Besetzung des IGF: UN ringt um Stand zwischen den Fronten der Netzpolitik

Während die USA und China eigene Initiativen zur Internet Governance starten, will António Guterres die Vereinten Nationen als multilaterale Plattform stärken.

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(Bild: whiteMocca/Shutterstock.com)

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Von
  • Monika Ermert
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UN-Generalsekretär António Guterres hat die Namen der zehn Mitglieder eines neuen Führungskreises für das Internet Governance Forum (IGF) bekanntgegeben. Das sogenannte IGF Leadership Panel (IGF LP) soll weniger "führen" als Brücken bauen zwischen dem IGF und Entscheidungsgremien innerhalb und außerhalb der UN. Zum neuen Gremium gehören bekannte Gesichter wie "Internet-Vater" und Google-Evangelist Vinton Cerf, aber auch Neulinge im Bereich Internet Governance wie die philippinische Friedensnobelpreisträgerin und Journalistin Maria Ressa.

Jeweils zwei Vertreter mit Ministerrang und zwei CEOs oder Direktoren aus Wirtschaft, Technik, Zivilgesellschaft und der Gesellschaft als solcher waren zu bestimmen. Die Minister kommen mit Alkesh Kumar Sharma und Karoline Edtstadler aus Indien und Österreich. Der indische Minister für Electronics und Information Technology und die noch von Bundeskanzler Kurz ernannte Verfassungsministerin waren beide bislang nicht aktiv im 2006 gegründeten IGF der UN.

Neuzugänge sind auch die beiden Vertreter der Zivilgesellschaft: Ressa sowie der nigerianische Aktivist Gbenga Sesan, Chef der Paradigm Initiative. Für die Wirtschaft sitzen der CEO des staatlichen emiratischen Internetanbieters Etisalat, Hatem Dowidar, und die frischgebackene Vorsitzende der Internationalen Handelskammer, die Mexikanerin Maria Fernanda Garza, im IGF LP. Als weitere Telco-Vertreterin rückt Lise Fuhr, Generaldirektorin des Verbands der Europäischen Telcos, mit ein.

Komplettiert wird der neue Führungsrat schließlich durch den ehemaligen estnischen Präsidenten Toomas Ilves, Mister Staatsdigitalisierung, und den Leiter des Schwarzman College an der Tsinghua Universität, Lan Xue.

Von Amts wegen sind außerdem die Trias aktueller IGF-Gastgeber (Polen, Äthiopien, Japan) mit von der Partie, außerdem der Vorsitzende des Programmkomitees (MAG) des IGF sowie der jüngst von Guterres ernannte "UN Tech Botschafter".

Einen "guten Mix" nennt mit Wolfgang Kleinwächter Deutschlands erfahrenster Experte für Internet Governance die Auswahl. Das Zusammenziehen von Persönlichkeiten aus unterschiedlichen Sphären könne im IGF entwickelte Erkenntnisse und Empfehlungen sichtbarer machen sowie die "Verhandlungsebene mit der Entscheidungsebene verknüpfen". Der Erfolg der neuen Struktur sei aber alles andere als garantiert. Viel sei davon abhängig, ob das neue Gremium eine gemeinsame Sprache finden und sich einen funktionierenden "Maschinenraum" aktivieren könne, damit sich multilateral etwas bewegt.

Skeptisch beurteilt die ehemalige MAG-Vorsitzende, Anriette Esterhuysen, diese Erfolgschancen. Die Südafrikanerin hätte sich gewünscht, dass Afrika und Südamerika stärker vertreten sind. "Es wird nicht leicht, so die Regierungen Afrikas ins Boot zu holen", fürchtet Esterhuysen. Die langjährige Vorsitzende der Association for Progressive Communication ist auch nicht überzeugt von Guterres Versuch, die auch in der Netzpolitik sichtbare Krise des Multilateralismus durch immer neue Gremien lösen zu wollen.

Stattdessen werde vielmehr ein besseres Ineinandergreifen der klassischen Multilateralismus- und der stärker inklusiven Multi-Stakeholder-Verfahren gebraucht, meint sie. Statt neuer Gremium um das IGF wäre schon die Besetzung des dauerhaft vakanten Postens eines Exekutivdirektors ein guter Schritt, so Esterhuysen.

Denn die Zugkraft des globalen IGF schwindet angesichts globaler Spannungen. Auf beiden Seiten des digitalen eisernen Vorhangs werden eigenen Foren für Internet Governance errichtet. Die USA etablierten im Frühjahr zusammen mit der EU einen neuen Kreis von Staaten rund um die Erklärung zur Zukunft des Internets. China antwortete mit einer Ankündigung, ihre Wuzhen Internet Conference zum globalen Governance Forum auszubauen. Ob das IGF es angesichts dessen schafft, als Brückenstation zu fungieren, ist offen.

(mho)