"Avatar: The Way Of Water": Opulentes CGI-Actionspektakel

Dreizehn Jahre nach Avatar verteidigt Jake Sully seine Familie in einem dreistündigen Action-Epos gegen naturfeindliche Himmelsmenschen von der Erde (Spoiler).

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In "Avatar – The Way Of Water" kämpfen die Na'vi diesmal vom Wasser aus gegen die profitgierigen Himmelsmenschen.

(Bild: Disney)

Lesezeit: 7 Min.
Inhaltsverzeichnis

Ruhe ist eingekehrt auf Pandora. Der Ex-Marinesoldat Jake Sully (Sam Worthington) und die Na’vi Neytiri (Zoe Saldana) leben mit ihrer Familie ein beschauliches Leben. Zwei Söhne und eine Tochter haben sie bekommen, seit sie die Himmelsmenschen aus dem Naturparadies vertrieben. Bei ihnen lebt außerdem die unter ungeklärten Umständen gezeugte Tochter des Avatars von Dr. Grace Augustine (Sigourney Weaver).

Als die Himmelsmenschen unerwartet zurückkehren, greifen die Na‘vi erneut zu den Waffen. Der von Neytiri im ersten Film getötete Colonel Miles Quaritch (Stephen Lang) hat sein Bewusstsein in einen Na’vi-Avatar herunterladen lassen und sinnt nun mit einer Gruppe Avatar-Marines auf Rache an Jake Sully.

Um ihren Stamm zu schützen, flüchtet Familie Sully zu einem Stamm, der nicht im Wald, sondern am Meer lebt. Freundlich werden die Fremden nicht gerade aufgenommen und müssen erstmal den "Way Of Water" lernen. Die jugendlichen Sprösslinge suchen in Mutproben die Anerkennung der neuen Gruppe und erleben Gefühle erster Liebe -- bis Quaritsch und seine Schergen die Zuflucht am Südseestrand mit Feuer überziehen.

Neben der Action stehen die Familienbeziehung und sich daraus entwickelnde Dramen im Zentrum der Handlung.

Das Familienidyll dauert nur wenige Minuten, dann zündet Regisseur James Cameron mit den Effektschmieden Industrial Light & Magic und Weta FX ein opulentes Actionfeuerwerk. Kein einziger Frame des mehr als dreistündigen Films kommt ohne visuelle Effekte aus. Praktisch alle Figuren entstanden als meist überzeugende 3D-Animationen. Das Publikum vergisst nach kurzer Zeit, dass es keine Personen, sondern, nun ja, Avatare der Schauspieler betrachtet.

Neben die Waldbewohner setzt der Film ein neues, am Wasser gebautes Pandora mit türkisgrünen Bewohnern, die an ihre Umgebung angepasst sind. Die minutiös gestaltete Unterwasserwelt ergänzt das Waldsetting aus dem ersten Teil auf glaubwürdige Weise. Ebenso wie im ersten Teil die Landtiere beeindrucken die Wasserwesen mit ihren reichhaltigen Formen und Farben. Sie greifen dabei die Motive der Tier- und Pflanzenwelt für die Meeresbewohner wieder auf. Würde ein Pandorianer die Erde am Computer entwerfen, hätten Seehunde die Gesichter eines Golden Retriever, aber für den Film funktionieren solche stilistischen Analogien.

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Auch die technische Welt der Menschen haben die Effektschmieden auf ein neues Level gehoben. Spinnenartige Arbeitsroboter, an Krabben erinnernde U-Boote, neuartige Lastenroboter und die Landungsschiffe sind einige der beeindruckendsten neuen Gefährte des Sequels, die aber an die Formensprache des Vorgängers anknüpfen. Ihr Detailreichtum und die Animation vermitteln sowohl bei Kreaturen als auch bei den technischen Geräten ein Gefühl von Gewicht und Größe. Gerade die Waffen wirken überdimensioniert und schießen mit brutaler Wucht.

Bei über drei Stunden computergenerierter Action fällt allerdings auf, dass es offenbar manchmal auch schnell gehen musste. Gerade der Endkampf erinnert an sterile Bosskämpfe von PlayStation-Cutszenen. Die Interaktion der Avatare wirkt in einzelnen Szenen holprig und nicht so gewichtig wie die Manöver der Gerätschaften.

Der Showdown wirkt ein bisschen wie mehr vom Bekannten, unterhält aber mit kurzweiliger, computergenerierter Action.

Wie andere Fortsetzungen auch bleibt "Avatar – The Way Of Water" bei den bewährten Motiven. So besticht der Film vor allem durch visuelle Effekte und nicht durch eine originelle Geschichte. Der im vorigen Teil ermordete Bösewicht kehrt durch einen technischen Trick aus dem Jenseits zurück, als wäre es eine Kleinigkeit, von den Toten aufzuerstehen. "Marines werden nicht besiegt, sie formieren sich in der Hölle neu", sagt er – und damit ist das Thema erledigt.

