BKA-Herbsttagung: Wo die rechte Szene auftritt, knallt es

In einer programmatischen Rede hat Holger Münch als Chef des Bundeskriminalamtes ein deutliches Zeichen gegen "das rechte Spektrum" gesetzt, das seiner Ansicht nach den islamistischen Terror instrumentalisiert.

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Thomas de Maizière, Holger Münch

Thomas de Maizière und Holger Münch (r.)

(Bild: heise online / Detlef Borchers)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Detlef Borchers

BKA-Chef Holger Münch legte auf der Herbsttagung seiner Behörde in Mainz nach einer Schweigeminute zum Gedenken an die Opfer der Pariser Anschläge mächtig los. Zunächst relativierte er die Ammenmärchen um die angebliche Flüchtlingskriminalität, um anschließend vor der rechten Szene und ihren Gewalttaten vor Flüchtlingsunterkünften zu warnen. Solche Entwicklungen müssten genau beobachtet werden, nicht nur die Wege der Syrien-Aufbrecher und -Heimkehrer. "Wir wollen in Deutschland nicht noch einmal von einer Gruppierung wie dem 'Nationalsozialistischen Untergrund' überrascht werden!"

700 Straftaten gegen Asylunterkünfte, eine Verfünffachung der Gewalttaten gegen Asylsuchende seien eine bedrohliche Nachricht. Münch zog eine direkte Linie von der Häufung solcher Straftaten zu den Gebieten, in denen eine "starke rechte Szene verzeichnet ist". Der BKA-Chef wertete die Attacken, aber auch die übertriebenen Berichte über sie als Teil einer Desinformationskampagne und setzte Fakten dagegen.

Es gebe keinen überproportionalen Anstieg der Kriminalität dort, wo Asylunterkünfte errichtet werden. Der weitaus größte Teil seien Diebstahls- und Fälschungsdelikte wie Schwarzfahren. "Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und Straftaten gegen das Leben liegen bei unter einem Prozent".

Staatsangehörige aus Syrien und Irak seien deutlich unterrepräsentiert. Eine "erkennbar auffällige Häufung" gebe es allerdings bei Staatsangehörigen aus dem Balkan. Die rechte Szene übertreibe maßlos, um sich auf diese Weise einen "Anschluss an die bürgerliche Mitte" zu verschaffen.

Münch lobte das gemeinsame Terrorismus-Abwehrzentrum GTAZ als die führende innerdeutsche Institutionen bei der Beobachtung der islamistischen Szene, die in Deutschland mehr als 43.000 Personen umfasse. International sei die "Police Working Group on Terrorism" von Europol ein wichtiger Partner geworden.

"Genau wie die Straftäter dies tun, müssen auch wir Sicherheitsbehörden die Chancen von Globalisierung und Digitalisierung nutzen, um weltweit intelligentere und flexiblere Netzwerke zu schaffen." Angesichts der hohen Zahl von 43.000 Personen gab Münch auch unumwunden zu: "Wir können sie nicht durchgehend im Auge behalten". Deshalb arbeite das BKA an einem IT-gestützten System zur standardisierten Risikobewertung von islamistischen Gewalttätern, die neben der Fallanalyse eingesetzt werden soll. Wie diese Bewertung im Detail funktioniert und ob sie Momente des Predictive Policing auf die Jihadisten überträgt, ließ Münch offen.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière beschäftigte sich noch einmal mit den "Hinweissplittern", die zur Absage des Fußballspiels zwischen Deutschland und den Niederlanden am Dienstag in Hannover führten. Er bedauerte, den "hohen Symbolwert" eines solchen Spiels für Fußballfans zerstört zu haben und rechtfertigte die Informationssperre damit, dass ein Innenminister nicht alles sagen dürfe, was ihm bekannt sei. Sonst würde das Handeln von Sicherheitsbehörden für Terroristen berechenbar sein. Der Minister betonte, wie wichtig die Aufmerksamkeit der Bevölkerung ist: "Polizeiarbeit ist Informationsarbeit", doch müssten die Informationen von wachsamen Mitbürgern kommen. (anw)