Müller erwartet, dass die Hinzuziehung des EuGH den Beklagten in den deutschen Verfahren etwas Luft verschaffen wird. "Bis die Luxemburger Richter gesprochen haben, könnte sein, dass man in Deutschland nicht mehr so leicht Verkaufsverbote gegen Automobilhersteller auf Grundlage von standardessenziellen Patenten erhalten und vollstrecken kann", sagte Müller gegenüber heise online.

Vor diesem Hintergrund darf Daimler die Einigung zwischen Sharp und Huawei als Gewinn verbuchen, denn ein Patentinhaber hat die Lizenzierung durch einen Zulieferer anerkannt. Mit dem Rest räumt Daimler eine Nebenbaustelle ab und kann sich auf den wichtigen Streit mit Nokia konzentrieren. "Die Einigung hat keine Auswirkungen auf die Verfahren gegen Nokia", bekräftigt ein Sprecher. "Daimler ist immer noch der Auffassung, dass einem Unternehmen die Nutzung von solchen standardessenziellen Patenten nicht untersagt werden kann, wenn seine Lieferanten zur Zahlung einer entsprechenden Lizenz bereit sind."

(vbr)