Jake Sully ging eine spirituelle Verbindung mit dem großen Flugdrachen ein, sein Sohn tut dasselbe mit einer Art Wal. Im neuen Stamm muss Familie Sully wie Jake selbst zuvor wieder deren Vertrauen gewinnen. Und schließlich verteidigen alle wiederum mit Pfeil und Bogen ihr Land und ihre Lebensweise gegen mit Schusswaffen bewehrten Cowboys.

Die Figuren kommen schablonenhaft daher. Das Motiv von Quaritch heißt "Rache bis in den Tod" und damit ist fast alles über ihn gesagt. Die milliardenschwere interstellare Expedition samt "Brückenkopf City" nebst gezüchteten Avataren, in die man sein Bewusstsein downloaden kann, bleibt ein Vehikel für die Vendetta – die Vorgesetzten haben anscheinend keine eigene Agenda auf dem Planeten, üben keine Kritik am irrationalen und kostspieligen Rachefeldzug.

Die Avatar-Marines taugen eigentlich grundsätzlich nicht zur Infiltration, denn die US Navy hat ihnen Marine-Uniformen in Na’vi-Größe geschneidert und ihnen sogar Marine-Tattoos verpasst. Damit passen sie eher in einen Samstagsvormittagscartoon als in einen Blockbuster.

Der Avatar ist zwar gelungen, aber die Uniform und das Tattoo verraten den US-Marine dann doch.

Naiv wie die Na’vi sind, schaffen sie es ohne den Ex-Marine Sully nicht, sich zu wehren. Alles Martialische ist den Menschen vorbehalten. Selbst ein Meeresbiologe zeigt sichtlich Spaß daran, die von ihm selbst als hochintelligent und emotional bezeichneten Meeresbewohner brutal zu ermorden. Warum? Geld! Eine dünne Erklärung in einem Halbsatz, um eine untypische Handlungsweise zu rechtfertigen.

Sullys Adoptivtochter hat eine besondere spirituelle Verbindung, aber woher und warum? Wird hoffentlich in Avatar 3 geklärt. Sullys jüngerer Sohn kann mit seinem Walfreund über Zeichensprache reden. Aber mit welchen Fingern macht der Wal diese Zeichen? Vielleicht liest Sohnemann die Untertitel mit. Der Marinebiologe ist auf eine Art Lebenselixier aus, das die Wale produzieren, aber warum bastelt sich nicht jeder einen Avatar und lädt sein Bewusstsein hinein wie der Colonel?

Der Film wirft etliche Fragen auf, die er trotz Überlänge nicht beantworten kann. Schließlich muss die nächste Arena mit Action gefüllt werden und die macht alle Fragen schnell vergessen. So wirkt der Film streckenweise aber eher wie ein Videospiel als wie ein Drama.

Das Publikum sieht 193 Minuten voll computeranimierte Grafik. In einigen Szenen sieht der Film nicht ganz fotorealistisch aus.

James Cameron, der Ausnahmeregisseur von Terminator, Terminator 2, Aliens – Die Rückkehr, Abyss – Abgrund des Todes und Titanic, findet verlässlich die richtige Mischung aus Drama, Action, Romantik und Comedy. Er kann die Massen begeistern und ein großes Spektrum des Publikums unterhalten. So versieht er aber auch das Blockbuster-Actionspektakel mit einer Familiengeschichte, die durch eine interessante Vater-Sohn-Dynamik in die verborgenen Fähigkeiten einer Tochter besticht, die sich hoffentlich im dritten Teil noch entwickeln.

Dazu gehört auch, dass alles ein wenig einfach daherkommt, und manche Dinge doppelt und dreifach erklärt werden. Marines tragen eben Tarnwesten und Tattoos, auch wenn sie blaue native Pandorians darstellen wollen. Cameron holt damit die ganze Familie ab, inklusive der einfach Gestrickten, die den Film sonst nicht verstehen.

Der Film hat mehrere Enden: Der Bösewicht entführt die Familie, wird besiegt, kommt zurück, entführt die Familie, wird besiegt, kommt zurück. So hat James Cameron es in Terminator 2 oder Aliens gemacht, so macht er es wieder. Dennoch wirkt der Film bis zuletzt alles andere als langweilig. Außerdem lässt er einige Fragen offen, die hoffentlich die Fortsetzung beantwortet.

Das Kinojahr 2022 war dünn. Außer "Top Gun: Maverick" gab es kaum Popcornkino. "Avatar – The Way Of Water" sticht aber nicht nur deswegen deutlich aus der Masse heraus als das größte und opulenteste Spektakel des Jahres. Die Effekte sind große Kunst, die Geschichte unterhält in ihren vielschichtigen Facetten. Daher wird er ein breites Publikum finden und ein weiteres Mal wird James Cameron die Massen unterhalten.

"Avatar: The Way of the Water" ist ab dem 14. Dezember im Kino. (akr)